Briefwechsel Johann Leonhard Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Leonhard (1688-1727)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 19. März 1718
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 39r-v
Zustand Der Brief ist am rechten oberen Rand leicht eingeschlagen, so dass einige Buchstaben nicht lesbar sind. Sie wurden sinngemäß ergänzt.
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelahrter
  Hochgeehrtester Herr.

Daß Ew. HochEdl. mein vom 26 Januarii abgelaßenes Schreiben, richtig überliefert worden, daran trage gar keinen Zweifel: und habe ich bißhero mit nicht geringer Sehnsucht, auf einige Antworte zimlich gewartet; inmaßen wegen der verlangten materiae sehr gerne instruiret seyn möchte, weil sie meinem unter der Preße liegenden Astronomischen Tractat,[1] einverleibet werden soll. Ich will demnach dienstl. gebetten haben, wenn Sie sich anderß von Ihren nothwendigen Affairen, so viel Zeit abbrechen können, mir je eher je lieber, weil der Druck starck avanciret, hochgeneigt damit an die Hand zu gehen; welches ich mit allen ersinnlichen Gegengefälligkeiten zu erwiedern niemalen ermangeln will. Beykommenden Brief, hat mir der Herr von Wurzelbau an Ew. HochEdl. einzuschließen, zugeschicket.[2] Ich weis nicht, ob die observation der jüngsten Sonnenfinsternis darinnen enthalten, deßwegen ich sie auf allen fall beygeleget.[3] Wenn Sie Ew. HochEdl. nebst Herrn Wagnern auch observiret: so will mir nicht nur deren communication, sondern auch die Erlaubniß ausbitten, daß ich sie von dem Herrn Auctore der gelehrten Zeitungen, in den novis literariis, publiciren laßen darf.[4] Er hat deßwegen neulich an mich geschrieben, und lässet an Ew. HochEdl. durch mich sein Compliment machen, weil ich so frey gewesen, daß ich Ihre an den Herrn von Wurzelbau addreßierte observationes cometicas, mit der Versicherung darzu hergegeben, daß deren völlige Ausarbeitung, nächstens nachfolgen solle.[5] An Ew. HochEdl. Genehmhaltung und Einwilligung, zweifele um so viel weniger, weil sie mir auch der Herr von Wurzelbau zugestanden: und weil der Herr Auctor, nichts anders damit suchet, als den Ausländern zu zeigen, daß in Teutschland auch noch brave Leute vorhanden, welche sich der Astronomie, cum successu, annehmen: dahero er alle Arten der observationen zu publiciren, Verlangen träget. Sonsten muß Ew. HochEdl melden, daß den 29 Januarii, mein Bruder, welcher auch ein Liebhaber der Astronomie, und der ErbPrintzeßin von Toscana Leib Medicus, in dero Residenz in Reichstadt in Böhmen,[6] etliche Meilen von Prag gelegen, Nachts um 10 Uhr, einen Nord-Schein, oder ein außerordentliches helles Licht, von Nord West biß Nord Ost, ohngefehr 8 bis 10 Sonnenbreiten hoch, über dem Horizont gesehen.[7] Er hat mir aber der Zeit, noch keine ausführliche Relation davon überschrieben. So bald sie einläufft, will ich part davon geben, und vielleicht, die von dem Herrn P. Müller in Altdorf und von Herrn M. Gauppen erwartende observation der Sonnenfinsterniß beylegen, wenn sie anderß, an beyden orthen, gesehen worden.[8]

