Briefwechsel Johann Philipp von Wurzelbau


Kurzinformation zum Brief  
Autor Wurzelbau, Johann Philipp (1651-1725)
Empfänger Junius, Ulrich (1670-1726)
Ort Nürnberg
Datum 12. Juni 1700
Signatur Universitätsarchiv Leipzig: Ms 01322, Bl. 418r-v

HochgeEhrter Herr


Sowohlen das paquet worinnen Em. Maignan Persp. horaria[1] samt beÿgelegten Carpzoviano[2] und andern Catalogis, auch Herrn von Tschirnhaus Anleitung zur Mathesi[3] alß auch meines HochgeEhrten Herrn sehr werthes von primo diß habe zu recht erhalten, auch alle Inlagen richtig bestellen lassen, aus diesem sobalden dero willfährigkeit zur communicirung des calculi calendario graphicé ad annum 1701 Herrn Prof. Sturmio ohnverzüglich berichtet, auch wegen schleunig erwarteter anwort (so aber bis dato nicht eingegangen) dieses retardirt. So habe auch alsbalden Herrn D.r Eisenschmid[4] was Ihne belanget überschrieben, erwarte nun förderlich von Ihme Nachricht, ob Er die für Ihn ausgelegte 11 Thl. 18 gl. von Straßburg aus meinem HochgeEhrten Herrn zu zahlen ordinirt, oder ob solches mediante me beschehen solle. Indessen habe Herrn Riegeln[5] alhier ersucht auch ihme bahr zugestellt die meinetwegen für das Opus Maignani ausgelegte 4 Thl 12 gl oder fl 6¾ welche aldorten durch Herrn Fritschen[6] sollen erlegt werden, an welchen auch das ehemahlen entlehnte exemplar Maignani eingeschlagen worden, so auf überkunfft allda zu erhalten seÿn wird. Ich sage indessen meinem HochgeEhrten Herrn für soviele gehabte Bemühungen schuldigsten danck, biß mir dero ungemeine Gunstbezeugungen zu erwiedern Gelegenheit anscheinen wird. So werde ich auch auf dero gütige offerta die freÿheit nehmen, sowohl aus dem Carpzovischen alß anderen Catalogis einige stücke zu extrahiren und gegen künfftige Michaelis Messe darvon specification übersenden und selbige für mich zu erhalten dienstl. ersuchen.   Ein dergleichen

[Bl. 418v]
Kupferfigur alß Herr von Tschirnhaus (dem mich abermahlen gelegentlich schöchsten zu befehlen bitte) beÿ dem Calendrier ou connaisance des temps gesehen zu haben erwehnet,[7] ist mir nun zu Gesicht kommen, ich habe aber dergl. büchl. vormahlen nie als A°: 1686, worinne kein ander kupfer alß eben dergleichen wie in dem heurigen zu erlernung der Nachtstunden ex circumpolaribus, befindlich, erhalten. Die Tabb. aequationum Solis von Herrn D.r Eisenschmid übersandt, wir auch correctiones numerorum Lunarium stehen zu meines HochgeEhrten Herrn diensten und ist unnöthig solche wieder zuruck zu senden.   Wann künftig für Herrn D.r Eisenschmid die in der Selenographia Heveliana[8] befindliche Schemata Lunae majora sollten abgedruckt werden, hette zu ersuchen, deren etliche auch für mich gegen bezahlung zu procuriren. Übrigens sage auch schuldigen danck, vor die communicirte und hiebeÿ wieder zuruckkommende, von unbekandter hand zugesandte caculation und recensirte unterschiedl. observationes eclipseoe Solis anni superiori; Es ist aber auch mir weder die zierliche handschrifft noch das pitschafft[9] bekandt, anfangs kam ich auf die Gedancken, alß ob das scriptum aus Engelland seÿn möchte, indeme in der ersten Zeil des calculi, die supponirte distanz solis à Nonayneo:[10] nach art des Hl. Flamsteeds[11] (von welchem nun in etlichen jahren nichts vernommen, auch nicht weiß, ob er am leben seÿe oder nicht) Zahlen mit 90°.00'. 30°.00'. 00°.00'. etc. geschrieben zu ersehen, nachdeme aber zu ende der deduction die Flamsteedische tabb aeq. dierum pro eclipsibus verworffen befunden, habe ich solche meinung fahren lassen, aus erzehlung der Gripswaldischen[= Greifswaldischen] observation will es fast das ansehen haben, alß ob Autor praesens gewesen wäre. Ich zweiffele nicht dieser curieuse Astronomus werde sich künfftig wohl selbst mit namen beÿ mein HochgeEhrten Herrn bekannt machen, habe vielleicht durch diesen prodromum sein valoir zeigen wollen. Wwann von der in Berlin anrichtenden Societate mathematica zu deren Aufnahm ich Herrn Kirchio[12] von Herzen gratulire, mehr particularia zu vernehmen seÿn sollten, würde mich davon communication sonderlich obligiren. Ich verharre nechst Göttl. Gnaden Ergebung.

Meines HochgeEhrten Herrn

Nürnberg den 12 Junij
1700.

Dienstergebenster
JPWurzelbaur


Fussnoten

  1. Maignan, Emanuel (1601-1676, Philosoph und Mathematiker): Perspectiva horaria. Rom: Rubeus 1648.
  2. Friedrich Benedict Carpzov (1649-1699) war Ratsherr und Baumeister in Leipzig. Seine Bibliothek wurde am 18.10.1700 versteigert, siehe den zugehörigen Catalogvs.
  3. Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von (1651-1708) Gründliche Anleitung zu nützlichen Wissenschafften absonderlich Zu der Mathesi und Physica. S.l. 1700
  4. Johann Caspar Eisenschmidt (1656-1712) war Mathematiker und Geodät in Straßburg.
  5. Zum Nürnberger Buchhändler Christoph Riegel (1648-1714) siehe
    • Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Sauer 2007, S. 1231-1232
  6. Johann Thomas Fritsch (1666-1726) war Verleger und Buchhändler in Leipzig.
  7. La connoissance des temps, ou calendrier et éphémérides du lever et du coucher du Soleil, de la Lune, et des autres Planètes. Les vrais lieux de ces planètes tant en longitude qu'en latitude. Plusieurs autres tables d'astronomie. Calculées pour Paris et pour l'année 1700, avec la manière de s'en servir aux autres élévations, Graphik zu S. 74.
  8. Hevelius, Johannes (1611-1687): Selenographia: Sive, Lunae Descriptio. Danzig: Hünefeld 1647.
  9. pitschafft: Stempelsiegel.
  10. Pedro Nunes, latinisiert Petrus Nonius (1502-1578) war ein portugiesischer Mathematiker und Astronom. Auf ihn geht eine bewegliche Längenskala zurück, mit deren Hilfe die Ablesegenauigkeit für Längen und Winkel gesteigert werden kann.
  11. John Flamsteed (1646-1719) war Direktor der Sternwarte in Greenwich.
  12. Zu Gottfried Kirch (1639-1710) siehe
    • Herbst, Klaus-Dieter: Gottfried Kirch. Astronom, Kalendermacher, Pietist, Frühaufklärer. Jena: HDK 2022

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