Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief  
Autor Zumbach von Koesfeld, Lothar (1661-1727)
Empfänger Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Ort Kassel
Datum 2. Dezember 1719
Signatur UB Basel: L Ia 730, Bl. 212r-213v (Abschrift)
Transkription Hans Gaab, Fürth

WohlEdler, Hochgelehrter, Insonders Hoch-
geehrter Herr Professor und
wehrter Freund,

Dero angenehmes Schreiben de dato 15 Novembris[1] samt dem Paquet habe richtig erhalten, und sage vor das Praesent schuldigen Danck, wünsche Gelegenheit zu haben wiederum mit dergleichen aufzuwarten, allein es gehet hier so nicht zu wie man meinet; was ich vor diesesmahl weniges zu berichten habe, bestehet in folgendem: Erstlich communicire die Occultationem Palilicii des 30 Octobris 1719.[2] so wie selbige aus meinem Diario abgeschrieben habe

 Die 30 Octobris fuit a me observata Occultatio Palilicii: Coelum vesperi erat mediocriter serenum cum rario nubibus: Immergebatur Stella inter raras nubeculas prope Aristarchum paulo infra lineam quae ducitur a Copernico per Aristarchi punctum australe /: prout per

[212v]
tubum omnia invertentem apparebat, alias supra istam lineam et punctum boreale, erigendo :/ erat tunc hora 9. 37.' 28.'' temp. app. Emersio Stellae coelo jam existende sereniore fuit hora 10. 37.' 58.'' e regione medietatis Maris Crisii, ubi tunc Luna decrescebat,nam erat tertius dies post plenilunium:

  Ich ersuche freundlich, diese Observation auch dem Herrn Rost nebst freundlichsten Gruß mitzutheilen, und mir hinwiederumb seine Observation dagegen außzubitten:[3] auch dabey zu melden, daß dasjenige was er vormahls von mir wegen der Satellitum ♃ verlanget hat, vermuthlich in dem Jovilabio[4] wird anzutreffen seyn, wann er aber selbiges nicht hätte, will ich selbiges ihm bey erster Gelegenheit zuschicken. Der Herr Orffyreus,[5] wie auch viele andre Leute in und um Cassel haben auch neulich den 21 Novembris des Nachts von 11 bis 12 Uhr ein großes Feuer mit einer großen außgestrecktheit in der Lufft observiret, nehmend seinen lauff ungefehr von Norden nacher Suden oder Sud-Oost.

[213r]
Dieser Herr Orffyreus hat jüngst in Druck gegeben einen Tractat in 4to intituliret das triumphirende perpetuum mobile;[6] worinn er suchet alle Wiedersprechungen und Mißtrauen zu beantworten und zu vernichten; sonsten hat sich noch ferner meines Wißens kein Fürst oder großer Herr erbothen etwas vor sein perpetuum mobile zu spendiren, die meiste Beschwerniß machet man darinn, daß die Machine nicht Kräffte genug habe umb große oder schwere Laste zu heben.

  Ich habe auch gestern nach Verlauff von ohngefehr 1½ Jahr endlich einen Brieff von Hl. Hartsoeker[7] aus Utrecht erhalten, er giebt vor, er habe zu zweymahlen meine vorige Brieffe beantwortet, glaube aber, daß sein diener, welcher ihm untreu ist gewesen, und nun von ihm eine geraume Zeit weg ist, das Postgeld /: welches von 8 bis 10 Stuyver komt :/ müße behalten haben und die Brieffe nicht bestellet: die damahls unter uns erörterte frage betreffs das Systema Newtonianum: ich habe mir vorgenommen, wo es Gott geliebet, die Doctrinam Motus Orbicularis Newtoniani /: welcher nun fast alle Gelehrten anhangen :/

[213v]
in einer offentlichen Disputation ventiliren zu laßen, respondente filio meo,[8] wovon alsdann ein Exemplar an Sie und andre freunde nebst der gestrigen sub meo praesidio gehaltenen Disputation, Vindiciae Mathematum autore Joh. Conrado Giesler[9] werde zuschicken.

