Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Vogel, Rudolf Augustin (1724-1774)[1]
Empfänger Landesregierung in Hannover
Ort Göttingen
Datum 17. Februar 1764
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-1, Bl. 58r-59v
Transkription Hans Gaab, Fürth

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster
König und Churfürst

Allerunterthänigster Bericht an Ihro Königl. Maj. wegen der von dem Prof. Lowitz in puncto locationis conductionis[2] entgegen der Köchin Beckern[3] justificirten adpellatio.


Ew. Königl. Majestaet und Churfürstl. Durchlauchtigkeit haben vermittelst allergnädigsten Rescripti unterm 4. Febr. currentis uns wegen der von dem Professore Georg Moritz Lowitz wieder den Stallmeister Johann Heinrich Ayrer[4] und Marien Elisabeth Beckern beÿ Ew. Majestaet übergebenen und uns in originali communicirten Justifications=Schrifft, zu berichten aufgegeben geruhet, was es mit der in solcher Justifications-Schrifft angeführten causa criminali eigendlich für Bewandniß habe, und in sonderheit aber, zu welcher Zeit selbige ihren Anfang genommen ? Wir sollen darauf in allertiefster Unterthänigkeit nicht verhalten was massen in der Nacht vom 5. biß 6. April anni praeteriti[5] einige Pasquille hin und wieder an den Thüren alhier angekleibet gefunden, und in solchen verschiedene Professores und andre Männer, und in Sonderheit der Stallmeister Ayrer, als wann dieser beÿ seiner Köchin der Beckern zu schlaffen pflegte, gröblich injuriret worden. Dergleichen Pasquille von diversen Inhalt hat man auch bald da, bald dort alhier angekleibet, oder unter den Haußthüren hinein gestecket zu verschiedenen mahlen gefunden. Da nun dem Stallmeister, so am meisten in solchen gemißhandelt ward, aufgeben worden, einige Anzeigen zur Untersuchung dem Gerichte zu suppeditiren[6], so überreichte derselbe einige wieder den Professorem Lowitz darzu, und gab in solchen zu erkennen, es seÿ der Professor Lowitz böse auf ihn, weil die Köchin itzo beÿ ihm diente, so ehedem beÿ demselben in Diensten gestanden und welche dieser beÿ verschiedenen Gelegenheiten

[Bl. 58v]
in seine Dienste wieder zu ziehen gesucht. Als man die Beckern die izige Appellation über die von dem Stallmeister Ayrer übergebene Anzeigen zuerst summarisch, hernach aber ad articulos eidlich vernommen, so hat solche ihre Aussage dahin gethan, daß der Professor Lowitz und dessen Frau sie, die Beckern, zu verschiedenen mahlen angesprochen wiederum in ihre Dienste zu treten, sie auch bedrohet, als sie beÿm Stallmeister schon gedienet, wenn sie nicht wieder in ihre Dienste treten würde, ihr ein gewißes zugedachtes Vermächtniß wieder entzogen werden solte;[7] wie er Lowitz denn auch zur Beckerin gesagt haben soll, er könnte es nicht leiden, daß sie auf dem Reitstalle diente, es wäre ihm lieber wenn sie sonst wo diente; und einsmal soll sich Prof. Lowitz auf seiner Stube gegen die besagte Beckerin haben verlauten lassen: er möchte närrisch darüber werden wenn er bedächte, daß sie, die Beckerin auf dem Reitstall diente; als die Beckerin beÿ Kundwerdung der Pasquille auf die Pasquillanten geschmähet, solche keine braven Leute genannt, so habe der Professor Lowitz sie dadurch zu befriedigen gesucht: es ginge das Pasquill nicht sie, sondern die in solchem genannte Gesellschaft an, und sie wäre nur ein Anfang, es könnte auch seÿn, daß sie zu letzt heraus bliebe; und wie von ihr, der Beckerin, auf die Pasquillmacher, sit venia verbo[8] mit Hundsvättern geschimpfet worden, so soll zu ihr der Professor Lowitz gesprochen haben: sie solle nicht schimpffen, es könnten es wohl ehrliche Leute gethan haben. Wie der Prof. Lowitz, das seinem Hauße gegen über auf der Wehnderstraße in Riemenschneiders Haußthür angeschlagene und von ihm selbst in der Nacht abgenommene Pasquill[9] der Beckerin vorgewiesen, so habe Prof. Lowitz sich dabeÿ verlauten laßen; weil er hörete daß der Stallmeister Ayrer es übelnehme, daß er das Pasquill alda abgenommen; so wolle er es wieder anschlagen und drunter schreiben daß es ein Pasquill seÿ. Weil denn oftgedachter Prof.

