Briefwechsel Peter Kolb


Kurzinformation zum Brief  
Autor Krosigk, Bernhard Friedrich (1660-1714)
Empfänger Eimmart, Georg Christoph (1638-1705)
Ort Poplitz
Datum 9. Juni 1703[1]
Signatur Nationalbibliothek St. Petersburg: Fond 998, Band 4, Bl. 186r-187v
Zustand Textverlust durch die Bindung am linken Rand. Mögliche Ergänzungen stehen in eckigen Klammern.
Transkription Hans Gaab, Fürth; Andreas Henkel, Wunsiedel

HochEdler Vest undt Hochgelahrter
HochgeEhrter Herr

[W]eilen von deßelben renommeé bißher viel erfahren, So habe sonderbahres Verlangen [g]ehabt denselben auch von Person zu kennen. [B]in auch bereits in Begrif geweßen, die Reise [z]u demselben selbsten anzutreten, indem ich [a]ber auch noch itzt durch verschiedene unumgängliche Verhinderungen davon abgehalten werde, So habe H. D. Klimmen

[Bl. 186v]
welcher in gewiße Bestallung be[y] mir sich eingelaßen dahin vermocht die Reise zu übernehmen, welch[er] durch ein undt andere Vorschläge zu [ver]nehmen geben wirdt, auf was weise[?] ich dafür halte, daß die observa[ti]ones Astronomicae, welche dersel[be] bißher so rühmlich excoliret, undt we[gen] der itzigen Kriegstroublen[2] wohl ha[ben] angegeben[3] werden müßen, mit guten suc[cess] köndten fortgesetzet werden, dabey a[uch?] vielleicht Meines HochgeEhrten Herren eigene convenienz sich finden wird

[Bl. 187r]
der égard[4] auf die itzige Unruhe in dortiger gegendt, undt die apparenz daß selbige wohl eher zu als abnehmen müste werden bey der deliberation[5] am meisten in consideration zu ziehen seyn. Indeßen wirdt derselbe belieben zu urtheilen, daß dißes alles aus einer guten Wohlmeinung herkomme, undt daß ich jederzeit seyn werde
Meines HochgeEhrten Herren

[Po]plitz den
9. Jun. 1703.

dienstwilligster
diener
BFvonKrosick

Anhang: Krosigks "Puncta" an Eimmart

VORSICHT: WORK IN PROGRESS!!

Vorbemerkung: Die folgenden "Puncta" sind Krosigks Briefen an Eimmart vom Sommer 1703 nachgeheftet. Sie dürften identisch sein mit den von Eimmart teilweise beantworteten "astronomischen puncten" (Brief vom 27.07.1703), Johann Christoph Klimm hatte sie wahrscheinlich bei seinem Besuch im Juni/Juli übergeben. Die "Puncta" behandeln Fragen, die sich Krosigk während der Planung seines großen Projekts einer koordinierten interkontinentalen Beobachtung stellten.

[Bl. 188r]
Si Dnus Eimmartus super puncta sequentia sententiam aperire vellet, valde gratum id mihi facit.

Wenn Herr Eimmart seine Meinung zu folgenden Punkten sagen wollte, wäre ich ihm sehr zu Dank verpflichtet.

1. An intra annos 30 vel 40 sensibilis mutatio declinationis stellarum fixarum, per observationum continuationem deprehensa sit.
1. Ob innerhalb von 30 oder 40 Jahren eine spürbare Veränderung der Deklination der Fixsterne durch fortgesetzte Observationen ermittelt worden ist?

2. Quis & quantus motus stellarum in longitudine inde concludi & pro indubitato poni possit.
2. Welche und wieviel Bewegung der Sterne im Längengrad daraus geschlossen und als unzweifelhaft angenommen werden kann?

3. Qualis motus apogaei per calculum indubitatum cernatur[?] ex observationibus in eodem loco & per eadem instrumenta habitis?
3. Welche Bewegung des Apogäums sich durch unzweifelhafte Berechnung aus Beobachtungen am selben Ort und mit denselben Instrumenten feststellen lässt?

4. Num & mutatio eccentricitatis ad certas regulas ex illis principiis reduci [esse] possit?
4. Ob auch die Veränderung der Exzentrizität nach festen Regeln aus jenen Prinzipien [welchen??] abgeleitet werden kann?

5. Num ex praecisa observatione aequinoctiorum per aliquot annos serie haud interrupta facta praecessio aequinoctiorum, item qualis & quanta colligatur?
5. Ob sich aus einer präzisen Beobachtung der Äquinoktien, die mehrere Jahre lang in ununterbrochener Folge angestellt worden ist, eine Präzession der Äquinoktien feststellen lässt und ebenso wie beschaffen und wie groß diese ist?

6. Annon per inclinationem orbis magni, si nimirum calculus ad motus terrestres, et minimè ad motum solarem reduceretur, & praecessio aequinoctiorum & inaequalitas dierum ac annorum melius inveniri possit?
Ob man nicht durch die Inklination des Großkreises, wenn man nämlich die Berechnung auf die Erdbewegung und nicht auf die Sonnenbewegung gründet, die Präzession der Äquinoktien und die ungleiche Länge von Tagen und Jahren genauer ermitteln kann?

7. Annon eodem modo duratio eclypsium Solarium & quicquid ab illis dependit melius certificaretur?
Ob nicht auf dieselbe Art die Dauer von Sonnenfinsternissen und alles, was davon abhängt, genauer bestimmt werden kann?

