Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Landesregierung in Hannover
Ort Göttingen
Datum 4. August 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 8213, Bl. 42r-43v
Transkription Hans Gaab, Fürth


Köngl. Großbritannische zur Churfürstlich-Braunschweig-Lüneburgischen Landes-
Regierung Höchst verordnete Herren Geheime Räthe!
Hoch- und Hochwohlgebohrne,
Gnädige und hochgebiethende Herren !


Ew. Hoch- und Hochwohlgeborne Excellenzen geruhen gnädigst, meine unterthänigste Bitte zu erhören, die ich mit gegenwärtigen um die schleunige Untersuchung des, durch die Bosheit des Hofrath Michaëlis[1] auf mich gewältzten Pasquillen-Verdachtes, flehentlich abzulegen habe. Es geht allbereits schon in die 9.te Woche,[2] da ich vor der Deputation erschienen bin, als sie mich dieser Schandsache wegen auf Ew. Hoch- und Hochwohlgebohren gnädigsten Befehl vor sich fordern ließ. Ich bath in meinem eingereichten Promemoria unterthänigst, um die Mittheilung der Acten, damit ich die mich angehenden Dinge auseinander setzen, und mich von dieser gottlosen Auflage befreÿen könne. Ich habe aber bis jetzt noch nicht die geringste Resolution oder Nachricht erhalten.

Da ich von der erhabenen Gerechtigkeitsliebe, und erlauchtesten Weisheit Ew. Hoch- und Hochwohlgebohren Excellenzen vollkommen überzeugt bin, so hoffe ich von gantzen Hertzen, daß Höchst dieselben keinem, auch dem geringsten nicht, die billige Gerechtigkeit versagen werden. Um so viel weniger wird das Ansehen einer Person den Lauf der Gerechtigkeit hemmen können. In diesen Zutrauen nehme ich mir die äußerste Freÿheit,

[Bl. 42v]
Ew. Hoch- und Hochwohlgebohren Excellenzen unterthänigst zu bitten, daß wofern es der Universität an der Zeit mangeln sollte, diese delicate, und schwere Untersuchung schleunig und ununterbrochen fort zu setzen, viel sicherer etliche tüchtige, erfahrene, und unpartheÿische Männer, als Commißarien zu ernennen wären, die diesen Proceß entwickeln, und auseinander setzen sollten. Ich fürchte mich nicht für selbigen, wenn sie auch Freunde meiner Feinde seyn sollten. Nur die Deputation war mir beÿm Anfang der Inquisition sehr verdächtig.

Ew. Hochwohl- und Hochwohlgebohrne Excellenzen erlauben mit gnädigst, diesen Verdacht der Partheÿligkeit zu erweisen, so wie ich ihm diesem Gerichte in das Gesicht gesagt habe, als ich vor demselben erschien, ohne daß man mir etwas dagegen einwenden konnte. Es bestand aber damahls die Deputation aus dem Dr. Walch[3] als zeitigem Prorector, dem Dr. Heilmann[4], dem Hofrath Aÿrer[5], dem Profeßor Meister[6], dem Profeßor Vogel[7], und dem Hofrath Michaelis, wobeÿ ohne dem der Prof: Riccius[8], als Secretair zu gegen seÿn mußte. Nun ist es gewiß, daß der Hofrath Michaelis diese gantze Sache beÿ der Deputation gegen mich eingeleitet habe, aber schon jetzt das Gegentheil dem Publico versichern will. Von diesem ist der Hl. D. Walch so wohl, als der Prof. Meister ein Hertzens Freund, die fast täglich beÿ sammen sind, und wie ein Kleeblat in genauester Verbindung mit einander stehen, auch wöchentlich so genannte Assemblen halten, und ein ander beständig loben. Der Hofrath Aÿrer war wegen seines Vetters[9] des beleidigten Stallmeisters dabeÿ intereßirt. Der Prof. Vogel danket öffentlich dem Hofrath Michaelis sein gantzes zeitliches Glück, und der Prof. Riccius ist nichts weniger als der Advocate, und der Führer der Michaëlischen oeconomischen Dinge. Dieses war das Gericht, welches so scharf inquirirte, und wodurch als bald alle Schritte, die sie gethan haben, in das Publicum verbreitet worden; so daß alle Studirende davon sprachen, und urtheilten. Der Hofrath Michaelis hatte, wie ich jetzt vollkommen überzeugt bin, nicht weniger zu seiner Absicht, als mich durch diese Sache beÿ Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrenen Excellenzen ohne daß ichs mercken sollte anzuschwärtzen, und mir