[Bl. 59r]
sich auch gegen die Beckerin vernehmen haben lassen soll, er wolte den Verfasser wol herausbringen, er müßte aber besorgen, daß er über den Hauffen gestochen würde, da nun die Beckerin alle diese angeführten Puncte gegen den Professorem Lowitz ad articulos eidlich ausgesaget, und in der mit solchem angestellten confrontation dabeÿ auch geblieben; diese Puncte aber alle noch nicht von Prof. Lowitz durch eine Defension abgelehnet, viel weniger darüber erkannt und von diesem freygesprochen worden ist, und auf dieser Zeugin Aussage aber das mehreste anzukommen scheinet; so sehen wir nicht ab, wie der Jf. Beckerin, modo appellatio vor abgethaner Pasquillen Sache in den Lowitzschen Dienst zu treten, wenn sie auch das Mietgeld angenommen haben solte, durch ein Urthel zuerkannt werden könne, und die MiethSache nicht biß nach Endigung der PasquillenSache auszusetzen seÿ. Denn soll die Beckerin, als Haußhälterin zum Prof. Lowitz, durante adhuc causa criminali,[10] ziehen, so bekommt derselbe solche in seine Haußherrliche Gewalt, und ist zu besorgen, daß derselbe in Ansehung ihrer eidlich gethanen Aussage gewisse Absichten dadurch zuerhalten suche; wie denn überhaupt nicht zu begreifen stehet, warum derselbe auf der Beckern als seiner angeblichen zukünfftigen Haußhälterin so andringlich zu beharren vermeinet und wieder sich gantz wiedrige Vermuthungen deshalben zu erwecken gedencket, da derselbe doch eine andre Haußhälterin zu seiner und seiner Ehefrauen Oeconomie gar leicht erhalten kan. Beÿ solchen Umständen und da durch den auf den P. Lowitz gefallenen Verdacht, daß wegen den Pasquille sich die Sache dergestalt verändert hat, daß die Becker ferner in Erfahrung bringt ob gedachter Lowitz an den Pasquillen Antheil habe, nicht zugemuthet werden könne beÿ demselben in Dienste zu treten, solcher gestalt also die MiethSache von dem Ausgange einer Criminal Sache wircklich abhänget; So haben wir das Erkänntniß über die Mieth=Sache biß nach Endigung der Pasquillen Sache auszusetzen für nöthig erachtet. Diese haben auf Ew. Königl. Majestaet allerhöchsten Befehl wir nebst Einsendung der beÿ uns zwischen dem Prof. Lowitz, und dem Stallmeister Ayrer und der Beckern ergangenen Acten intuitu[11] Locationis conductionis und remittirung der an uns übersendeten Justifications=Schrift und derslben vier Beÿlagen

[Bl. 59v]
aller unterthänigst zu berichten nicht ermangeln sollen, die wir in allerpflichtschuldigster devotion verharren

Ew. Königl. Majestaet und Chur-
fürstl. Durchlauchtigkeit



Göttingen
den 17. Febr.     1764.

allerunterthänigste
Prorector und Professoren
der Georg-August-
Universitaet daselbst



Fußnoten

  1. Rudolf Augustin Vogel (1724-1774) war seit 1753 Professor für Medizin in Göttingen. Vom 3. Januar 1764 bis zum 3. Juli 1764 war er Prorektor der Universität.
  2. locationis conductionis: Vermietung. Lowitz hatte die Köchin ab Michaelis 1763 "gemietet" und ihr auch bereits das Geld dafür gegeben, diese hat ihren Dienst aber nicht angetreten.
  3. Maria Elisabeth Becker war seit 1762 beim Stallmeister Ayrer als Köchin angestellt. Vgl.:
    Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472.
  4. Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760 Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Vgl.:
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075.
  5. anni praeteriti: im vergangenen Jahr.
  6. suppeditiren: darreichen.
  7. Die Ehefrau von Lowitz hatte testamentarisch verfügt, dass die Beckerin im Falle einer Heirat 100 Reichstaler erhalten sollte.
  8. sit venia verbo: Man möge diese Ausdrucksweise entschuldigen.
  9. Vgl. zu diesem Vorgang das Pro Memoria von Lowitz vom 12.06.1763.
  10. durante adhuc causa criminali: solange das Kriminalverfahren andauert.
  11. intuitu: in Rücksicht auf.