Briefwechsel Georg Moritz Lowitz
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Roth, Johann Andreas[1] |
Empfänger | Deputation der Universität |
Ort | Göttingen |
Datum | 18. April 1765 |
Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-1, Bl. 11r-14v |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
[Bl. 14v]
praes. d. 18. April 1765.
Beschwerende Anzeige nebst
rechtlicher Bitte
abseiten
des Schneider Johann Andreas Roths
Imploranten[2] wieder
den Hl. Profeßor Georg Moritz Lowitz
Imploranten
Anh. A.
[Bl. 11r]
Zur pp
Euro pp wollen aus dem
N. 82.[3]
[Bl. 11v]
in Abschrifft nebengesenden
Pro Memoria geruhen, auf was
für eine unerwartete Art
Hl. Professor Lowitz zwischen
meiner Braut[4], und mir eine
nachtheilige Uneinigkeit zu
erwecken sich bemühet hat.
Ich als ein ungelehrter Mann kan von den Stärcken des Gewißens, und der Pflichten, die Hl. Profeßor Lowitz zu dieser Procedur verbinden wollen, nicht urtheilen, wenigstens stimmt die Art, durch welche er mir die
[Bl. 12r]
Nachricht von Notarien und Zeugen
mitgetheilet hat, gar nicht
mit der angeblichen Absicht
überein. Entweder sind die
Beschuldigungen die Hl. Profeßor
meiner Braut macht wahr
oder nicht. Zu beÿden Fällen bleibt
die Art wodurch derselbe mir
Nachricht davon giebt, fremd, unschicklich
und beleidigend. Man
nehme an, daß die Beschuldigungen
wahr sind, so bedürfte
es ja keiner solchen feÿerlichen
Verkündigung, sondern er könnte
mir solches in der Stille ohne Notarien
[Bl. 12v]
und Zeugen bekannt machen, ohngeachtet
auch ich als ein ungelehrter
Handwerksmann glaube,
daß der Hl. Profeßor sein Gewißen
gar nicht verletzet haben
würde, wenn er völlig geschwiegen
hätte, indem die angebliche
Beschuldigung, das geschloßene
Ehe Verlöbniß nicht trennen,
sondern blos Uneinigkeiten
erregen können. Ich sehe also
auch beÿ der Wahrheit dieser
Beschuldigung weder in Vernunft
noch Religion einen verbindlichen
Grund der Hl. Profeßor zu diesem
Verfahren habe bewegen können. Un-
[Bl. 13r]
tersuche ich nun auf der andern
Seite, die Beschuldigungen selbst,
so muß ich solche als unwahr
und das Betragen des Hl. Profeßor
für beleidigend, und strafbar
ansehen. Gläubt man den Rechten
nach jederzeit von seinen Mitmenschen
das beste; so bin ich als
Bräutigam um so mehr berechtiget,
das beste von meiner Braut
zu glauben, und alle Beschuldigungen
so lange für unwahr zu halten,
bis mir das Gegentheil dargethan
ist. Dieses ist bishero nicht geschehen,
was falls ich mit Recht mehr
der Unschuld meiner Braut, als den
unerwiesenen Beschuldigungen des
[Bl. 13v]
Hl. Profeßor Lowitz Glauben beÿmeße.
Ich werde also dem
ohngeachtet, beÿ der vorgesetzten
Vollziehung der Ehe beharren, und
damit um so mehr eilen,
ne locus pateat aliorum calumniis et maledictis, quibus diuellere desponsatorum animos subinde conantur male feriati[5] | |
Stryck tr de sissensu sponsalit. Sect 3. §. 3.[6] |
Gleichwohl will ich mir wegen der meiner Braut gemachten Beschuldigungen rechtliche Genugthuung zu fordern hiemit ausdrücklich vorbehalten haben. Damit ich inzwischen auf das künftige von dergleichen
[Bl. 14r]
unschicklichen Gesandtschaften ab
Seiten des Hl. Profeßor Lowitz gesichert
seÿn möge, so sehe ich mich gemüßiget
Euro pp mit geziemenden Respect zu erbitten.
Daß Hl. Profeßor Lowitz ernstlich verboten werden, sich alle dergleichen Einstreuungen zu enthalten, und falls derselbe Forderungen, an meine Braut zu haben glaube, solche rechtlicher Gebühr nach, mit derselben ausmache, dagegen aber auf keinerleÿ Weise ferner Zwistigkeiten zwischen mir und meiner Verlobten errege. |
Desuper nobile judicis officium humillime implorando[7]
Fußnoten
- ↑ Der Schneider Johann Andreas Roth (Rott)
aus dem östlich von Göttingen gelegenen Wollershausen
war am 15.09.1750 in Göttingen eingebürgert worden.
Er ging am 13.06.1765 mit Maria Elisabeth Becker seine zweite Ehe ein.
Wellenreuther, Hermann: Göttingen 1690-1755. Studien zur Sozialgeschichte einer Stadt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988, S. 391. Tabelle IV, Eintrag 666.
Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 219, Fußnote 254. - ↑ Implorant: Kläger.
- ↑ Nummer des Aktes im Pasquillenprozess.
- ↑ Die Braut Maria Elisabeth Becker
war seit 1762 beim Stallmeister
Ayrer als Köchin angestellt. Vgl.:
Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472. - ↑ locus pateat aliorum calumniis et maledictis, quibus diuellere desponsatorum animos subinde conantur male feriati: Für Schmähungen und Beleidigungen, mit welchen schändlichen Handlungen versucht würde die Verlobten auseinander zu bringen, sei kein Platz vorhanden.
- ↑ Stryck, Samuel (1640-1710): Tractatus de dissensu sponsalitio. Wittenberg: Meyer und Zimmermann 1699, S. 98.
- ↑ Desuper nobile judicis officium humillime implorando: Hierüber will ich das löbliche richterliche Amt gehorsamst ersucht haben.