Briefwechsel Peter Kolb


Kurzinformation zum Brief  
Autor Kolb, Peter (1675-1726)
Empfänger Eimmart, Georg Christoph (1638-1705)
Ort Halle
Datum 23. September 1700
Signatur Nationalbibliothek St. Petersburg: Fond 998, Band 3, Bl. 438r-439r
Transkription Hans Gaab, Fürth; Andreas Henkel, Wunsiedel

Nobilissime atque Excellentissime Domine,
Praeceptor atque Patrone Colendissime.


Woferne mir nicht sonsten bewust gewesen, wie gütig Ew. Excellenz wäre; hätte ich nimmermehr zubegreiffen gewust, woher es käme, daß die von Ihro Excellenz Hln. D. Klimm desiderirte finsternuß in duplo[1] geschicket würde. Da mir aber, aus so langer Zeit, in welcher die Ehre gehabt, Ew. Excellenz etwas beßer kennen zu lernen, deroselben gütiges naturelle allbereit ganz bekäntlich gewesen, habe mich zwar wohl zuverwundern, aber auf schuldigste dancksagung geschickt v. fertig zuhalten Ursach gehabt. Womit kan aber anjezo danckbar erscheinen, da vorhero schon wegen so unbegreifflich vieler Wohlthaten in deroselben Schuldregister angeschrieben stehe? Gewiß es scheinet, ob haben Ew. Excellenz Ihr höchstes Vergnügen daran, wann Sie sich die leute mehr und mehr verbündlich machen können: da Sie doch solches im geringsten nöthig haben. Maßen Jedermann, wo nur die Ehre genießet, aus bloßer Fama denselben zukennen, herzlich wünschet, ein Cliens[2] von demselben zu heißen. Weil ich demnach ganz nichts finde, so Ihren hohen Wohlthaten v. ungemeiner Gütigkeit, will nicht sagen die wage halten, sondern nur anstatt einiger Zinß Abtragung seÿn könte; als will mich demnach ganz und gar zu Ihren willen (welches zwar allbereits vorhero lang geschehen) aufs neue aufopfern, und befehl erwarten, wordurch meine dienstfertigkeit deutlich an dem Tage legen kan.

[Bl. 438v]
Es hat vergangene Wochen Hl. Caplan Leopold aus Redwiz[3] an mich geschrieben, v. sich befraget, wo Er einen guten Tubum, wovon ich ihm gegenwärtig rühmens gemachet hätte, bekommen solte. Nun kan mich noch wohl erinnern, daß Ew. Excellenz, beÿ meiner damahligen Wiederkunfft, demütigst er[suchet] nach meinem Abseyn[?], einen zu verschaffen, v. dafür schuldige Bezahlung zu erwarten. Ob es aber Ew. Excellenz nicht aus gefallen, und durch wichtige Verrichtungen nicht aus der Acht gelaßen worden, kan mich, wegen berau[bter] deroselben Gegenwart v. briefen, nicht beklügen. Wo es aber geschehen[,] wolte meinen HochzuEhrenden Herren und Patron ersuchet v. ge[beten] haben, diesem meinem sehr werthen freund hierinn zu gratificiren. Ich wolte ihm, wo ich gewiße Versicherung deßwegen erhielte, part [Nachricht] davon v. die addresse specificiren. Sonsten berichte Ew. Excellenz, daß zu[?]künfftiges Monat Novembr. eine Lotterie allhier gehalten werden w[ird]. Es sind meistens französische bücher, so da zuhaben seÿn werden. Die Per[son] gibt vor einen Zettel einen halben Thaler;[4] der größeste preiß belauffet auf 100 RThlr. Darunter ist in specie Sansons Atlas[5], welchen der Händler, schon in französisch leder gebunden, um 40 Thlr anschläget. [So] ich nun weiß, daß mein Hoher Patron ehedeßen solchen haben kauffen wolen; dieser aber viel wohl feiler zu haben, als der vorige, habe solches mit specificiren wollen. Ist es, daß derselbige beliebet werde, erfordert es nur einen befehl. Den Catalogum omnium librorum, so in der Lotterie wolte gerne mitschicken, wo er nicht auf der Post all zutheuer will demnach beßre gelegenheit damit erwarten. Neulich hatte ein Candidatus Philosophiae unter Hln. P. Ludovici[6] disputiret, welcher unter andern seinen Thesibus Philophicis selectioribus (denn so wurde die Disputation genennet) eine Thesin sagte, dadurch er behaupten wolte, etiam viribus naturalibus imaginem Dei, per lapsum amissam, restaurari posse.[7] wolte nichts mehr gewünscht haben, als daß mein Patron nur diese Stunde hätte gegenwärtig seÿn sollen, Er würde ungemein mit gelachet haben dann es kamen die Hln. Pietisten hinter den Perfiden, welche ohnehin wie aus den responsionibus erhellete, nicht zu solide seÿn mochte, u. trieben ihn so in die enge, daß er auf die letze nichts mehr zusagen wuste, als

