Briefwechsel Peter Kolb


Kurzinformation zum Brief  
Autor Dürr, Johann Simon (1658-1724)[1]
Empfänger Kolb, Peter (1675-1726)
Ort Wunsiedel
Datum 16. Juni 1694
Signatur Friedrich-Alexander-Gymnasium/Museen im Alten Schloss Neustadt a.d. Aisch,
Nachlass Peter Kolb [CD-ROM], Briefe 28.2
Transkription Andreas Henkel, Wunsiedel

Petro Kolben, der Musen eiferig Er-
gebenen, Meinem insonders geliebten
Freund zu beliebiger Entsiegelung.
Nürnberg.
Bey Hlrn Joh. Grafen
Teutschen Schulmeister
auf den Laurent[i]i-Platz
zuerfragen.
Cito, cito [schnell, schnell]


Ta kratista. [Das Beste!]
Insonders Geliebter Sohn, und Freund
in Christo.


So wohl H. Gevatter Zobel[2] alß auch deine an mich gestellte vertrauliche Antwort hat meine Conjectur zur Genüge vergewißert, und bestärcket, daß ich dahero paterno affectu motus eilfertig meine argumenta dissuasoria abzufaßen mir nächst eiferig zu Gott geschickten Gebet bemühet. Denn (1) ist der angetragene dienst ipsum (wie du so wohl, u. besser alß ich, weißest) so zu reden, servitium, denn deine kalligraphía würde stäts begehret werden; zu dem ist er auch multorum imperio subjectum servitium, Verdrießlichkeit genug, u. wenig Entgelt. Kommt noch dazu, daß man sich (denn der dienst ohne das nicht zu erlangen) muß an die Wittwe verheÿrahten, und dieselbe zu dritt, wo nicht gar zu vierdt, ernehren; indem ja dir deß alten Cammerers[3] nichtiges und lügenhaftes Versprechen bekandt, der mit sich u. seinen Kindern selbst zu thun, u. bald da, bald dorten aufborget[4]; wie sollte Er denn noch einen Kostgänger annehmen? Mendacissima haec sunt! Fistula dulce canit, volucrem dum decipit auceps.[5] Und wie ist nicht bekandt, wie herrlich man zuvor gelebet, wie zärtlich das Töchterlein erzogen, daß dahero wenig gesparet worden, geschweig, daß man großen Haußraht sollte geschafft haben, u. würde in Kürtzen der Wider-hü[6] kommen, der doch nimmermehr würde können geändert werden. Wollte man dich zum Quarto haben[7], so köntestu nur paucissimis vorstellen, daß du noch nicht ein Viertel-Jahr bey deinen Herren Praeceptoribus valediciret, wie man dich denn ihnen könnte zu einem Collegam sezen? welches schlechten respect geben würde. diese Argumenta dissuasoria betrachte u. überlege nächst andächtig zu Gott angeschickten gebet nun wohl, u. bleibe mi fili in Christo suavissime, in dem, was du gelernet hast, Perfer & obdura, dolor hic proderit olim; Bete zu Gott innständig, der ferner Patronos erwecken wird, qui tuam sublevabunt paupertatem. Ich habe von Herrn Ottone[8], die Versicherung, daß so bald bey der Frühmeß[9] eine Stelle vacant wird, Er von Herrn Cantore die Versprechung hat, daß du

