Briefwechsel Tobias Mayer


Kurzinformation zum Brief  
Autor Mayer, Tobias (1723-1762)
Empfänger Franz, Johann Michael (1700-1761)
Ort Göttingen
Datum April/Mai 1753[1]
Signatur SUB Göttingen: 2o Cod. Ms. philos. 159, Bl. 42r-v
Hinweis Dieser Brief wurde bereits von Eric Gray Forbes (1933-1984) transkribiert und veröffentlicht:
Forbes, Eric Gray: Tobias Mayer 1723-1762. Marbach am Neckar 1993, S. 104.

Diese Transkription wurde von Hans Gaab, Fürth geringfügig verbessert und mit Kommentaren versehen.


HochEdelgebohrner, Hochgelehrter,
HochzuEhrender Herr Rath
Hochwerthester Herr Schwager und Gevatter.


Ich bin, so viel ich mich erinnere, auf zwey Dero Hochgeehrtester Schreiben[2] eine Antwort schuldig und bitte wegen des Verzugs sehr um Vergebung. Eine sehr mühsame und zeitfreßende Arbeit, davon Ew. HochEdelgeb. die Früchte in dem nun bald herauskommenden II. Tomo commentar. Soc. reg. Götting. sehen werden,[3] hat mich verhindert meiner Schuldigkeit nachzuleben. Das erstere dieser Schreiben betrifft meistens die Affaire mit Hl. Lowitz. Wenn es wahr ist, wie ich denn daran nicht zweifle, indem mir sein Charakter bekannt ist, dass H. L. alle diese Redensarten deren Ew. Hochedelgebl. in dem Briefe gedenken, gegen mich ausgestoß,en hat, so ist gewiß, dass seine Raserey (ich bitte dieses freye Wort nicht übel zu nehmen) auf das Höchste gestiegen ist. Er macht Anspruch auf das Micrometum;[4] auf die ☽ Theorie der Libration; auf mein Programma de refractionibus; auf das geometrische Instrument; p.p.[5] mit einem Wort auf alle meine Schriften. Ich lache dazu; und weil ich nun deutlich sehe, dass ihn der Neid regieret, keineswegens aber, wie ich bisher geglaubt habe, eine übelverstandene Sache, so soll dieses das letzte mal seyn, dass ich Ew. HochEdelgebl. wegen diesem Streite beschwerlich falle. Meine Briefe sollen künftighin davon stille schweigen, und sich mit angenehmeren Dingen beschäftigen. Inzwischen mag Hl. L. thun was ihm nur immer beliebet; sollte er auch publice seine Blöße und alles was er gegen mich aufzubringen vermeint, sehen laßen. Ich werde ihm nur mit dreyen Worten antworten; und im übrigen mich um ihn und sein Geschrey nicht bekümmern. Ich fürchte mich ganz und gar nicht bey allen meinen Schriften, als in welchen kein apex[6] Hl. L. zugehöret. Es soll ihm begegnet werden, wie ich H. Mylius[7], der meinem Beweis wider die ☽ Atmosphaere angegriffen hat,[8] begegnet habe. Er soll Sturm laufen, und niemand soll ihm Widerstand thun; und gleichwohl soll er nichts erobern. So viel sage ich einmal für

[Bl. 42v]
allemal, will Hl. L. seine Ehre behalten; woran ich nicht zweifle; weil er ehrgeitzig ist; so wird er seinem Zwecke gemäß handeln, wenn er auch andern ihre Ehre ungekränkt läßt; thut er es nicht, so kommt ihm der Name zu, den alle diejenigen tragen, die ihrer Absicht zuwider handeln. Ich habe ihm niemals nicht das geringste Leid zugefüget; ich habe solange ich in Nürnberg war mich als einen Freund gegen ihn aufgeführet; ich habe offenhertzig alle meine dortige Arbeiten und kleine Erfindungen ihm mittgetheilt, ob er es schon nicht gegen mich gethan hat; ich habe auch noch nach meiner Abreise an ihn von hieraus etliche mal geschrieben, und die Correspondenz wäre nicht abgebrochen worden, wenn er sein Wort wegen des Quadranten, den er für unser Observatorium machen sollte, nicht aus kahlen Ursachen zurückgezogen hätte. Ich habe geglaubt ihm einen Gefallen mit dieser Commission zu thun, habe aber Undank und Verdruß, dafür bekommen. Und ich werde mich wohl in acht nehmen, dass ich ja ins künftige keine Commission mehr nach Nürnberg schicke. Ich habe niemals die geringste Absicht gehabt, seine hohe Person vor der Welt zu verbergen, denn dazu wär ich viel zu gering. Dass ich aber auch keinen praeconem[9] von ihm abgeben wollte, und seinen Namen meinen Schriften auf allen Blättern nicht gemeldet und ausgeposaunet habe, wird mir hoffentlich kein billiger Mensch übel deuten. Ich habe es ja auch weder von ihm noch von jemanden anderes jemals verlangt und mich dünkt, wer da verlangt, durch andre berühmt zu werden, wird niemals berühmt. Gesetzt aber ich hätte in den Cosmograph. Nachrichten seinen hohen Namen mit einfließen lassen, gesetzt ich hätte gemeldet Hl. L. habe dieses oder jenes, oder auch Alles, wovon ich geschrieben habe, erfunden; würde er nicht gesagt haben, was ich seine Erfindung an den Tag zu geben habe? Er könne es selbst thun. Und gewiß, auf diese Art hätte er billigere Ursache gehabt sich über mich zu beschwehren. Dieses also zu vermeiden, habe ich mich mit Fleiß gehütet seiner Person nicht zu gedenken. Ich habe blos meine eigenen Observationen, meine eigene Arbeit, meine eigne geringe Erfindungen beschrieben, und trotz dem der sich unterstehet, das geringste davon sich zu zueignen.



Fußnoten

  1. Mayers Brief ist nicht datiert. Mayer schreibt aber, dass der zweite Band der Commentarii Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis nun bald herauskommen solle. Dieser Band für das Jahr 1752 kam 1753 heraus, das Vorwort des Herausgebers Johann David Michaelis zeigt das Datum vom 19. April 1753. Demnach dürfte Mayers Brief im April oder Mai dieses Jahres herausgekommen sein.
  2. Diese beiden Schreiben sind nicht überliefert.
  3. In diesem zweiten Band finden sich drei Arbeiten von Mayer:
    • Parallaxin Lunae eiusdemque a Terra Distantiam inquisito, S. 159-182
    • Nova Methodus perficiendi Instrumenta Geometrica et novum Instrumentum Goniometricum, S. 325-336
    • Novae tabulae Motuum Solis et Lunae, S. 383-XXXVIII.
  4. In den Kosmographischen Sammlungen, die 1750 erschienen, beschrieb Mayer sein neues Mikrometer auf den Seiten 1 bis 11.
  5. p.p.: perge, perge: fahre fort; hier also: usw.
  6. apex: Spitze. Gemeint ist hier: kein Komma.
  7. Christlob Mylius (1722-1754) war ein deutscher Wissenschaftsjournalist.
  8. Vgl. Mylius, Christlob: Gedanken über des Herrn Mayers in Göttingen Beweis, daß der Mond keinen Luftkreis habe. In: Physikalische Belustigungen, 1/4, S. 288-302.
  9. praeconem: Herold.