Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kolb, Peter (1675-1726)
Kulmich, Johann Leonhard (1678-1709)
Ort Utrecht
Datum Ende Oktober 1700
Signatur UB Tartu: Epistolae autographae CC Philosophorum cel. III, F 3, Mrg CCCLIVa, Bl. 94r-v
Transkription Hans Gaab, Fürth

Sehrwerthe Herrn und Freunde!

meine Schuldigkeit hat in alle weg erfordert diese wenige Zeilen vor dieses mahl (weil es die Zeit nit anderst zulässet) an beede Herrn als meine in Hall beste Academische Freunde abzusenden und mich Ihres wohlstands zu erkundigen, der verhoffentlich bis dato wird erträglich und guth gewesen seyn, ich meines theils habe inzwischen immer Gott vor alles gutes zu dancken gehabt, welches Er noch ferner geben wolle, vorige Wochen am vergangenen Donnerstag als den 21. Octobr: bin ich Gott sey Danck in Ütrecht wohl mit Hl. Böhmer[1] arriviret, und habe mein logiment bey Hl. Fischer[2] genommen, wir haben innerhalb 7. Wochen eine zimliche tour gethan, als ich gieng von Hall (wie bekant) nach Berlin von dar zuruck mit Hl. Wigand[3] und Hl. Peller[4] über Magdeburg nach Halberstatt, Helmstätt, (allda wir Hl. Böhmer mitnahmen) Wolffenbüttel, Braunschweig, Hanover, Zell, Lüneburg, Hamburg, Lübeck, Travemündt, von dar gingen wir über Hamburg nach Bremen, und verliesen allda Hl. Wigand u. Hl. Peller, von Bremen aus marschirten wir über Oldenburg durch Ost= und West=Frisland in welchen beeden wir die Stätt als Aurich Emden, Gröningen, Dockum, Lewarden, Franecker, Harlingen u. Stavern[5] besahen, von dar giengen wir über die Suder See und besahen die stätt in Nordholland als Enckütsen,[6] Horn Edam, Monickdam, von dar wir endlich auf Amsterdam und Ütrecht giengen, dieses ist die summa unserer Reise. Inliegenden brieff bitte frl: Hl. Ellers,[7] so bald jhn Mons: Kulmich[8] besucht[9] zu überlieffern, darinnen ich von etlichen Büchern meldung gethan die ich gern haben mögte für Hl. Fischer, Hl. Renger[10] wird mir wohl des Hl. Prof: Sturmii andren Theil seiner Mathes: Juven: schicken,[11] als bitte ich frl. solche beede bücher diesem beyfügen zu lassen, damit sie in einem Posten herkommen mögten, und da erwarte ich auch einige nachricht von den beeden Hhl. guten Zustandt. bitte alle gute Freunde in Hall zu grüßen. Was machen Hl. Hospiz u. die Fr. Hospite, und meine andere gemeinsame Hhl. Tischcompagnione?[12] bitte sie alle frl: zu grüßen; Hl. Kolb beliebe auch Hl. Doct: Klimmen frl. zu grüßen, ich werde Ihn auch mit einem Schreiben auffwarten vor dieses mahl laßt es die Zeit nicht zu, er schreibe mir auch, was meine E. Jfr. Schwägerin[13], die er wohl kennet, in Nbl.[?] sich befinde, bitte bey Gelegenheit meinen schönen Gruß an Sie, wie auch an dessen Hl. Schwervatter[14] und Schwiegermutter,[15] muß vor dieses mahl