[Bl. 2]
darzu gelangen sollst, da denn hernach sich zeigen wird, daß es dir besser sey, etwas zu lernen u. zu sehen, alß deine junge Jahr zu verstecken, womit man sich auch gegen Gott versündigen würde. O wie viel sind fürnehme Männer worden, die nicht das geringste gehabt, u. doch Gott reichlich versorget. Auf diesen nun wirff auch dein kindlich-gläubiges Vertrauen, ipse prospiciet! Spes confisa Deo nunquam confusa recedit. Laß durch Erbare Sitten dein inniges Glaubens-Licht herfür leuchten, sic proborum tibi parabis favorem, Commercia prava, & nocturna conventicula cane pejus & angue[10] vita, sic semper te prosperrima comitabuntur fata. Hisce sane paternum meum affectum cognosces. Also kan man sich in eines höflichen Brief demühtig bey bewusten hohen Patron[11] bedancken, u. fürstellen, daß man sich Ch[risti] lumine propitio fest entschloßen, seine Studia zu prosequieren, u. ob man wohl wenig mittel darzu hätte, so wäre doch Gott reich genug, der darzu bescheren, u. ferner gutthätige Patronos bescheren würde, derer Er schon auch erlanget, Inndeßen befehlestu dich seinem hohen Patrocinio, u. verbändest dich für alle hohe Wohlthaten zum ewigen danck u. andächtigen Gebet, daß Gott solche Sr. HochWohlEhrwürden Praecellenz (sive Maximè Reverendae & Praecellentissimae Amplitudini) mit allen selbst r/langten[12] HochWohlwesen reichlichst ersetzen wolle. Haec monita ambabus amplectere manibus s[ive] ulnis[13], uberrimum ferent fructum. Wobey ich unter Göttlich-gnädigster Obschirmung[14] verharre

Tuae salutis studiosissimus

Dabam raptissimè Wonsidel.[iae]
d. 16. Jun. Ao Christi 1694.
[Präsentationsnotiz: praesens d. 21. Jun.]

Lectis hisce lineolis Vulcano comedendas trade.

M. Joh. Simon Dürr Sch[olae] Rect[or]


Fussnoten

  1. Zu Johann Simon Dürr siehe die Anmerkung im Brief vom 07.06.1694.
  2. Zu Johann Valentin Zobel siehe die Anmerkung im Brief vom 07.06.1694.
  3. Offenbar der Vater der zu heiratenden Witwe, es könnte sich um den Schreiner Hans Leonhard Cammerer (1638-1700) handeln.
    • Stadtarchiv Wunsiedel Bürgerkartei unter Cammerer, ein Matthäus Cammerer ohne zeitliche und verwandtschaftliche Einordnung wird dort außerdem noch als Stadtkirchner verzeichnet
  4. aufborgen: Geld leihen (Wörterbuch der Gebrüder Grimm).
  5. "Fistula dulce canit, volucrem dum decipit auceps": Süß klingt die Flöte, will der Vogelfänger seine Beute täuschen. Disticha Catonis I, 27.
  6. Lesung nicht ganz sicher; Adhoc-Bildung zu "Hüh und Hott"?
  7. Das Amt des Quartus als Lehrer der jüngsten Schüler und Organist wurde im Jahr 1694 neu geschaffen. Hier überlegte man offenbar noch, Kolb mit solchen Aufgaben zu betrauen.
    • Ponader, Elisabeth: Lateinschule und deutsche Schule in Wunsiedel von den Anfängen bis zum großen Stadtbrand 1731. Bayreuth 1987, S. 73.
  8. Zum Nürnberger Buchhändler Andreas Otto (1658-1723) siehe
    • Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 2. München: Saur 2007, S. 1107
  9. Dem Zusammenhang nach eine Frühmess-Stiftung der Lorenzkirche, die für Stipendienzwecke genützt wurde.
  10. Cane peius et angue (schlimmer als ein Hund oder eine Schlange) nach Horaz: Epistulae 1, 17, 30.
  11. Das Folgende ist Vorlage Dürrs für ein Dank-Schreiben Kolbs an Wunsiedler Archidiaconus Ernst Christoph Wohn (1642-1696), der Kolb die Stelle angeboten hat. Zu Wohn siehe
    • Simon, Matthias: Bayreuthisches Pfarrerbuch. München: Christian Kaiser 1930, S. 371, Eintrag 2790
  12. Die Abkürzung konnte nicht geklärt wrden.
  13. (Obviis) ulnis amplecti / excipere: feste Wendung.
  14. Das in Segensformeln vielfach nachweisbare Wort ist nicht im Wörterbuch der Gebrüder Grimm verzeichnet.

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