Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Dorothea Regina Elisabeth (1723-1765)[1]
Empfänger Becker, Maria Elisabeth (ca. 1739-?)[2]
Ort Göttingen
Datum 5. November 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 694-697
Transkription Hans Gaab, Fürth


Liebe Jungfer Beckerinn!

Ich will auch einmahl an sie schreiben; aber ich kann nicht so schreiben als mein Mann, daß sie es selbst lesen kann.[3] Durch ihre wunderliche Aufführung gegen mich, thut sie sich selbst den größten Tort[4], bedencke sie nur, was sie uns gethan hat von Ostern an; wir haben es nicht verschuldet an ihr, wie sie uns begegnet, ich habe ihr mit Vergnügen alles Guts gethan, sie hat mir auch allen Danck versprochen, und sie hält doch ihr Wort nicht, ich werffe ihr meine Wohlthaten nicht für, sondern ich will sie nur darum errinnern, sie soll nur einsehen, daß ich eine Pflicht gehabt, ihr Gutes zu thun, und ich habe diese Pflicht noch nicht vergessen gegen sie; ihr Wesen daß sie macht, ist nicht von ihr, sondern von den Feinden meines Mannes, die haben ihr es eingegeben, und sie dazu beredt, ich halte sie unschuldig, mein Mann auch; sie hätte mein Herz erkennen sollen gegen sie, aus dem neuen rothen Kleid das ich ihr geschenckt habe am vorigen Jahrmarkte im Jul. sie soll dies Kleid im Winter tragen, wenn sie beÿ mich ist. Sie hat alles geläugnet vor der Deputation was sie mir hat versprochen; dieses ist ihr gewiß gerathen worden von unseren Feinden, sie kann ja gar nicht leugnen, wenn sie nicht recht boshafft ist, und an Gott glaubet; ich bin

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bekümmert um ihr, daß sie nicht boshafft befunden wird, und gestraft muß werden; ich gebe mir alle Mühe die Strafen von sie abzuwenden, denn ich habe sie doch lieb; O! hätte ich es ihr nur gesagt anno 1760 was sie ist: es wäre alles nicht geschehen, aber mein Mann wollte es nicht haben, und sie darf es auch nicht wissen. Liebe Jungfer Beckern glaube sie mir, wir haben nach einer Pflicht gehandelt, und setzten diese nicht aus den Augen, ob sie uns schon so verächtlich begegnet. O! wenn sie wüßte was die Feinde meines Mannes von ihr halten, sie würde es sehr bereuen, und wenn sie wüßte was wir von ihr halten, sie würde darüber weinen, sie wird es bald erfahren, und ihre Leichtgläubigkeit verfluchen, nur jetzt darf sie es nicht wissen, ich darf ihr nichts weiter davon melden, denn mein Mann will es nicht haben; aber ich muß ihr doch sagen, daß letzens der Hl. Hofrath Aÿrer[5] zu meinem Mann gesagt, auf der Deputations=Stube: Das Mensch ist nicht soviel werth, er hat sich darüber geärgert und ich mich, warum das nicht, sie ist ja nur verführt, ich bitte sie, gehe sie in sich, lasse sie die Sachen nicht so weit kommen, sie ist jetzt in den Händen der Gerechtigkeit, sie weis daß mann straft, wenn man boshaftig ist, wir haben sie nicht als ein schlechtes Mädchen in den Proceß tractiren lassen, es haben schon viele Leute gesagt, daß man sich wundert, daß mein Mann sie so menagiret[6], meine Ehre leidet es nicht, daß ich ihr nach gebe, und

