Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 12. April 1720
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 79,1r-2r
Transkription Hans Gaab, Fürth

WohlEdler, insonders Hochgeehrter Herr,
und Sehrgeneigter Freund!

Ich nehme billich Anlaß bey denen nach Leipzig auf die Messe abgehenden Leuthen einige Zeilen abzuschicken, nachdeme mir vor einigen Wochen eine Prob des Kunstfleißes von meines Hochgeehrten Herrn Gütigkeit, als ein angenehmes Geschenck, von Herrn Rosten eingeliefert worden, daß ich demnach meinen ergebensten danck dafür abstatte und zugleich versichere, so bald etwas von meiner Arbeit zum Vorschein kommen wird, damit dargegen zu dienen, inmittelst wünsche, daß das wetter favorable seyn möge, damit man ersehe welcher calculus der Observation am besten beykomme.[1] Ich meines Orths bin anjezo occupiret, einen neuen Anhang an den Bion von lauter Astronomischen Instrumenten zu verfertigen,[2] bey den Neben=Stunden aber colligire schon bey einem Jahr her die vitas der Nürnbergischen Mathematicorum und Nürnbl. Künstler mit großer mühe, die von dritthalb seculis bis hierher sich in Nürnberg aufgehalten,[3] und weil unter andern ein gar geschickter Eisenschneider Nahmens Gottfriedt Leygebe[4] schon vor 40 und mehr Jahren von Nürnberg auf Berlin gegangen und einen Sohn,[5] so allda die Mahlerkunst noch treiben soll, verlassen, so habe Hln. Wagnern schon längstens ersucht, deßwegen in Berlin einige Nachfrage zu halten, weil aber dieser gute Herr wie ich höre, anjezo

[Bl. 79,1v]
was Liebes hat,[6] so wird er sich nicht viel um die Künstler kümmern, wollte demnach meinen Hochgeehrten Herrn gar freundlich ersuchen, sich bey seinem Herrn Sohn ohnbeschwerd deßwegen zu erkündigen und den Lebenslauf mir zu procuriren,[7] es wird mir ein großer Gefall seyn. Ich habe mir auch sagen lassen daß ein Mahler nahmens Gödeler, dessen Vatter Elias Gödeler[8] auch in Nürnberg lange Zeit gewohnet, sich in Berlin befinden soll, dessen Lebenslauf auch gar gerne haben mögte, ich werde wieder bey allen gefälligen Gelegenheiten zu dienen bereit seyn. Ausser diesen bin ich bey einer Zeit her auch dahin bemüht die Declinationes acus magneticae auf einen jeden Orth dato quovis tempore per calculum zu determiniren, worinnen ich ziemlich weit avanciret, und weil mir genugsame Observationes magneticae zu dessen complemento fehlen, so wollte um solche Observationes, die in Berlin und dern Gegenden gehalten worden, nebst dem Jahr und so es möglich den Monath und den Tage, auch wer sie gehalten, gebetten haben, ich glaube daß man von dem Seel. Herrn Vatter noch verschiedene wird in Vorrath haben. Von der Invention in Berlin eine Magnet=Nadtel ohne Abweichung zu machen, höret man vor jezo gar nichts mehr, Hl. Prof. Sturm hat in seinem Tractätlein, so erst nach seinem Todt de longitudine in marii inveniende vor kurzem in Franckfurt gedruckt

[Bl. 79,2r]
worden,[9] was davon gemeldt, daß die nadtel zwey hörner gehabt, die man mit zweyeligen Polis magneticis gestrichen. Womit aus Mangel der Zeit schließe vor dieses mahl, indeme eben die Meßleuthe abzugehen in procinctu[10] stehen, und verbleibe nebst Erwartung einer angenehmen Antwort unter Erlassung Göttl. Protection und frl. Begrüßung an Herrn Wagnern

meines hochgeehrten Herrn

Nürnberg in Eil 12. April
      Anno 1720

ergebenster diener
JG Doppelmayr mpp

P.S. In Onolzbach[11] habe einen guten Freund,[12] der weitwerffende Tubos Astronomicos von verschiedenen Größen machet, die den besten nichts nachgeben, sollte sich jemand als ein Liebhaber zu einen und dem andern finden, wird er damit vor eine billiche Bezahlung dienen. Ferner sind auch hier allerhand Schüsseln zum Glasschleiffen von Eisen Messing und Marmor vor einen billichen Preiß zu verkauffen, wann sich jemand dazu finden mögte.


