Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Becker, Marie Elisabeth[1]
Ort Göttingen
Datum Ende Juli / Anfang August 1763[2]
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 216, 226-228
D-23-9-1, Bl. 2r-7v [von Riccius beglaubigte Kopie]
Transkription Hans Gaab, Fürth


Brief I


Meine wertheste Freundin !

Ich habe Briefe von Münden, darinnen Nachrichten stehen, die ich Ihr selbst vorlesen muß. Schaffe Sie mir doch Gelegenheit, daß ich dieses thun kan. Ich muß alle morgens um acht uhr auf das Observatorium gehen; wolte Sie morgen frühe dahin kommen, wenn Sie auf den Markte gehet, so würde ich schon um halb acht Uhr droben [sein]. Ist Ihr aber eine andere Zeit angenehmer, so gebe Sie mir doch durch den Herrn Reus[3] Nachricht davon. Ich bin Ihr wahrer Freund.


Lowitz

Freytag.



Brief II

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Meine wertheste Freundin !

Ich muß einmahl einen sehr großen Brief an Sie schreiben, weil mir auf ein kleines Billet keine Antwort gegeben wird, und weil Sie alle Gelegenheiten vermeidet mit mir zu sprechen, da ich Ihr doch sehr vieles zu erzählen habe. Es ist ihr gewiß abermahl eine Thorheit wieder mich in den Kopf gesetzet worden; ich kan mir schon einbilden was es ist. Sie irret sich aber eben so sehr als indem, da Sie den Leuten die Versicherung giebt, ich hätte die bewusten drey Thaler[4] aus noth, weil ich geld nöthig hätte, von ihr zurücke gefordert. Warum brauchte ich denn die Deputation darzu? ich hätte es ja von Ihr können fordern lassen. Ich muß Ihr doch die Warheit sagen, warum ich genöthiget war, es auf eine solche Art zu machen. Man sagte mir etliche mahle es wäre ausgesaget worden, ich hätte Sie durch allerlei List und Betrug überreden lassen, zu mir ins Haus zu kommen, und mit mir zu sprechen; nur damit ich Neuigkeiten erfahren konte. Ihr wird es nun bekant seÿn, ob Sie dieses ausgesaget hat, oder wer der Lügner ist. Ich muste diese boshafte Beschuldigung durch diesen Fall wiederlegen. Der Herr Hofrath Ayrer[5] hätte es Ihren Herrn[6] nicht sagen sollen.[7] Er wird deswegen noch Verdruß bekommen: den Sie hätte sollen von der Deputation gefraget werden, ob mein angeben wahr seye oder nicht. Der Erfolg hat also dieses verhör unnöthig gemacht. Sie kan sichs also leicht vorstellen warum Ihr Herr damals so böse wurde. Er wird es bald noch ärger werden, wenn ich die Acten in die Hände bekomme. Meine guten freunde wollen Nachricht von Hannover haben, die königliche regierung will die untersuchung des Pasquillen Proceßes nicht weiter fortsezen lassen,[8] seit dem sie meine vor acht Wochen, wieder Ihren Herrn, eingegebene Schrift gesehen habe.[9] Aber gestern schrieb ich einen flehenden Brief an die Königliche Regierung, diese untersuchung nicht zu unterdrücken; sondern lieber etliche Commisarien zu ernennen, die den Proceß ausführen, und mir meine, durch Ihren Herrn geraubte Ehre wiederum verschaffen.[10] Er wird alsdenn nicht wiederum zu Herrn Wagner[11] sagen: das kan der Reutstall, wie Sie sichs noch vom Schweinschlachten her, erinnern wird.[12]. Der Herr von Selchow[13] hat heute gleichfals dieser wegen nach Hannover geschrieben.[14] Aber meine wertheste Freundin was wird endlich aus Ihr bei dieser Sache werden, wenn alle schuld auf Sie geschoben wird? Wer wird sich Ihrer annehmen? Sie hat keinen Freund in der

ad n. 41. eine Zulage[15]