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wenn ich es auch thun wollte um ihrentwillen, da ich sie lieb habe, so thuts doch mein Mann nicht, denn sie hat ihn durch irh bös Geschwätz in grossen Schimpf und Arbeit gesetzet, sie wird als falsche Zeuginn erklärt werden, mein Mann kann alles beweissen, ich bin bekümmert um ihr Unglück, fürchte sie sich nicht vor mir, ich habe ihr ja nichts zu Leide gethan, ich will meinen Mann schon abhalten durch die Liebe die ich zu ihm habe, daß er sie nicht verfolgt zu sehr, sie kennt ihn ja daß er gut ist, und niemand gern beleidigen thut, er thut mir alles zu Gefallen was ich wünsche, ich verlange aber auch nichts als was recht und vernünftig ist, das weis er, mein Mann hasset sie nicht, er bedauret sie nur, und er ist doch ihr wahrer guter Freund, ob sie schon auf der Seite ist von seinen bösen Feinden, kehre sie um von ihren bösen Wegen, habe sie ein Zutrauen zu mir, glaub sie mir, was ich versprochen habe, daß ich es halte, so gewiß als ich lebe, ich will sie ja nicht als eine Magd halten, ich halte sie wie eine gute Freündinn, versehe sie ihren Dienst, so wie wir vor Weÿnachten abgeredet haben unter uns, sie weis ich bin danckbar, wenn ichs auch nicht wäre aus Pflicht, so thäte ich es aus Erkenntlichkeit über ihre Treue, sie ist stolz, aber sie doch nicht recht stolz, sie will lieber eine schlechte Köchin seÿn, beÿ einen leedigen fremden Herren, als eine Haushälterin beÿ ihren guten Freunden. Was soll ich denn davon dencken? Ich weis nicht, ich will es ihr überlassen. Sie weis daß wir nur gesucht haben ihr Glück zu machen, und sie tractiret uns, wie ihre schlimmste Feinde, als wenn wir sie wollten stürzen ins Unglück, wäre nicht ein Geheimniß zwischen uns und eine gewisse Pflicht, wir hätten sie gewiß lauffen lassen wo sie hin gewollt hätte, mein Mann hätte sie schon längst verfolgt, er hätte auch dazu Ursachen,

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sie soll es bald erfahren, und am ersten von mir, wenn ichs ihr darf sagen, ich habe schon alles vor sie eingericht, und wenn sie um Mitternacht kommt, so findet sie bereit was sie braucht, mach sie nicht so lang, und laß sie sich nicht dazu zwingen, es ist ihr sonst nur eine Schande und Spott, ich hab es nicht gern daß sie soll beleidiget werden, glaub sie mir, wenn ich sie versichere, daß meines Manns Feinde, sie nur brauchen wider ihn, damit sie ihn nur verfolgen, und haben sie ihren Wunsch erhalten, so kann es ihr auch so gehen, mein Mann hat oft gesagt, man liebt die Verrathereÿ, aber den Verräther haßt man, so gehts ihr und das thut mir leid, lasse sie mir ihre Meÿnung schriftlich zu kommen, weil es ja der Hl. Stallmeister[7] nicht erlauben will, daß sie in unser Haus gehet, mein Mann darf es nicht wissen, daß ich ihr geschrieben habe, sie muß ihm nichts sagen davon, wenn sie mit ihm redet, ich will schliessen, bedencke sie ihre Schuldigkeit, und bedencke sie wie sie mit uns umgehet, und was wir an ihr gethan haben, verletze sie ihr Gewissen nicht länger, habe sie mich lieb, so wie ich sie habe. Ich bin ihre aufrichtige Freündinn


Göttingen
den 5. Nov. 1763.

Dorothea Regina Elisabeth Lowitz
gebohrne Riepenhausen


An die Jungfer Beckern auf dem Reitstall



P. M. von obigem Schreiben, so in Abschrift zurück behalten, habe ich das Original der Frau Professorin Lowitz mit nachfolgenden Billet zurückgeschickt. den 6. Nov. 1763.

JS Pütter[8]



Fußnoten

  1. Dorothea Regina Elisabeth Riepenhausen (23.07.1723-14.03.1765) hatte am 20.04.1756 Lowitz geheiratet.
  2. Maria Elisabeth Becker war seit 1762 beim Stallmeister Ayrer als Köchin angestellt. Vgl.:
    Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472.
  3. Handschriften konnte die Beckerin nicht lesen. Deswegen schrieb ihr Lowitz Briefe in Druckbuchstaben.
  4. Tort: Unrecht, Verdruss.
  5. Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat.
  6. menagiren: sich mäßigen.
  7. Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760 Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Vgl.:
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075.
  8. Vom 04.07.1763 bis zum 03.01.1764 war Johann Stephan Pütter (1725-1807) Prorektor. Er war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen.