Briefwechsel Peter Kolb


Kurzinformation zum Brief  
Autor Kolb, Peter (1675-1726)
Empfänger Eimmart, Georg Christoph (1638-1705)
Ort Halle
Datum 21. Juni 1700
Signatur Nationalbibliothek St. Petersburg: Fond 998, Band 3, Bl. 434r-v
Zustand Auf der Verso-Seite Textverlust durch die Bindung am rechten Rand. Mögliche Ergänzungen stehen in eckigen Klammern.
Transkription Hans Gaab, Fürth; Andreas Henkel, Wunsiedel

P.S.

Da schon meinen brief gesiegelt hatte, und ich Hln. D. Klimm uffwartete, ertheilete Er mir die Nachricht, daß Hl. Kirch[1] v. Junius[2] in Leipzig auf das euserste einander zuwieder wären. Maßen Junius, ohneracht Er des Kirchen Gevatter[3], sich beÿ gedachten Kirch über ein Viertel Jahr aufgehalten, und die vornehmsten Vortheil im Rechnen dem Kirch abgelernet; welche Er Ihm auch um so viel desto weniger abgeschlagen, je mehr Er geglaubet, daß zwischen Ihnen, als Gevattern eine unausdenckliche Einigkeit seÿn würde. Alleine Junius, als auf etwas falsches abgerichtet, hat nicht nur das jenige, was Kirch im Calculo des Calenders da zumahl schon fertig hatte, mit sich genommen, und, was noch manquirte[4], dar zu gemachet; sondern hat auch gedachten Kirchs Arbeit vor die Seinige heraus gegeben, und dadurch den Kirchen in unglaublichen Schaden gesezt. Zumaßen Er seine Calender wo anders, als in leipzig (wo mir recht, in Quedlinburg) hat müßen drücken laßen. Es haben auch die Collectores Actorum Eruditorum zu leipzig die Epistolam Junij ad Astronomos in die Acta mit einrucken wollen, damit Junius mehreren bekand würde; alleine Kirch schraubete Ihn wieder, und wendete 1. Duzent Thaler auf, daß es nicht geschahe. Darüber Sie denn so zerfallen, daß es nicht genugsam kan beschrieben werden. Von deme, daß Hl. Kirch soll abgebrand seÿn, davon weiß hier zu land niemand etwas. Kurz vor meiner An-

[Bl. 434v]
kunfft wurde das Placat Ihro Churfl. Duchl. zu Be[rlin] wegen des Collegii Astronomici (Artium et scientiar[um] Mathematicarum, wie es heist) auf allen Canzeln öfter[s] abgelesen und an alle Stöcke angeschlagen.[5] Deus fortunet Eventum, successumque.[6] Wann mein M[ae]cenas, wie versichert werde, solte dazu genommen werd[en] oder solches selbsten amplectiren[7], bitte auch dereinsten meiner dabeÿ zugedencken. Am vergangenen Sonntag, a[ls] dem 20. Junji wurde verlesen in der Kirch, daß nunmehro d[ie] an die Theologos abgeordnete Commission aus Berlin so viel ausgemachet hätte, daß Sie mit Hln. Prof. Franc[ke][8] vereiniget worden wären, und alß aller Zwist und uneini[g]keit völlig abgethan seÿe. Auf künfftigen 1. Julij wird a[lso] hier das Einweÿhungs Fest der Universitaet celebrir[et] werden.

NB. Weil der Mann, so aus Nürnberg in der Creuzgaß wo[hn]hafft, etwas später, als anfangs vermeÿnet worden, fortgegangen, habe noch Zeit gefunden eines nach dem andern beÿ [zu] fügen. Frau Doppelmaÿerin[9] wird wißen wer Er ist. Denn a[uch] diese bringet Er brief, v. von Ihr wiederum herein. Ich werde wie alle Zeit eifrigst suchen zu heißen

Meines HochgeEhrten Herren und Patrons

Halle den 21. Junij
Ao. 1700

Humillimus Cliens
Peter Kolb.


Fussnoten

  1. Zu Gottfried Kirch (1639-1710) siehe
    • Herbst, Klaus-Dieter: Gottfried Kirch. Astronom, Kalendermacher, Pietist, Früaufklärer. Jena: HDK 2022
  2. Ulrich Junius (1670-1726) wurde 1705 Professor für Mathematik in Leipzig. Zum Streit mit Kirch siehe
    • Herbst 2022 (wie Fußnote 1), S. 419-420
  3. Junius war der Taufpate von Kirchs 1699 geborener Tochter Sophia.
  4. Manquiren: fehlen.
  5. Vgl. dazu den Brief Kolbs an Eimmart vom 17.06.1700.
  6. Gott segne die Veranstaltung mit Erfolg.
  7. amplectiren: ergreifen.
  8. August Hermann Francke (1663-1727), Zentralfigur des deutschen Pietismus, war seit 1698 Professor für Theologie in Halle. Zwischen Francke und der übrigen Universitätstheologie einerseits und der Stadtgeistlichkeit, flankiert von den Landständen, andererseits hatte es langwierige Auseinandersetzungen gegeben. Francke griff bestimmte Aspekte der traditionellen Orthodoxie an und sah sich umgekehrt mit dem Vorwurf pietistischer Heterodoxie konfrontiert. Um Einigkeit und gutes Vernehmen wieder herzustellen, wurde am 13.04.1700 von der Kurfürstlichen Regierung in Berlin (Das Erzstift Magdeburg war 1680 als Herzogtum Magdeburg zu Preußen gekommen) eine Kommission eingesetzt, bestehend aus dem Livländischen Generalsuperintendenten Johann Fischer, dem Hallenser Juristen und Geheimrat Samuel Stryk und dem Vizekanzler des Herzogtums Magdeburg Stößer von Lilienfeld. Deren Verhandlungen führten zu einer Klärung (Recess vom 24.6.1700), bei der die Rechtgläubigkeit der Universitätstheologie anerkannt wurde und die Position Franckes entscheidend gestärkt wurde.
    • Sachsse, Eugen: Ursprung und Wesen des Pietismus. Wiesbaden 1884, S. 280-282
    • Taatz-Jacobi, Marianne: Erwünschte Harmonie. Die Gründung der Friedrichs-Universität Halle als Instrument brandenburg-preußischer Konfessionspolitik - Motive, Verfahren, Mythos (1680-1713). Berlin, Boston 2014, Kap. 2.3.2
  9. Maria Catharina Doppelmayr (1653-1708) war die Mutter von Johann Gabriel Doppelmayr (1677-1750).

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