Fußnoten

  1. Mit Brief vom 10. Februar 1720 bedankte sich Rost bei Kirch für dessen Brief vom 27. Dezember "nebst den beygelegten Exemplarien Ihrer ruhmwürdigen Arbeit". Dabei handelt es sich um Kirchs Arbeit zum Merkurdurchgang von 1720:
    Transitus Mercurii Per Solem, Ad Anni proximi M D CC XX. Diem 8. Maji, Ex variis recentioribus Tabulis supputatus, & necessaria Commentatione illustratus; Accessere Conjunctionum Lunae cum Venere, Palilicio & Regulo notabiliorum, per eundem Annum observandarum, Praedictiones, juxta Tabulas Cel. Philippi de la Hire. Berlin: Papen 1719.
    Nach dem angeführten Brief von Rost, sollte er Exemplare dieser Arbeit an Doppelmayr, Wurzelbau, Müller und Gaupp in Lindau weiterreichen. Das über obigen Link einsehbare Exemplar der Bibliothek des Deutschen Museums in München (Signatur: 1965 A 1487) trägt den handschriftlichen Vermerk "Celeberr. Dno. de Wurztelbau.".
    Kirch hat in seiner Arbeit den Merkurdurchgang sowie die Konjunktionen des Mondes mit den Sternen Aldebaran und Regulus nach verschiedenen Tafeln berechnet.Deswegen wünschte Doppelmayr "favorables Wetter", um zu entscheiden "welcher calculus der Observation am besten beykomme".
  2. Diese Arbeit erschien 1721:
    Dritte Eröffnung der mathematischen Werck-Schule Nicolai Bion in welcher Die Zubereitung und der Gebrauch verschiedener Astronomischen Instrumenten beschrieben wird. Nürnberg 1721.
    Nicolas Bion (1652-1733) besaß eine hochangesehene Werkstatt für wissenschaftliche Instrumente. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen war er nicht auf einzelne Geräte wie Globen oder Sonnenuhren spezialisiert, sondern konnte die ganze Palette an wissenschaftlichen Instrumenten in hervorragender Qualität anbieten. Bekannt wurde sein Name aber durch die Veröffentlichung mehrer Bücher. 1709 brachte er den Traité De La Construction Et Des Principaux Usages Des Instrumens De Mathematique in Paris heraus, wovon Doppelmayr mit seiner Werckschule von 1712 die deutsche Übersetzung lieferte. Die Dritte Eröffnung war der zweite Fortsetzungsband.
    Vgl. Daumas, Maurice: Scientific Instruments of the Seventeenth and Eighteenth Centuries and their Makers. Tanslated and edited by Dr. Mary Holbrook. London: Batsford 1972, S. 79f.
  3. Doppelmayrs heutzutage bekannteste Arbeit erschien erst 1730:
    Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern welche fast von dreyen Seculis her Durch ihre Schrifften und Kunst-Bemühungen die Mathematic und mehreste Künste in Nürnberg vor andern trefflich befördert / und sich um solche sehr wohl verdient gemacht / zu einem guten Exempel, und zur weitern rühmlichen Nachahmung, In Zweyen Theilen an das Liecht gestellet, Auch mit vielen nützlichen Anmerckungen und verschiedenen Kupffern versehen. Nürnberg: Peter Conrad Monath, Druck: Ernst Adelbulner 1730.
  4. Es handelt sich um Gottfried Leygebe (1630-1683), vgl. Doppelmayrs Historische Nachricht von 1730, S. 237-239.
  5. Zum Historien- und Tiermaler Paul Carl Leygebe (1664-um 1730) siehe Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 2 (2007), S. 918.
  6. Wagner heiratete 1719 oder 1720 die Tochter von Johann Ernst Eßling, der als Mechaniker bei der Berliner Akademie angestellt war.
  7. procuriren: besorgen, beschaffen.
  8. Elias Gödeler (1620-1693), Maler und Baumeister soll sich ab 1660 mehr als zehn Jahre in Nürnberg aufgehalten haben. Vgl. Doppelmayers Historische Nachricht von 1730, S. 249.
  9. Mel, Conrad: Antiquarius Sacer: Quamplurima Dubia Atque Obscuriora Sacrae Scripturae Dicta, Ex Statu Ecclesiastico, Politico, Militari Atque Oeconomico, Hebraeorum, Romanorum atque Graecorum Illustrans & explicans. Cum Mantissa Dissertationum I. De Mari Aeneo Templi Salomonis. II. Omina Bruta. III. Machina, Pro Invenienda Longitudine Locorum. IV. De Arca Noe; Cum Quatruplici Indice Locupletissimo. Frankfurt a.M.: Wolfgang Christoph Multz 1719.
    Sturm, Leonhard Christoph: Project de la résolution du fameux problème touchant la longitude sur Mer. Nürnberg: Peter Conrad Monath 1720.
    Conrad Mel (1666-1733) war ab 1705 Inspektor, Stiftsprediger und Rektor des Gymnasiums im hessischen Hersfeld. 1719 veröffentlichte er in Frankfurt a.M. den angeführten Sammelband mit einer Beilage (Mantissa) von vier Dissertationen. In der dritten davon beschrieb er eine Maschine, mit deren Hilfe es möglich sein sollte die Längen auf See zu bestimmen. U.a. Sturm hatte Einwände vorgebracht, auf die Mel im vorliegenden Band auf S. 95-99 eingeht. S. 110f. wird dann die im Brief angesprochene Erfindung Sturms diskutiert.
    Zu Mel siehe die Allgemeine Deutsche Biographie, Band 21, 1885, S. 267f. (Autor: Friedrich Wilhelm Cuno).
  10. procinctu: Im nachklassischen Latein: in Bereitschaft.
  11. Onolzbach = Ansbach.
  12. Diese Person konnte bislang nicht identifiziert werden.

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