[Bl. 39v]
Mein Bruder, hat zu gedachter Reichstadt die obscurationem maximam um 7.H 36.' 0'' das Ende um 8.H 34.' 0'' und die quantitatem seu magnitudinem 2⅙ digg. observiret. Wie inmittelst, aus hiesiger observation erhellet, ist sie von dem calculo nach Rudolphinischen[9] und de la Hirischen Tabellen,[10] um ein merckliches abgewichen: und wundere ich mich nicht wenig, warum Dero Calculus vom Calculo D.n Gauppii quoad finem um ½ Viertel Stunde differiret;[11] da er doch einerley Tabellen, zum Grunde hat. Die Größe war hier eher mehr als weniger 3 Zoll, und ist Schade, daß man sie nicht accurater determiniren können. Die Mittwochige ☽Finsterniß[12] ist von den Wolcken bedeckt worden, sonst würde ich sie, wie die Sonnenfinsterniß, dem Hl von Wurzelbau haben observiren helfen. An den Herrn Wagner, bitte bey Gelegenheit, meine gehorsamste Empfehlung zu machen. Ich war willens, dieses mal auch an Ihn zu schreiben: allein da ich eben die Feder anzusetzen verlangte, wurde ich an solcher angenehmen Beschäftigung verhindert: dahero es nolens volens, biß auf ein andermal verspahren mus. Schließlich wiederhole meine obige Bitte, und verpflichte mich, daß ich zu Vollziehung Dero wehrtesten Befehle, mit aller bereitwilligkeit, aus aufrichtigem Hertzen verharre

  Ew. HochEdl.

  Nürnberg
d 19 Martii A.o 1718.

gehorsamst verbundenster
diener  

Johann Leonhard Rost.

Beilage
Wurzelbaus Beobachtungen der Sonnenfinsternis vom 2. März 1718


Fußnoten

  1. Rosts Handbuch kam 1718 bei Peter Conrad Monath in Nürnberg heraus.
  2. Brief von Wurzelbau an Kirch vom März 1718.
  3. Es handelt sich um die Sonnenfinsternis vom 2. März 1718. Wurzelbau hat seine Beobachtungen seinem Brief an Kirch vom März 1718 beigelegt. Die Beschreibung von Rost (Bl. 40r-v) ist eine handschriftlich Kopie davon. In gedruckter Form findet sie sich in den Memoires der Französischen Akademie in Paris für das Jahr 1718, S. 55f. In den Bänden der Berliner Akademie ist sie nicht zu finden. Doch vgl. die folgende Fußnote.
  4. Der Leipziger Historiker Johann Gottlieb Kraus (1684-1736) gründete 1715 mit den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen die erste deutschsprachige wissenschaftliche Zeitschrift. Parallel dazu publizierte er von 1718 bis 1723 die Nova litteraria in Supplementum Acta Eruditorum. Rost veröffentlicht darin im April 1718 die Beobachtungen Wurzelbaus zur Sonnenfinsternis vom 2. März 1718 (S. 75-79).
  5. Kirchs Kometenbeobachtung findet sich in den Nova litteraria in Supplementum Acta Eruditorum, Februar 1718, S. 43f.
  6. Reichstadt in Böhmen ist das heutige Zákupy im Norden der tschechischen Republik, etwas südöstlich von Zittau gelegen.
  7. Vgl. den folgenden Brief vom 29. April 1718.
  8. In den folgenden Briefen finden sich keine entsprechenden Beilagen. Die Beobachtungen Müllers sind jedoch abgedruckt in den Nova litteraria in Supplementum Acta Eruditorum, 1718. S. 80. Von Gaupp sind keine diesbezüglichen Beobachtungen bekannt.
  9. Kepler, Johannes (1571-1630) Tabulae Rudolphinae. Frankfurt a.M. et al. 1629; zahlreiche Neuauflagen.
  10. De la Hire, Philippe (1640-1718): Tabulae astronomicae. Paris: Boudot 1702
  11. Vgl.: Gaupp, Johannes: Ephemeris Motuum Coelestium. Secunda, tertia, & quarta. Ad Annos a Nativitate D.N.J.C. 1718. 1719. 1720. Augsburg: Caspar Brechenmacher 1718, Bl. D1r-2r [SB Regensburg]. Das Ende der Sonnenfinsternis in Nürnberg gab Gaupp mit 8.21 Uhr an.
  12. Am Mittwoch, den 16. März 1718 gab es eine partielle Mondfinsternis.