  Hier hält sich ein Nürnbergischer Herr auf, genannt Herr von Lier,[10] und hat mir gesaget, daß er Mhhl. wohl kenne; er suchet sich bey Ihro Hochfürstl. Durchl. zu insinuieren mit neuen Inventionen, kan aber noch nicht sehen, daß er sehr reusire. Hirmit empfehle mich dienstl. und verbleibe


Mhhl

Cassel, 2. Decembr.
    1719

Ergebenster Freund
L. Zumbach de Koesfeld

P.S. Das verlangte Portrait von mir wir in kurtzem folgen.[11]

Von Hl. Hecker[12] von Dantzig habe ich seit geraumer Zeit auf meinen Brieff nichts vernommen.


Fußnoten

  1. Doppelmayrs Brief vom 15. November ist nicht überliefert.
  2. Am 30. Oktober 1719 wurde nach 21:30 Uhr für etwas mehr als eine Stunde der Stern Aldebaran (=Palilicius) vom Mond bedeckt.
  3. Johann Carl Rost hat diese Bedeckung von Reichstadt aus beobachtet. Diese Beobachtungen übermittelte sein Bruder Johann Leonhard Rost an Christfried Kirch nach Berlin.
    Zumbachs im vorliegenden Brief wiedergegebene Beobachtungen übermittelte Rost mit Brief vom 10. Februar 1720 ebenfalls an Kirch.
  4. Zumbach, Lothar von Koesfeld: Jovilabium, id est instrumentum astronomicum quo, in systemate joviali positiones Jovis & satellitum ejus inter sese. Ut & Eclipses eorum atque Occultationes mutuae ad quodvis Tempus sine aut concurrente Calculo facile, exacte, ac prompte exhibentur & praedicuntur. Amsterdam: Gerard Valk 1721.
  5. Das ist der Künstlername von Johann Ernst Elias Bessler (1681-1745).
  6. Bessler, Johann Ernst Elias (= Orffyreanum): Das triumphirende perpetuum mobile Orffyreanum an alle Potentaten, hohe Häupter, Regenten und Stände der Welt. Kassel: Eigenverlag 1719.
    Zu Besler und seinem Perpetuum Mobile siehe:
    Gründlicher Bericht, Von dem Durch den anitzo zu Merseburg sich befindenden Mathematicum Herrn Orffyreum Glücklich inventirten Perpetuo ac per se Mobili: Nebst dessen accurater Abbildung, Wie solches seit dem Monath Junio dieses 1715sten Jahres zu gedachten Merseburg von einer grossen Menge Hoher Standes-Personen, gelehrter Leute, Künstler und Curiosorum in Augenschein genommen, und genau examiniret, auch allda noch zu sehen ist. Leipzig: Boetius 1715
    Waitz von Eschen, Friedrich: Das Perpetuum mobile des Orffyreus auf dem Weissenstein (1717-1721): lediglich die Geschichte eines Betruges? Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Band 119 (2014), S. 83-104.
  7. Nicolas Hartsoeker (1656-1725) war ein niederländischer Biologe, Mathematiker und Physiker, zu dem auch Doppelmayr Kontakt hatte.
  8. Conrad Zumbach von Koesfeld (1697-1780) wurde wie sein Vater Professor der Mathematik in Leiden. Eine entsprechende gedruckte Arbeit zu dieser Disputation ist nicht bekannt. Schon 1713 verteidigte unter dem Vorsitz Zumbachs der Britte James Stevens die Arbeit Exercitatio Physicomathematica de Vero Mundi Systemate. Kassel: Harmes 1713.
  9. Diese Schrift wird zum Beispiel in der ADB aufgelistet, ist aber über Bibliotheksserver nicht nachweisbar. Johann Conrad Giesler könnte ein Sohn des gleichnamigen, 1712 verstorbenen Hofbaumeisters gewesen sein.
  10. Johann Jacob von Lier schrieb sich am 3. September 1713 in Altdorf in die Matrikel ein. Er studierte Jura. Am 27. Juni 1716 verteidigte er die Disputation Pactvm praeparatorivm actionem prodvcens et non prodvcens. Altdorf: Meyer 1716. Es ist somit nicht unwahrscheinlich, dass er vor seinem Studienbeginn in Altdorf in Nürnberg bei Doppelmayr Vorlesungen gehört hat.
    Vgl. Steinmeyer Elias: Die Matrikel der Universität Altdorf. Band 1: Register. Würzburg: Stürtz 1912, S. 500, Nr. 15240.
  11. Ein Portrait von Lothar Zumbach von Koesfeld ist nicht überliefert.
  12. Constantin Gabriel Hecker (1670-1721) war der Sohn des Danziger Astronomen Johannes Hecker (1625-1675), der sich auch selbst für die Astronomie interessierte.