Briefwechsel Peter Kolb
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Kolb, Peter (1675-1726) |
Empfänger | Eimmart, Georg Christoph (1638-1705) |
Ort | Popliz |
Datum | 1. Mai 1704 |
Signatur | Nationalbibliothek St. Petersburg: Fond 998, Band 3, Bl. 472r-475r |
Zustand | Auf der Verso-Seite Textverlust durch die Bindung am rechten Rand. Mögliche Ergänzungen stehen in eckigen Klammern. |
Transkription | Hans Gaab, Fürth; Andreas Henkel, Wunsiedel |
Nobilissime atque Doctissime Domine,
Fautor et Patrone aeternum colendissime,
aestumatissime.
Deroselben hohes Wohlseÿn, welches von denen Verdrießlichen Krieges Troublen[1] offtermahls wird unterbrochen werden, hat mich sehr offt in bekümmernis gesezet, und die Gedancken erwecket, es mögte auch wohl die Vortreffliche Urania darbeÿ Anstoß leÿden müßen. Dahero ich mit gegenwartigen vor meines hohen Patroni Augen zukommen mich unterfangen, und hiermit meine unterthänigste Ufwartung vor meiner Abreise nach Holland machen wollen, nicht zweiflende, Sie werden solche Kühnheit gütigst nachsehen, und bedencken, daß ich nicht mehr suche, als an solchen Orten zu dienen, daferne anderst was angenehmes vor denselben aus zurichten vermag. Ich werde längstens nach Pfingsten vor hier weggehen, und in Commission meines Herrn Geheimbden Raths[2] einige wochen theils zu Amsterdam, theils zu Utrecht, Leÿden und im Haag, auch wohl
[Bl. 472v]
andrer Orten, mich aufhalten. Daferne nun meinem hohen Gönner beliebete, mir was zu committiren, würde es in einer
schleinigen Antwo[rt] geschehen müßen, welche entweder an mich oder auch Hln D.
Klimm könte g[e]schicket werden. Nach deren Vollendung werde ich sonder
Zweifel, wo G[ott] anders leben und Gesundheit giebet, diesen Sommer nach Hauße gehen, und [vor] meiner ferneren
Abreise nach dem Capite Bonae Spei, meiner Mutter und Freunden Adjeu sagen. Solte nun die Passage nach Nürnberg
noch offen s[ein] würde ich unumgenglich nochmahls meinem Hochgeneigten Patron persön[lich] ufwarten, und so dann
eines und das andre beÿ demselben zu erfahr[en] suchen, welches zu communicirung Astronomischer Observationum nicht
und[ien]lich seÿ würde.[3]
Doch davon werde wohl mehrer und gewißer Versicherun[g] thun können, wenn ich
erstlich aus Holland zurücke komme; inmaßen alles mei[n] Vorhaben auf dieser Reise beruhet. Anjezo füge
nur noch beÿ wie durch mei[nen] Hln Geh. Rath ein buch[4]
zu lesen bekommen, welches Er aus der Wolfenbütt[eler]
Bibliothec mitgebracht, als Er von dasigen Herzog dahin zugehen ersuchet wur[de,] aus welchen ersehen, daß Galiaeus
schon fast eben dergleichen Gedancken de [Sole] gehabt, als mein Patron in Seiner
Ichnographia
der Gelehrten We[lt] an den Tag geleget. Es ist eine Epistola, welche gedachter Galilaeus an ein[en,] den Er nicht nennet,
geschrieben, v. dem Er das Praedicat Illustrissimi und R[e]verdissimi giebet, welche, weil mir unbewust ist, ob Sie meinem
hohen Patron bekandt ist, habe anzeigen, und die Excerpta davon communicir[en] wollen. Er schreibet aber, nachdem er
im Anfang lange ausgeführet, warum Er die Hypothesin Copernicanam nicht pro nuda Hypothesi halten könne, obgleich
die Dicta Scripturae Sacrae darwieder zu seÿn schienen, in der That aber nicht wären, auf folgende Art:
[Bl. 473r-474v]
Coeterum, cum agitur de conciliandis Sacrae Scripturae locis cum naturalis scientiae, quae nova sit et insolens,
placitis [...][5]
[Bl. 474v]
summitatem, Sequitur, nec est qui se abscondat à calore ejus. En heic quoque atte[statur] calor ille vivificus,
foecundans re, à luce distinctus, eademque longe penetrantior, [cum]
hanc plurima corpora non admittant, eamque retundentia
se ab ipisus invasionibus t[uean]tur; ille vero sic omnes substantias corporeas quantumvis densissimas penet[rat]
ac perlabitur, ut verissime dicatur, nemo est qui se abscondat à calore ejus.
Dieses habe aus Galillaei Epistola excerpiren und meinen Patron in gehorsamster Observanz überschicken wollen inständigst bittende, Sie wollen die Eilfertigkeit nicht übel deuten, und mir so viel Muße vergönnen, daß i[ch] nach abgelegter Reise meine weitre Quaestiones de m[u]tatione meridianorum und andre nach abgelegter Rei[se] dörfte vorbringen, wo nicht, werden Sie mir doch vergönnen in praesentia dergleichen Quaestiones vorzulegen, der ich unter dienstlicher Recommendation an Ihre HochEdle Familie verharre
Ew. HochEdelVest Meines
Hochgeneigten Gönners
Popliz, den 1. Maij.
Ao. 1704
demütigster Diener
M. Peter Kolb.
[Bl. 475r]
Meine Reise gehet entweder den 4 oder 7 Maij ohnfelbar vor sich welches erst beÿ so später Eil erfahren[?],
v. Sie zu avisiren nöthig machte, daß Sie die nöthige Anstald darnach zumachen vermögen,
so ferner meine dienste was Vermögen in Holland vor Sie als meinen Großen und alle Zeit hochgeprießenen
Patron zu effectuiren.
Einschluß an Juncker Praun[6] bitte dienstlich zubestellen, weil mir etwas daran gelegen.
Fussnoten
- ↑ Die Bedrohung der Reichsstadt Nürnberg endete erst mit der Niederlage des bayerischen Kurfürsten Max Emmanuel und seiner französichen Verbündeten bei Höchstädt (13.08.1704).
- ↑ Bernhard Friedrich Krosigk (1656-1714) war von 1702 bis 1707 Kolbs Dienstherr.
- ↑ Die Reise und der Besuch bei Eimmart fanden später tatsächlich statt.
- Caput bonae spei hodiernum 1719, S. 3
- ↑ Dieses Buch konnte bislang nicht identifiziert werden.
- ↑ Es folgt ein Auszug eines ins Lateinische übersetzten Briefes, den Galilei am 23.03.1614 an den Jesuiten Piero Dini (?-1625) geschrieben hat, vgl. Opere complete di Galileo Galilei, Tomo II. Florenz 1843, S. 17-26, die übersetzte Stelle S. 21-24. Die von Kolb zitierte lateinische Übersetzung ließ sich nicht ermitteln. Galileo geht es der zitierten Partie darum, bestimmte die Sonne betreffende Bibelstellen, die gegen die copernicanische Lehre ins Feld geführt wurden, in seinem Sinn umzuinterpretieren. Dazu entwickelt er eine spekulative Theorie der Sonne und ihrer gemina emanatio von Licht und Wärmestrahlung, in der Kolb Parallelen zu Eimmarts in der Ichnographia vorgetragenen Ideen sah.
- ↑ Zu Jobst Siegmund Praun siehe die Anmerkung im Brief vom 13.10.1700.
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