[Bl. 94v]
schließen, verbleibe als meiner jederzeit

sehrwerthen Herren u. Freunde

ergebenster freund u. diener J G Doppelmayr


Fußnoten

  1. Moritz Wilhelm Böhmer (1676-1712) hatte sich am 11. Februar 1695 in die Altdorfer Matrikel eingeschrieben. Am 13. August 1699 immatrikulierte er sich in Halle, Doppelmayr nur drei Tage später. Er wurde in Nürnberg Pfarrer zu St. Jobst, starb aber bereits am 26. Juli 1712.
    Vgl. Juntke, Fritz; Preuß, Charlotte Lydia: Matrikel der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Bd. 1: 1690-1730. Halle 1960, S. 41, 123
    Steinmayer, Elias von: Die Matrikel der Universität Altdorf. Band 1: Text. Würzburg: Stürtz 1912, S. 447, Nr. 12998
    Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrten=Lexicon, Band 1. Nürnberg, Altdorf: Lorenz Schüpfel 1755/1997, S. 129.
  2. Bei Ingeborg Kregler (Die Autographensammlung des Stuttgarter Konistorialdirektors Friedrich Wilhelm Frommann (1707-1787). Wiesbaden: Harrassowitz 1992, S. 829) findet sich der Eintrag "Lot Fischer, Utrecht, 31.7.1699". Laut Katalog der Deutschen Nationalbibliothek war er Theologe, der von 1699 bis 1720 nachweisbar ist. Tatsächlich stammte dieser Loth Fischer (1640-ca. 1720) aus der Grafschaft Schönburg und hatte in Leipzig studiert. In den 60er Jahren muss er nach Nürnberg gekommen sein, wo er zunächst als Hauslehrer arbeitete, später als Korrektor by Endter. Er fiel durch schwärmerische Ideen auf und musste Nürnberg Ende April 1684 verlassen. Er ging nach Utrecht, wo er wieder als Korrektor arbeitete. Er war aber auch Mitglied der Philadelphischen Sozietät und übersetzte Werke der Mystikerin Jane Leade. Bei seinem Londonaufenthalt hielt sich Doppelmayr im Umkreis von Leade auf, der Kontakt dürfte von Fischer vermittelt worden sein.
    Zu Fischer siehe Siebenkees, Johann Christian: Materialien zur Nürnbergischen Geschichte, 1. Band, Nürnberg: Scheider 1792, S. 104-109.
  3. Johann Wigand stammt aus dem nahe Warburg gelegenen Welda und schrieb sich am 26. Mai 1690 in Altdorf ein. Erneut taucht er in der Matrikel am 2. Oktober 1694 auf: Damals immatrikulierte sich "Christophorus Honorius, Sempronio Hungarus, alias Comes de Windischgräz" das ist Christoph Ehrenreich, Graf von Windisch-Gräz, der 1732 im ungarischen Sopron starb. In der zugehörigen Anmerkung heißt es "Ephorus ejus est Dn. Joh. Wigandus Welda Waldeccensis". Wigand scheint also aus eher ärmlichen Verhältnissen gekommen zu sein und verdiente sich seinen Unterhalt damit, dass er für den jungen Grafen die pädagogische Begleitung übernahm - ähnlich wie später für Christoph Jacob Peller. Am 11. Oktober 1699 schrieb er sich in Halle ein, am 4. Mai 1701 in Basel, am 30. Juni 1703 schließlich in Gießen. 1708 war er Landrichter in der Grafschaft Waldeck, damals heiratete er Helena Susanne Rötenbeck (1683-?), die Tochter des Altdorfer Theologen Georg Paul Rötenbeck.
    Vgl. Junntke, Fritz; Preuß, Charlotte Lydia: Matrikel der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Bd. 1: 1690-1730. Halle 1960, S. 481
    Klewitz, Ernst; Ebel, Karl: Die Matrikel der Universität Gießen. 1608-1707. Gießen: Ricker'sche Buchhandlung 1898, S. 151
    Steinmayer, Elias von: Die Matrikel der Universität Altdorf. Band 1: Text. Würzburg: Stürtz 1912, S. 433, Nr. 12588; S. 446, Nr. 12975
    Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrten=Lexicon, Band 3. Nürnberg, Altdorf: Lorenz Schüpfel 1755/1997, S. 361.
  4. Christoph Jacob Peller (1683-1729) schrieb sich am 27. September 1698 in Altdorf in die Matrikel ein. Am 16. September 1699 disputierte er unter Georg Paul Rötenbeck De Modalium Aequipollentia. Mit Datum vom 12. September 1699 fügte Rötenbeck am Ende zwei Seiten mit Glückwünschen für den Respondenten an. An ihn gewandt schrieb er am Schluß:

    Vale, quodque ad Musas Hallenses destinati iter, cum Ephoro Tuo & Hodego fidelissimo,
    Dn. Joh. Wigando, amico meo intimo instarque filii dilectissimo.