[Bl. 439r]
nego, und distinguo. unter denen Studiosis ware ein entsezliches gelächter. Vieler ander absuditeten, so er begangen, zugeschweigen. Es ist diese woche Hl. Hoffmann[8] aus Jena hier gewesen, und hat seine Recommendation an meinen hohen Gönner zu machen, befohlen, mit bitte, es möchte derselbe so gütig seÿn, v. ihm, die in seinen opere des Hln. P. Zahns fehlende 2. globos Coelestem et terrestrem mit schicken.[9] Es hat das ansehen, als wenn Er hieher ziehen wolte, weil, welches in Vertrauen, Hl. P. Hamberger[10] sehr irraisonnable mit ihm umgehet. Er hat Ihm auf 2. Jahr Ephemerides machen müßen, wofür Er nur das lezte Jahr 150. Thlr. eingenommen, Hln. Hoffmann aber pro labore calculi 12 Thlr bezahlet hat. Proh turpitudinis ![11] So machet man auch mine, als wenn ein neuer Prof. Matheseos hierher kommen solte, welches zuerwarten. Von Hln. D. Klimm habe in commissis eine schöne begrüßung nebst schönster dancksagung, so wohl vor die Finsternuß als überschickung der sehr raren und courieusen observation. Wir waren beede dazumahl wohl über 3. Stunde beÿsammen v. beratschlagten uns, woran, wie v. auf was weise die observation geschehen müste. aber endlich wurde doch [der] Schluß gemacht, daß wir nichts, wo es nicht etwan durch ein langes pendulum oder an denen Gebäuden zusehen wäre, ausdrucken könten. Ich will nichts sagen, wie offt wir schon deßwegen darüber uns beratschlaget, aber leider ! um sonst. Ersuchet dahero Ew. Excellenz, Hl. D. Klimm mit mir, umb deutlichere Erklärung des Phaenomeni.[12] Werden Ew. Excellenz die hohe Gütigkeit haben, unsrem inständigen Ansuchen geneigte Gewehre nicht abzuschlagen, werden wir uns auch in specie, anderorts obligat erkennen; wie denn zu jeder Zeit, quocunque sim loco, aut conditione eifrigst mich bestreben will, zu wißen, daß ich in der That seÿe

Ew. Excellenz

Halle den 23 Septembr.
Anno 1700.

Demütigster Diener
Peter Kolb.


Eine schöne Begrüßung bitte an dero Frau Liebste, v. Jungfer Tochter.


Fussnoten

  1. Die von Eimmart gleich in zwei Exemplaren (also offenbar auch einem für Kolb) übersandte "finsternuß" bezieht sich wahrscheinlich auf die Sonnenfinsternis vom 13.09.1699.
  2. cliens: Schutzbefohlener, auch Diener oder Gehilfe.
  3. Georg Alexander Leopold (1675-1741), Enkel des bedeutenden Redwitzer Bürgermeisters und Chronikverfassers Georg Leopold (1603-1667), war von 1698 bis 1733 Diakon in (Markt-)Redwitz, dann Superintendent in Wunsiedel. Kolb schickte ihm am 15.01.1707 als seinem "Gönner und sehr werten Freund" aus Afrika Ausarbeitungen über die Religion der Hottentotten.
    • Simon, Matthias: Bayreuthisches Pfarrerbuch. München: Christian Kaiser 1930, S. 186, Eintrag 1423
    • Caput bonae spei hodiernum. Nürnberg: Peter Conrad Monath 1719, S. 407
  4. D.h. das Los kostete einen halben Taler; die Bücherlotterien dienten vorrangig der Lagerräumung, die wenigen Hauptpreise als Lockmittel. Kolbs Darstellung impliziert, dass man einen Hauptpreis auch käuflich hätte erwerben können, was aber nicht zum Lotterieprinzip passt.
  5. Gemeint ist wahrscheinlich:
    • Nicolas Sanson (1600-1667): Atlas Nouveau, contenant toutes les parties du monde, ou Sont exactement Remarques les Empires, Monarchies, Royaumes, Estats, Republiques & Peuples qui, sy trouuent á present. Paris: Hubert Jaillot 1692
  6. Jakob Friedrich Ludovici (1671-1723) wirkte ab 1697 an der Universität in Halle.
  7. Die beim natürlichen Menschen durch den Sündenfall verwirkte Gottesebenbildlichkeit könne durch natürliche Kräfte wiederhergestellt werden.
  8. Johann Heinrich Hoffmann (1669-1716) war ab 1701 Astronom und Adjunkt bei Gottfried Kirch (1639-1710), dem Sternwartenleiter in Berlin. Er gab ab 1702 jährlich seine Ephemeris motuum coelestium heraus.
  9. Johann Zahn (1641-1707) war Prämonstratenser, Mathematiker und Optiker in Würzburg. 1696 erschien sein dreibändiges Werk Specula physico-mathematico-historica notabilium ac mirabilium sciendorum, für das Eimmart die Kupfer angefertigt hatte.
  10. Georg Albrecht Hamberger (1662-1716) war Professor für Mathematik in Jena und Kalendermacher.
  11. Proh turpitudinis!: Oh der Schändlichkeit!
  12. Worin die von Eimmart offenbar nur andeutungsweise mitgeteilte "Observation" besteht, ist unklar. Kolb, Klimm und Hoffmann bemühen sich vergebens, sie nachzuvollziehen, auch Kolbs Brief vom 13. Okt. 1700 kommt auf das ungelöste Problem zurück.


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