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welt außer mich und meiner Frau: und ich bin noch darzu so sehr von Ihr beleidigt! der Himmel gebe! daß es nur aus Einfalt, aber nicht aus überlegter Bosheit, wie es scheinet, geschehen seye. Meine wertheste Freundin! was hat Sie mir schon wieder für einen großen Tort[16] gethan? verschiedene gute Freunde brachten mir dieser tagen über die Nachricht, daß man mich in verschiedenen gesellschaften wegen Ihrer Seifenkugelbüchse, zum Gelächter mache. Die Leute wissen es daß ich Ihr eine gegeben, und mit Ihren Nahmen beschrieben habe. Aber sie sagen darzu, es befinde sich auch mein Nahme daran. Dieses ist gewiß erlogen: es müste ihn denn eine andre gottlose Hand darauf geschrieben haben. Es will jemand versichern, daß er sie selbst erst kürzlich gesehen habe. Wem hat Sie den diese Büchse gezeiget? gewiß Ihrem Herrn, der nichts anders weis womit er mich lächerlich machen kan. Ich kan es nicht glauben daß Sie selbst so gottlos seyn solte, mich mit meinen, Ihr mit Vergnügen erzeigten Wohlthaten zum Gespoette zu machen. Ich bitte Sie um alles willen! gebe Sie mir doch wegen diesem Punkte einige Erlaeuterungen, damit ich in meinem Gemüthe befriediget werde, zu wissen, das Sie zu diesem Spott nichts aus Bosheit beigetragen habe.

Nun will ich Ihr auch eine angenehme Nachricht geben. So bald als unser Julgen[17] an ihrer tödlichen Wunde wird mit Gottes Hülfe curirt seyn, damit wir uns sicher vom Hause entfernen können: so werde ich mit meiner Frau und Tobias[18] auf zween oder drey täge, zu unserer Veränderung, eine Lustreise mit der Post nach Münden anstellen. Wir werden alle ihre Freunde und Anverwande kennen lernen, indem wir auf der Post logiren. Ihre Mutter muß mit uns speisen, und auch ihre Schwester. Meine Frau will Ihrer lieben Mutter recht gütlich thun, und sie pflegen. Ihr und meine Wunsch ist, daß doch Sie meine wertheste Freundin auf diese etliche Tage abkommen, und mit uns reisen könte. Wir würden Sie recht triumfirend in Ihre Vatterstadt einführen, und folglich das schlechte Gespräch, welches dort von Ihren Umständen gehet, augenscheinlich widerlegen. Diese Nachrichten soll der Docter Harlitz[19] hingeschrieben haben: wovon eine diese ist, als hätten wir Ihr unser Hauß verbotten; welches nicht wir, sondern ihr jeziger Herr gethan hat. Vieleicht kan Sie es bis dahin leicht möglich machen. Es könte nur eine Ihr bekante Persohn unterdessen in die Küche gesetzet werden. Die Unkosten wolte ich gerne hergeben, damit Ihres Herren Tisch keine Noth leide, wenn Sie nicht da wäre. Ihr Herr würde Ihr

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auch diese Gefaelligkeit nicht abschlagen. Sie hätte nicht nöthig zu sagen daß wir auch dahin gehen. Sie könte aussen vor dem Thore einsitzen: und wir wolten uns stellen als wenn wir Sie von ohngefähr angetroffen hätten. Unsern Leuten würden wir sagen, wir fahren nach Hedemünden;[20] und zum Postillion, wir reisen nach Kassel. Wir fahren an einen sonabend früh hier ab, bleiben über den Sontag in Münden und kommen am Montag abends wiedernach hauß. Sie könte denselben Sontag in Münden zu Gottes Tische gehen. Ihre Freunde würden sich sehr darüber freuen: zu mahl Ihre ehrliche alte Mutter!

Was wird sie wohl denken, meine wertheste Freundin, daß ich so vieles geschrieben habe? Es ist noch lange nicht alles. Das beste muß ich bis zur mündlichen Unterredung verspahren, entweder vor dem Thore in des Herrn Schmidt[21] seinem Garten, oder auf dem Observatorio, oder in meinem Hause. Die Nachricht wo und wenn Sie will, kan Sie mir durch den herrn Schmidt sagen lassen, wenn Sie nicht gerne in mein Hauß gehet. Ich habe solch wichtige Sachen mit Ihr zu reden, die ich nicht dem Papiere anvertrauen darf. Ich muß ohnehin fürchten, daß Sie diesen Brief wiederum in die Haende Ihres Herrn liefert, wie Sie mit dem vorigen soll gethan haben: welche Treulosigkeit ich ganz nicht glauben kan. Nun thun mir die Finger vom schreiben wehe, indem ich beinahe drei stunden an Diesem Brief schreiben muste; weil diese Schrift sehr schwehr zu schreiben ist.

Lasse Sie mich nicht lange auf Aantwort warten. Ich hoffe doch Sie wird diesen Brief lesen können. Er ist ja mit ihrer Leibfarbe, wie solche mein Tobias nennet, geschrieben. Mit meiner Leibfarbe will ich mich unterschreiben:

Ich bin Ihr redlichster Freund
G. M. L.



Das beyliegende Stükgen Nürnberger Brod esse Sie ! auf meine Gesundheit.