[Bl. 43r]
vieleicht eine bekannte Hällische Wolfische Tragödie[10] zuzubereiten. Denn ich wurde zu gleicher Zeit dem hiesigen und auswärtigen Publico verhaßt gemacht, damit dieses zum Voraus die Ursach der zu erwartenden Scene wiße. Dieses sprach man schon in allen Gesellschaften, ehe ich noch vor die Deputation gefordert wurde, und mehrentheils bedauerte man mich. Selbst der Hofrath Michaëlis bezeugte sein Mitleiden darüber. Nun weiß man auch schon an den entfernten Orten diese Affaire, welches ich durch Briefe beweißen kann.

Da mir durch diese niederträchtige Zeiten meine Ehre und mein guter Nahme gewaltsam geraubt worden, und da mir diese beÿden Güter lieber als mein Leben sind: indem ich mich bis hieher mit der äußersten Vorsicht und Bestreben bemühet habe, meinen Character rein und unbefleckt zu erhalten, so muß ich Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrene Excellenzen noch einmahl flehentlich und unterthänigst bitten, die Auseinandersetzung dieser Schandsache zu beschleunigen, und mir meine geraubte Ehre wieder zu verschaffen, wenn ich unschuldig befunden werde.

Ist es ein Ernst, daß man den würcklichen Verfaßer dieser elenden Scartegen[11] entdecke, so kann es gewiß beÿ dieser Untersuchung geschehen, denn ich will so viele, und wichtige Dinge vorlegen, die ihn nahe genug entdecken sollen. Aber hier muß das Ansehen der Person eben so, wie beÿ der Untersuchung gegen mich geschehen ist, auf die Seite gesetzt werden. Ueber dieses habe ich auch noch eine andere höchst wichtige Ursache, die mich zwingt, Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrnen Excellenzen mit dieser heftigen Bitte der Beschleunigung dieses Proceßes zu belästigen; worüber ich mich nächstens näher heraus laßen werde.

Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrnen Excellenzen wollen demnach die höchste Gnade für mich haben, und mir mit nächster Gelegenheit die sämtlichen Acten, kein Blatt ausgenommen, zur Einsicht mittheilen zu laßen, damit ich die versteckte Bosheit entlarven, und meine Unschuld beweisen kann. Es ist durch diese gottlose Beschuldigung mein Gemüth dergestalt in Unruhe gesetzt, daß ich zu allen ernsthaften Beschäftigungen unfähig bin.

Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrnen Excellenzen sehen dieses mein heftiges

[Bl. 43v]
und ungestümes Bitten nicht ungnädig an, sondern schreiben es denen Empfindungen und Erregungen eines äußerst beleidigten und redlichen Hertzens zu, welches an diese Dinge nicht so wie andere, die nicht dabeÿ intereßirt sind, mit kalten Blut denken kann. Der ich die höchste Ehre habe mit tiefster Sumbission zu seÿn


Ew. Hoch- und Hochwohlgebohrnen Excellences



Göttingen am 4. tenAug.
        1763.

unterthänigster und gehorsamster
Diener      

Georg Moritz Lowitz  



Fußnoten

  1. Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
  2. Lowitz war am 7. Juni erstmalig zum Verhör gebeten worden, vgl. den Bericht von Walch an die Landesregierung vom 20. Juni 1763
  3. Christian Wilhelm Franz Walch (1726-1784) war seit 1754 Professor in Göttingen. Vom 3. Juli 1762 bis zum 4. Juli 1763 war er Prorektor der Universität.
  4. Johann David Heilmann (1727-1764) war seit 1757 Theologieprofessor in Göttingen.
  5. Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat.
  6. Christian Friedrich Georg Meister (1718-1782) war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen.
  7. Rudolf Augustin Vogel (1724-1774) war seit 1753 Professor für Medizin in Göttingen. Vom 3. Januar 1764 bis zum 3. Juli 1764 war er Prorektor.
  8. Christian Gottlieb Riccius (1697-1784) war seit 1747 Universitäts-Secretär und seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen.
  9. Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760 Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Vgl.:
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075. Er war der Neffe (= Vetter) von Georg Heinrich Ayrer (1702-1774).
  10. Christian Wolff war 1723 von seinen pietistischen Gegnern des Atheismus beschuldigt worden und musste in Folge dessen Halle verlassen.
  11. Scarteke: ein unwürdiges Stück Papier. Vgl. Zedlers Universallexikon.


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