Briefwechsel Johann Philipp von Wurzelbau


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Wurzelbau, Johann Philipp (1651-1725)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum März 1718[1]
Signatur UB Basel: L Ia 730: Bl. 19r-20v, 22r
Transkription Hans Gaab, Fürth

WohlEdel Hochgelahrter
HochgeEhrter Herr Kirch

Sowohlen dero liebwerthes von 9 Octobr: vorigen Jahres samt beÿgefügten schönen observatis, als auch das jüngste von 25 Januarii sind beede richtig eingelanget:[2] Nur bedaure die sonderbare mühe und fleiß, welche Sie auf die communicirte Schemata macularium Solarium gewendet. Ich lasse keinen heitern Tag vorbeÿ gehen, daß ich nicht die Sonne durchschauen und was darinne anZutreffen, notiren sollte,[3] habe auch diese 2 Jahre über beÿ so continuirlicher frequentia macularum für was remarquables erachtet, wenn ich die Sonne rein angetroffen habe, als da waren folgende Tage: A:° 1716. Januar: 16 Febr. 11. 19. April 29 Maji 28. Junii 15. 18. 19. Julii 22. 30. 31. Aug. 10. 11. 16 Sept: 9. 10. Octobr: 19. 20. 31. Novembr: 13. 17. 18. Decbr: 13. 17 20. 21. 22-24. 26. 1717. Jan: 3. 12. 14. 15 et seqq: Febr. 23. 25. Mart: 5. 9. 10. Junii. 24. 25. 27. 28. 30. Jul: 3. 4. 14. 25 --- 31. Aug. 7. Sept: 2. 20. Oct: 3. 28. 1718 Jan. 7. 24----31 Febr: 1. 2.

Daß die aus denen maculis zu erholende deductiones gyrationum corporis Solaris, veriorque inclina-

[Bl. 19v]
tio Aequatoris et reliquorum hactenus nondum satis exploratorum[4] nicht sonderbaren Nuzen geben sollte, ist gar nicht in Zweiffel zu ziehen: Ob aber der apparatus instrumentorum Scheineri[5] auf alle momenta die positiones requisitas sonderlich den angulum ecliptici et Verticalis mit solcher accuratesse als hierzu erfordert wird, zu determiniren sufficient seÿen, stehet dahin. Jedoch wird MHHerrn dexteritet[6] die obstacula durch unermüdeten fleiß wohl zu überwinden wissen, worzu ich von Herzen gratulire, tendis in ardua Virtus, ipsique nulla via est inviam.[7] Belangend die durch Monsieur Rost übersandte meine observation Eclipseos Lunae horizontalis, kan dessen vorderstem momento, noch folgendes: dum centrum Solis è regione adhuc in altitudine circ. 12' min: super aedificiae Urbis prominuit. inserirt werden.[8]   Der Hochlöblichen Societet, in specie Herrn Rath Jablonsky[9] (dessen völlige reconvalescenz ich von Herzen wünsche) bitte mich und meiner schwache conatus[10] ferner bester massen zu recommendiren. Von der communication des am 18. Januarii jüngsthin erstmal observirten kleinen cometen sind wir alhier sonderlich obligirt; ich hatte

[Bl. 20r]
sobald abends am 31:sten ejusdem, als ich MHHerrn liebwerthes schreiben erhalten, nicht alleine das eingeschlossene an die HHl Endterischen[11] einliefern lassen, sondern auch, weilen damahlen gar heiterer Himmel war an Mons.r Rost die Nachricht vom Cometen und dessen bis 24 ejusd: gehaltene route communicirt, welcher auch, so wohl als ich, selbige Nacht, darnach sich umbgesehen, wir haben aber, unerachtet dessen trajectorie nach anZeige der ersten Täge ultra pedes Andromedae et triangulum versus caput Arietis etwan hatte reichen sollen, ich auch dieses leztere, diese und folgende Nächte beÿ anhaltendem hellen Wetter, und die vermuthliche Gegend umbher fleißig durchsuchet, nichtes davon erblicken können.[12] Es mag aber der in der Nähe sehr hell umb sich leuchtende splendor Veneris das corpusculum Cometae unscheinbar gemacht, oder selbiges nach anzeigung des erfolgten motus tardioris und abnehmenden diametri sich indessen so ferne elongirt haben, daß beÿ uns von dessen reliquiis nichts mehr zu observiren gewesen, so wird auch forthin beÿ nunmehr herannahenden Mond Liecht fernere Nachsuchung vergeblich seÿn; er müste denn etwan, gleich dem

[Bl. 20v]
A.° 1680 künfftig an einem andern ort vielleicht über oder beÿ der Ecliptic widerumb hervorkommen und Herrn Bernoulli prognosticon anticipiren,[13] welches die Zeit wird lehren.   Ich verbleibe nebst Ehrendienstl. Begrüßung an die Fr. Mutter und Göttlicher Gnaden empfehlung.

Februar:
1718.

PS: Alß obiges zum Schluß parat ware, erinnerten wir uns, wie künfftig Monat Martis so wohlen der Novilunium als Plenilunium mit ihren eclipsibus observationes und folgends deren communication würde anheim geben können. Worvon das erste zwar in so fern gerathen, daß wir durch und zwischen dem Gewölcke einige phases notiren, sonderlich aber das Ende genau bemercken, und, wie aus beÿliegendem zu sehen, etlicher massen beschreiben können. Zum andern aber will das anhaltend trübe und fortwehrend stürmische wetter keine Hoffnung machen lassen. Ich verbleibe als Obvermeldt.