    Leb wohl, auf deiner auf die Musen von Halle gerichteten Reise, die du mit deinem getreusten Aufseher und Weggefährten unternimmst,
    Herrn Johann Wigand, meinem innigen Freund und gleichsam auserlesensten Sohn.

    Wigand reiste also als älterer Reisegefährte von Peller mit. Peller schrieb sich einen Tag vor Wigand in Halle in die Matrikel ein, am 4. Mai 1701 schrieb er sich gemeinsam mit Peller in Basel ein, am 30. Juni 1703 schließlich in Gießen. Ab 1709 war Peller ordentlicher Advokat in Nürnberg.
    Vgl. Junntke, Fritz; Preuß, Charlotte Lydia: Matrikel der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Bd. 1: 1690-1730. Halle 1960, S. 327
    Klewitz, Ernst; Ebel, Karl: Die Matrikel der Universität Gießen. 1608-1707. Gießen: Ricker'sche Buchhandlung 1898, S. 151
    Steinmayer, Elias von: Die Matrikel der Universität Altdorf. Band 1: Text. Würzburg: Stürtz 1912, S. 459, Nr. 14243
    [Band 2: Register, S. 418: Hier wird Christoph Jacob Peller (1683-1729) mit dem späteren Oberzoll- und Wagamtmann Christoph Jacob von Peller (1686-1765) verwechselt, der bei der Disputation von 1699 erst 13 Jahre alt gewesen wäre.]
    Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrten=Lexicon, Band 3. Nürnberg, Altdorf: Lorenz Schüpfel 1755/1997, S. 132f.
  5. Aurich, Emden, Groningen, Dokkum, Leeuwarden, Franeker, Harlingen und Stavoren.
  6. Enkhuizen, Hoorn, Edam, Monnickendam.
  7. Heinrich Julius Elers (1667-1728) war Buchhändler in Halle.
    Vgl. Schmidt, Rudolf: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. 2. Band: Ebbecke-Hartung. Berlin: Franz Weber 1903, S. 200-202.
  8. Zu Kulmich siehe das Verzeichnis der Briefpartner.
  9. Diese Stelle wirkt so, als ob Doppelmayr hastig etwas ausgebessert hätte. Die Leseweise "besucht" ist nicht eindeutig, ergibt aber anders kaum Sinn.
  10. Johann Gottfried Renger (?-1718) war ab 1696 Buchhändler in Halle.
  11. Dieser "andere Theil" kam erst 1701 heraus.
  12. Peter Kolb wohnte in Halle bei dem Mathematiker Friedrich Madeweis (1648-1705) und ging auch bei ihm zu Tisch. Diese Stelle legt die Vermutung nahe, dass auch Doppelmayr zumindest seine Kost bei Madeweis erhielt. Er hat ihn später aber nie mehr wieder erwähnt.
  13. Doppelmayr hatte nur einen zehn Jahre älteren Bruder Benedikt Jakob (1667-1747), der im August 1689 in Nördlingen Anna Barbara Wünsch geheiratet hatte, die Tochter des Tuchhändlers Johann Caspar Wünsch. Klimm war bei Eimmart Assistent auf dessen Sternwarte gewesen, hier wird er den nur ein Jahr jüngeren Bruder des Johann Gabriel kennen gelernt haben.
    Vgl. Wulz, Gustav: Die Gebrüder Eberhard Wilhelm und Friedrich Wilhelm Doppelmayr. Geschichte ihrer Familie. 24. Jahrbuch des Historischen Vereins für Nördlingen und das Ries 1969, S. 7-33, hier S. 14-17.
  14. Schwervatter: Altertümlich für Schwiegervater.
  15. Wer hier angesprochen wird, bleibt unklar: Sind hier die Schwiegereltern von Klimm gemeint, von dem aber nicht bekannt ist, dass er verheiratet war, oder sind doch die Schwiegereltern seines Bruders gemeint?