Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Universitätsdeputation
Ort Göttingen
Datum 16. Juni 1766
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5756, Bl. 247r-249r
Transkription Hans Gaab, Fürth


Zur Königlich Grosbritannische und Churfürstlich
Braunschweig Lüneburgischen Georg Augustus Universität
Deputation höchst verordneter Herr Prorector[1]
Magnificus, Decani, und übrige Assessores.

Magnifice
Hochwürdiger Wohlgebohrner Herrn
Insonders höchst und hoch zu verehrende Herren !


Ew. Magnificenz, Hochwürden u. Wohlgebohren ist bekant, was seit nunmehr schon verflossenen dreÿen Jahren für ein Unfug mit Anschlagung und Ausstreuung verschiedener Pasquillen[2] hier in Göttingen getrieben worden ist: und auf was für eine Art u. Weise ich durch meine niederträchtigen Feinde zu einer infamirenden Inquisition gezogen worden bin, deren Endigung durch alle meine angewanden äußersten und kostbaren Bemühungen noch nicht hat erreicht werden können. Da ich nun dadurch nicht allein um meine Ehre und meinen guten Nahmen, sondern auch dazu in unendlichen Verlust und Schaden gesetzet worden bin, so werden Ew. Magnificenz Hochwürden und Wohlgebohren es mir nicht verdencken, daß ich bis hieher meine gantze Aufmercksamkeit angestrenget habe, Spuhren zu finden, worauf man den Verfasser dieser Schandschriften

[Bl. 247v]
entdecken könte. Ich habe zwar bisher verschiedene Anzeigen erlanget, die vielleicht dem hochlöblichen Judicio starck genug würden geschienen haben, auf den Ursprung dieses Unfuges zu kommen: allein da ich wuste, auf was für eine unglückliche Weise ich in den Verdacht gerathen bin, so war ich damit nie zu frieden, sie zu denunciren, sondern ich behalte dieselben bis zur zukünfftigen Abhorung meiner Defensional Zeugen zurück.

Gegenwärtig aber äußerst sich mir solche deutliche Spuhr den Pasquillanten zu entdecken, die ich unmöglich unangezeigt lassen kan, wenn ich nicht selbst gegen mich die gröste Ungerechtigkeit begehen wolte. Diese Sache bekundet sich also:

Am verwichenen Donnerstage den 12ten Junij Nachmittags kam der hiesige Universitäts Verwandte und Opticus Hl Reuß[3] zu dem Universitäts Bürger und Buchhändler Herr Kübler[4] auf die Stube, und traf beÿ dessen Eintritt einen ihm unbekanten Mann am Tische sitzend an, welcher einige Bücher durchsahe: und als sich der Hl. Reuß niedergesetzet hatte, so erkundigte sich der Fremde nach unterschiedlichen hiesigen Herren Professoren, und zu gleicher Zeit auch nach mir. Hier auf sagte ihm Hl. Reuß: daß mein Schicksal zu beklagen wäre, in dem ich unglückliger Weiße in den bekanten

[Bl. 248r]
Pasquillen Proceß verwickelt worden bin. Der Fremde erwiederte unter anderm in Gegenwart des Herrn Küblers mit einiger Freÿmüthigkeit darauf:

  "Er wisse es gar wohl wo die Pasquille alle herkommen wären und
"es wären ihrer wiederum auf dem Wege

Bald darauf ging der Hl. Reuß von dort hinweg zur Norderischen Bücher auction, ohne noch zu wissen wer dieser Fremde seÿ. Nach ein paar Stunden ging derselbe wiederum zum Hl. Kübler und erkundigte sich nach dem Stand und Nahmen dieses Fremden, und erfuhr, daß derselbe Wichmann[5] heiße, und ehemahls hier in Göttingen Medicinam studiert habe, jezt aber in Cassel wohne und dort Handlung treibe.

Ew. Magnificenz, Hochwürden und Wohlgebohren werden leicht von selbst er messen, daß kein der Sache Unwissender, gegen fremde Leute, und dazu an dem Orte selbst allwo dieser Unfug eine so öffentlliche und unerhörte Verwirrung verursachet hat, so freÿ und positive sprechen kan: daher hoffe ich und bitte ganz gehorsamst darum!