Meines Hochgeehrten Herrn

Nürnberg
  Martii 1718

Dienstergebener
JPWurzelbau

[Bl. 22r]

Eclipsis solaris orientis
Norinberga observata
Anno 1718. d. 2 Martii, horis matutinis[14]

Dies eclipsin istam antecendentes plerique procellosi, nive pluviisque obscuri, et inconstans anni tempestas spem observandae illius ferè praeciderunt, valetudo etiam haud satis commoda, apparatum requisitum ut adornarem tantum non inhibuit. Non equidem et horae antelucanus ab australi plaga serenitatem optatam polliceri videbantur, Horizonte ibidem utrinque repurgato, inter 78 et 79 gr: azimuthalis tamen, ex quibus Solis ortum praestolabamur, nubibus aeris obsesso. Oscillatorii (quod non tantum meridie subsequenti sed etiam postridiano per culminationes Solis uno min: primo tardiùs incedere comperimus, ideoque momenta haec annotata in tantum adaugendo correximus) hora VI. m. 29 trans oblongarum nubium furvarum splendore croceo fimbriatas fissuras, Solis propediem exorituri indicia se exerebam

H. VI. m. 33.  0. Solis oriri incipientis signum campanis turrium publicè datur
    . 35. 50. Nobis limbus superior trans et inter nubes praerumpens, interveniente Luna jam nonnihil temeratus, super acclivitatem colis Lapicîdinarum australem ulteriorisque ibi in 55.' horizontem supereminentes celsitates in azim: 78.o 4.' à Mer: in Ort: exoritur.
    . 42. 30. Postquam discus Solis ellipseos instar deformatus paulatim è nubibus emerserat, tubo objecta invertente, quantum ex peripheriis luminarium inter vapores asperatim apparentibus conjicere dabatur, hunc à Luna ultra digitum infernè ferè verticaliter obsessum deprehendimus, Phasinque I.mem in diametro verticali vi refractionis contracta notaviumus. Posthac Lunae discus acer luminosum Solis sensum intravit ampliùs et versùs dextram in tubo sursum (reverâ versùs sinistram dorsum) magis magisque processit, et phases inde formatus quomodo cunque et prout in discis quasi ellipticis continue variabilibus et paulatim rotunditati restutiendis, conjecturà asequi dabatur, delineavimus, inque Schema rotundum, haud equidem ad diametrum pristinae ellipseos imperfecta horizontalem, sed pro confirmatione parallela, vertivalem contractiorem descriptum transtulimus, momentis conjunctas istis correctis.
  . 48. -- Phasis II
  . 52. -- .
III
  . 59. -- .
IV
H. VII .  6. 30 .
V
  . 10. 30 .
VI
  . 20. -- .
VII
  . 25. -- .
VIII
  . 30. -- .
IX
  . 39. 45 .
X
  . 43. -- .
XI
  . 48. 45 .
XII
H VIII .  1. 40 .
XIII
  .  8. 48 . Finis
Circa h. VI min: 25 et 30 phases inter octavam et nonam, Luna quadrantis è disco Solari inferioris (in tubo) dextera, partem occupavit potiorem, ejusdemque umbo tertium, non sine mora, attigit digitum et cornu eclipseos superius versùs diametrum horizontalem adscendit, hanc t&nmacr;, neque etiam maculum, haud procul infra istam distantam, &egrace; quatuor tum temporis in Sole praesentibus, debiliorem assecurum. Peripheriae Lunaris sensibiliter minorem arguebat. Post h. VII m. 40 discus Lunae ater, ejusque cornu eclipticum à diametro Solis horizontali paulatim recessit, phasesque imminuebantur, tandemque h. VIII, m. 8. s. 48. circa tertiam quadrantis ab horizontali diametro partem è disco Solis luminoso se planè subduxerat.

Fussnoten

  1. Seinem Brief vom 19. März 1718 an Kirch legte Johann Leonhard Rost diesen Brief von Wurzelbau bei. Er stammt also von Mitte März 1718
  2. Die beiden Briefe von Kirch sind nicht überliefert.
  3. Zum Thema Sonnenflecken vgl. auch den Brief von Wurzelbau an Maria Margaretha Kirch vom 10. Juni 1713.
  4. Auffindung der Rotationsperiode des Sonnenkörpers, und seiner tatsächlichen Neigung gegenüber dem Äquator sowie weitere bislang nicht genügend erforschter Dinge.
  5. Christoph Scheiner (1573-1650) war u.a. für seine Erforschung der Sonnenflecken bekannt.
  6. Dexterität: Gewandtheit.
  7. Der Tugendsame stellt sich den Schwierigkeiten und kein Weg ist ihm unwegsam.
  8. Der Brief von Rost an Kirch vom 8. Oktober 1717 enthält u.a. Wurzelbaus Beobachtung der Mondfinsternis vom 20. September 1717.
  9. Johann Theodor Jablonski (1654-1731) war von 1700 bis zu seinem Tod beständiger Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
  10. conatus: Versuch.
  11. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  12. Rost erwähnt diesen Kometen nur kurz in seinem Brief vom 26. April 1721 an Kirch.
  13. Jacob I. Bernoulli (1654-1705) hatte das Wiederauftauchen des Kometen von 1680 für 1719 angeküdigt, wovon allerdings nichts zu bemerken war.
  14. Diese Beobachtungen legte Rost auch seinem Brief an Kirch vom 19. März 1718 bei.


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