8. An probabile sit, distantiam lunae a Tellure per triangulum inveniri posse? Inprimis si triangulum Isosceles constituetur per continuas observationes

[Bl. 188v]
in Capite bonae spei & in Germania habita[s] in distantia nimirum quadrantis integri terrae ubi luna necessariò per diffinitas vices in tali latitudine deprehendetur, ut altitudo duobus observatoribus praecisè: aequalis existeret?
8. Ob es wahrscheinlich ist, dass sich der Abstand des Mondes von der Erde durch ein Dreieck ermitteln lässt? Insbesondere wenn ein gleichschenkliges Dreieck errichtet wird durch fortgesetzte Beobachtungen am Kap der Guten Hoffnung und in Deutschland, in einem Abstand von einem Viertel des vollständigen Erdumfangs, wo der Mond notwendigerweise in bestimmtem Wechsel in einer solchen Breite beobachtet werden kann, dass die Länge für die zwei Beobachter genau gleich ist?

9. Annon ambiguitas haec, quod observatione[s] in locis tam longè dissitis, in diversis planis horizontalibus non possint convenire ad triangu[lum] constituendum, hoc modo possit tolli, nimirum per constructionem alterius trianguli quod subtensam arcus pro ratione distantiae observatorum, pro basi & duas tangentes pro late[ribus] haberet, quia hoc modo tria latera per illam proportiona[li]litatem inveniuntur.
9. Ob nicht die Unsicherheit, dass Beobachtungen an so weit von einander entfernten Orten auf verschiedenen horizontalen Ebenen nicht zur Bildung eines Dreiecks zusammenkommen können, nicht auf die Weise behoben werden kann, dass man ein anderes Dreick konstruiert, das als Basis die "Hpotenuse des Winkels nach dem Maß des Abstandes der Beobachter und als Seiten zwei Tangenten hätte, da auf diese Weise drei Seiten durch jene Proportionalität gefunden werden können.

10. An sequentes modi pro inveniendis absque?? loc[...] differentiis meridianorum pro sxxxxxxxxxtibus habe[ri] possint.
10) Ob die folgenden Verfahren zum Auffinden ... der Unterschiede der Meridiane ... verwendet werden können?

([10.]1) Ex motu lunari, quia pro r[atione?] temporis, quod ex regularitate motus colligit luna locum inter fixas subinde mutat & [...] secundum calculum ephemeridum pro certo meridiano, data hora lineam aliquam certam[?] cum stellis fixis faciat, in aliis meridianis ver[o] hac linea certa aliis cum stellis observaretur, ita duo hoc distinctu lunae loca differentiam meridianorum ostendunt.
([10.]1) Aus der Mondbewegung, da entsprechend der Zeit der Mond den Ort, den er in regelmäßiger Bewegung unter den Fixsternen einnimmt, verändert und ..., gemäß der Ephemeriden-Rechnung für einen bestimmten Meridian, zu gegebener Stunde irgendeine bestimmte Linie mit den Fixsterne macht, in anderen Meridianen aber durch diese bestimmte Linie mit anderen Sternen beobachtet wird, so zeigen durch diese Abweichung des Mondes die zwei Orte den Unterschied der Meridiane an.

([10.]2) Ex praecisa observatione declinationis solis, quando nimi[rum] ad certam horam gradum determinatum[?]

[Bl. 189r]
Zodiaci attingeret, qui tamen a meridiano determinato ex ephemeridibus, distaret, & ita distantia haec quantum sol interea motus fuerit praecisè satis demonstraret.
([10.]2) Durch genaue Beobachtung der Sonnen-Deklination, wenn diese nämlich zu bestimmter Stunde einen bestimmten Grad des Zodiakus berührte, der aber von dem aus den Ephemeriden bestimmten Meridian einen Abstand hätte, und so diese Distanz hinreichend genauen Aufschluss böte, wie weit sich die Sonne unterdessen bewegt hätte.

([10.]3) Per constructionem machinae, quae pro numero circulorum horariorum elevatas laminas subtilissimas haberet, quae sole perpendiculariter existente nullam umbram projiceret. Ita Laminae denominatum meridianum pro locis sub illis sitis monstrarent, & quorum intervallum sol quasi[?] hora peragraret.
([10.]3) Durch die Konstruktion eines Gerätes, das entsprechend der Zahl der Stundenkreise feinste erhabene Bleche hätte, das bei senkrechtem Sonnenstand keinen Schatten würfe. So würden die Bleche den genannten Meridian für die unter ihnen gelegenen Orte anzeigen, deren Abstand die Sonne gleichsam in einer Stunde durchwanderte.

Instrumento juxta inventam poli alititudinem ita disposito, ut e. g. duabus aut tribus horis ante meridiem sol illum meridianum illustraret, qui 30 aut 45 gradibus dissitus creditur[?], praecisè posset videri, per transitum solis per meridianum loci observationis, quemnam circulum horarium sol directe illuminaret, id quod ad confirmationem operationum praecedentium valde utile esset fatuxxx
Wenn das Instrument entsprechend der gefundenen Polhöhe so aufgestellt worden ist, dass die Sonne z. B. 2 oder 3 Stunden vor Mittag jenen Meridian beleuchtet, der wie man annimmt 30 oder 40 Grad entfernt ist, könnte man genau sehen, durch den Durchgang der Sonne durch den Meridian des Beobachtungsortes, welchen Stundenkreis die Sonne direkt erleuchtet, was zur Betätigung der vorangehenden Operationen sehr nützlich wäre.


Fussnoten

  1. Der Monatstag ist nicht lesbar. Vor Ort in St. Petersburg konnte aber als Datum der 09.06.1703 festgestellt werden.
  2. Vgl. die Anmerkung zum Spanischen Erbfolgekrieg im Brief Kolbs vom 08.06.1703.
  3. "angeben" wird auch im Sinne von "darangeben, aufgeben" verwendet (DWB).
  4. égard: Rücksicht.
  5. deliberation: Beratschlagung, Überlegung.


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