[Bl. 248v]
dieser gegenwärtig sich eröffnenden Spuhr, den Pasquillanten zu entdecken, nach zu folgen. Es ist also nöthig fordersamst

  1) die beÿden oben benante hiesige Universitäts Verwandte Hl. Kübler und Hl. Reuß über diesen Vorgang eÿdlich ab zu hören, und was sie darüber aussagen werden, in ein gerichtliches Protocoll zu bringen:
  2) den Auszug des Protocolles als denn, mit gehörigen Requisitions[6]-Schreiben begleitet, an die Hochfürstl. Regierung oder an das Justiz Collegium nach Cassel zu senden, damit der dort wohnende Handelsmann Wichmann darüber gerichtlich vernommen und was derselbe aussagen und anzeigen wird, in Protocolle anhero zurüuck komme:
  3) nehme ich mir die Freÿheit dieses für mich zu erbitten, daß mir als denn gegen die Gebühr eine beglaubigte Abschrift dieser gantzen gerichtlichen Versammlung mitgetheilet werde, damit ich selbige mit meinen gesammelten Indiciis vergleiche, und die Bahn zur Entdeckung dieser frechen Bosheiten erleuchten könne.

Es ist unnöthig Ew. Magnificenz, Hochwürden und Wohlgebohren in dieser höchst wichtigen Sache, die nöthigen Vorsichten in Ansehung der Versicherung einer gänzlichen Verschwiegenheit, wie auch eine genaue Aufmerksamkeit und wahren Ernst anzurecommendiren

[Bl. 249r]
um diese Spuhr nicht aus den Augen zu lassen, oder gar zu verlieren: zumahl da ausdrücklich mit neuen Pasquillen gedrohet werden will. Ich bin es wenigstens von Hoher Königlicher Landes Regierung überzeuget, daß dieser Pasquillen Unfung dort in Hannover einen starcken höchst unangenehmen Eindruck gemacht habe: so wie ich auch glaube, daß Ew. Magnificenz, Hochwürden und Wohlgebohren gantz wohl einsehen werden, daß die zukünftigen Folgen der aus Übereilung wieder mich verhängten Inquisition, wenn einmahl das Publicum von dieser gantzen Sache, zu seiner ihm öffentlich versprochenen Satisfaction unterrichtet wird, der Universität unangenehm seÿn müssen. Aus diesem Grunde hoffe ich, Ew. Magnificenz, Hochwürden und Wohlgebohren werden hierinnen umso viel genauer nach denen Vorschrifften der Rechte verfahren, und keine Zeit verlieren, diese sich selbst anbietende Gelegenheit zu nutzen. Ich habe die Ehre mit aller möglichen Ehrfurcht und Hochachtung zu seÿn

Ewrer Magnificenz,
Hochwürden und Wohlgebohren

Göttingen am 16. Junij
        1766.

unterthänigster Diener

Georg Moritz Lowitz

In aller Eile.


Fußnoten

  1. Von 02.01.1766 bis 03.07.1766 war Rudolf Augustin Vogel (1724-1774) Prorektor der Universität Göttingen. Er war seit 1760 ordentlicher Professor für Medizin.
  2. Pasquille: Schmähschrift.
  3. Im Thüringer Pfarrerbuch, S. 218 ist ein am 06.10.1741 ordinierter Pfarrer Johann Wilhelm Reuss erwähnt, der 1743 Coburg wegen Übertretung des 6. Gebotes Coburg verlassen musste. Er soll 1780 in Göttingen Unterricht im Glas- und Steinschleifen gebeben haben. Angeblich starb er im Mai 1787. Zu ihm siehe:
    Pütter, Johann Stephan: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Göttingen: Vandenhoek 1765, S. 310
    Zeitschrift für Instrumentenkunde 1907, S. 121.
  4. Daniel Friedrich Kübler war Buchhändler und Verleger in Göttingen.
  5. Bei seiner noch in Göttingen erfolgten Vernehmung stellte er sich vor als Johann Gerhard Wichmann, Bürger und Handelsmann in Kassel.
  6. Requisition: Hier: Rechtshilfeersuchen.