Fußnoten

  1. Maria Elisabeth Becker war seit 1762 beim Stallmeister Ayrer als Köchin angestellt. Vgl.:
    Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472.
  2. Beide Briefe sind nicht datiert. In seinem Pro Memoria vom 17.08.1763 schrieb Lowitz aber, dass er vor drei Wochen erfuhr, dass sich die Jgfr. Becker erneut beim Stallmeister vermietet habe. Darauf schrieb er zwei Billets an sie, worauf sie erst am 08.08.1763 antwortete. Die vorliegenden Briefe müssen somit Ende Juli oder Anfang August 1763 geschrieben worden sein. Im zweiten Brief erwähnt er zudem, dass er gestern einen Brief an die Landesregierung schrieb, in dem er um Einsetzung von Kommissaren zur Untersuchung der Pasquillensache gebeten habe. Hierbei kann es sich nur um den Brief vom 04.08.1763 handeln, der zweite Brief ist also auf den 05.08.1763 zu datieren. Diesen Termin nennt Lowitz auch in seinem Schreiben vom 13.12.1763. Der erste muss einige Tage vorher geschrieben worden sein.
  3. Im Thüringer Pfarrerbuch, S. 218 ist ein am 06.10.1741 ordinierter Pfarrer Johann Wilhelm Reuss erwähnt, der 1743 Coburg wegen Übertretung des 6. Gebotes Coburg verlassen musste. Er soll 1780 in Göttingen Unterricht im Glas- und Steinschleifen gebeben haben. Angeblich starb er im Mai 1787. Zu ihm siehe:
    Pütter, Johann Stephan: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Göttingen: Vandenhoek 1765, S. 310
    Zeitschrift für Instrumentenkunde 1907, S. 121.
  4. Der Stallmeister war verreist und hatte der Beckerin zu wenig Geld zum Haushalten hinterlassen. Lowitz lieh ihr deswegen drei Taler. Nachdem er dies der Deputation bekannt gemacht hatte, bekam die Beckerin mit ihrem Herrn Ärger, weswegen Sie über Lowitz sehr verärgert war.
  5. Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat.
  6. Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760 Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Vgl.:
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075.
  7. In seinem Pro Memoria vom 17.08.1763 schrieb Lowitz, was passierte, als er die Deputation wegen der 3 Taler informiert hatte: "Ob mich schon der Herr Prorector damahls nach erhaltenen Bescheid versicherte, die Deputation habe beschloßen, Hln Stallmeister nichts davon wißen zu laßen, bis ich ihn deswegen ordentlich verklage: So lief doch Hl. Hofrath Aÿrer den Augenblick hinaus in den Reitstall, und erzählte den gantzen Umstand seinen Herrn Vetter".
  8. Am 16.06.1763 erging von der Landesregierung an die Deputation die Reskript, dass die Angelegenheit dadurch zu beenden sei, dass die Pasquillen durch den Scharfrichter verbrannt würden. Dieser Anordnung wurde aber mit dem Reskript vom 23.06.1763 widerrufen.
  9. Gemeint ist das Pro Memoria von Lowitz vom 12.06.1763, was mit der Angabe von acht Wochen ungefähr übereinstimmt.
  10. Es kann sich nur um den Brief von Lowitz vom 04.08.1763 handeln, in dem Lowitz die Einsetzung von Kommissaren anregt. Der vorliegende Brief ist damit auf den 05.08.1763 zu datieren.
  11. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.
  12. Es ist nicht bekannt, auf was Lowitz hier anspielt.
  13. Der Jurist Johann Heinrich Christian von Selchow (1732-1795) war seit 1757 außerordentlicher Professor der Rechte, 1762 dann ordentlicher Professor in Göttingen.
  14. Dieser Brief ist nicht überliefert.
  15. Nummer des Dokuments in der Designatio Actorum.
  16. tort: Kränkung, Verdruß.
  17. Die Tochter Julia Sophia Maria wurde am 12.09.1762 geboren. Sie ist vermutlich bald darauf gestorben.
  18. Tobias Lowitz (22.04.1757-07.12.1804) war das einzige überlebende Kind aus der zweiten Ehe von Lowitz.
  19. Der Chirurg Johann Christoph Friedrich Harlitz (Herlitz) wurde schon 1718 in Göttingen eingebürgert. Bei dem hier erwähnten Arzt könnte es sich um einen seiner Söhne gehandelt haben. Vgl.
    Wellenreuther, Hermann: Göttingen 1690-1755. Studien zur Sozialgeschichte einer Stadt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988, S. 377, Tab. IV, Eintrag 270
  20. Hedemünden ist heute ein Ortsteil von hannoverisch Münden.
  21. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.