Briefwechsel Johann Leonhard Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Leonhard (1688-1727)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 1. Februar 1723
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 94r-95v
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelahrter Herr
  Hochgeehrtester Herr
   Hochgeschätzter Gönner.

Ich zweifele nicht daran, daß Ew. HochEdl. mein zu Ende des vorigen Jahres abgelassenes Schreiben, samt dem gebundenen Exemplar meiner Institutionum Astronomicarum,[1] durch Hl Rath Jablonski,[2] nunmehro werden zu Handen kommen seyn. Ich habe indeßen verwichenen 23 Jan. auch Ew. HochEdl. höchst werthe Zeilen richtig empfangen, und daraus mit ziemlichen Mißvergnügen vernommen, daß ein so berühmter u. gelahrter Mann, als Hl P. Hermann[3] ist, dem A.o 1700 promanirten Reichs Concluso, mit seiner Meinung von Celebrirung des protestantischen Oster Fests, zu nahe tretten will. Das beste ist, daß es nicht auf dieses Mannes Urtheil allein ankömmt, und daß, so viel mir wißend, die mehrsten Stimmen auf Beybehaltung des astronomischen Calculi, ausfallen dürften. Was den Vor=

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schlag Hl. M. Gauppens betrift, ist mir nicht bekand, daß er dahin ziele, wie man bey den Gregorianern bleiben könte. Er hat wol in dem gedruckten Bericht an den Magistrat zu Lindau, seine Gedancken von dieser Oster Differenz gründlich u: weitläuftig eröfnet:[4] aber in Seinem vom 26 hujus an mich ergangenen Briefe, meldt er nichts von einem vorgeschlagenen Zutritt; sondern er braucht expresse die Worte: Schade wäre es, wenn man den Verbeßerten Calender so bald wieder verlaßen und den Gregorianischen annehmen müste. Mit einem Worte, es muß etwan ein Mißverstand mit dieses Mannes Vortrage vorgegangen seyn, weil ich nur gar zu wol weis, wie sehr er die Astronomische Ostern vertheidiget. Was von den Protestanten bey der Einführung ihres Calenders versehen worden, das ist ihnen freylich nicht gut zu sprechen, aber auch itzt nicht zu ändern: sondern dafür zu wünschen, daß sie itzt aufmerksamer seyn und die Sache gründlicher untersuchen möchten. Ich warte recht mit Schmertzen auf ein Conclusum, wünschte jedoch vorher nichts mehrers, als daß unter denen, welchen die Sache zu decidiren übergeben wird, einer oder der andere seyn möchte, der von der Beschaffenheit der Materie, eine hinlängliche Erkäntniß hatte; so wäre ich alsdenn versichert, daß wir an einem billichen u: rühmlichen Entschluß nicht zu zweifeln hätten. Was Ew. HochEdl. hier nächst an die

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Hhl. Endter[5] geschrieben, das haben sie mir communiciret; darauf ich Ihnen von dem, was Ew. HochEdl. begehret, biß auf das Pretzburgische Scriptum notiz ertheilet, um selbiges bey Handen schaffen zu können, welches auch vielleicht dißmal oder doch nächstens geschehen dürfte. Daß die letzte Eclipsis Solis et lunae,[6] hier nicht observiret worden, das habe, ni fallor,[7] schon neulich berichtet. Ein gleiches ist von der ☌ magna[8] zu verstehen: doch ist es gut, daß Ew. HochEdl. sie noch einiger maßen observiren können; die Verfertigung der Charte von Persien, ist gewißlich eine rühmliche Arbeit, und wünsche ich selbige bald in Kupfer zu sehen. Wenn Ew. HochEdl. selbigen hiesigem Geographo Homann verhandeln wollen, dürfte er sie wol annehmen, darüber Sie allenfalls durch ein paar Zeilen, Nachricht einholen können. Neulich habe ich eine Charte unter folgenden Titul gesehen: Carte marine de la Mer Caspiene levee suivant les ordres de S. M. Czariene par M. Carl Vanverden[9] en 1719. 1720 et 1721. et reduite au Meridien de Paris Guillaume Delisle premier Geographe du Roy de l'Academie Royale des Sciences. A Paris chez le Sr. Delisle, Quay de l'horologe. Avec privilege de Roy. Sie bestehet aus 2 Charten in folio, und dürfte Ew. HochEdl. nicht unangenehm seyn, wenn Sie solche sehen würden. Ich habe wol auch das Original dieser Charte gesehen, wie es Hl Homann aus Moscau überschickt worden, u:

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wie er es in Kupfer stechen laßen, aber die vorige ist schöner u: vollständiger. Endlich statt ich schuldigen Danck, vor die überschickten observationes ab, die ich hier mit einigen andern, wiewol nicht von hiesigen Orte ersetzen will, wie sie von einem Jesuiten aus Ingolstadt[10] eingelaufen. Zu Bononien arbeitet man würcklich an der Erbauung eines Observatorii,[11] welches schon zimlich avanciret. Es ist auch allda die Continuation der Ephemeridem Manfredi biß 1750 unter handen,[12] woran verschiedene Studiosi arbeiten solten, und sollen sie aber so, wie die vorhergehenden beschaffen seyn.[13] Im übrigen wünsche ich bald Nachricht zu kriegen, ob meine Dedication, bey der Hochlöbl. Societaet nicht mißfällig aufgenommen worden; darneben an Ew. HochEdl. ich von dem Hl von Wurzelbau, eine ergebenste Begrüßung auszurichten habe: der ich meines Ortes Lebenslang mit aller Aufrichtigkeit beharrre

Ew. HochEdl.

Nürnberg.
d 1 Febr. 1723.

verbundenster und gantz
ergebenster diener.  

Johann Leonhard Rost.


Fußnoten

  1. Atlas portatilis coelestis. Nürnberg: Johann Christoph Weigel 1723.
  2. Johann Theodor Jablonski (1654-1731) war der beständige Sekretär der Akademie.
  3. Der Schweizer Mathematiker Jakob Hermann (1678-1733) lehrte damals an der Universität in Frankfurt an der Oder. Eine Stellungnahme zum Osterfest 1724 ist von ihm nicht bekannt.
  4. Gaupp, Johannes: Ausführliche Relation an Einen Hoch Ed. Magistrat des H. Reichs Stadt Lindau von der Oster-Differenz des verbesserten und Greg. Calenders. Regensburg: Peetz 1722.
  5. Die Endter waren eine bekannte Buchhändlerfamilie in Nürnberg.
  6. Am 8. Dezember 1722 gab es eine partielle Sonnenfinsternis, in der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember eine partielle Mondfinsternis. Vgl. Rosts Brief an Kirch vom 21. Dezember 1722.
  7. ni fallor: wenn ich mich nicht täusche.
  8. Am 5. Januar 1723 hatten Jupiter und Saturn einen Abstand von weniger als einem Grad voneinander.
  9. Der niederländische Kartograph und Segler Carl van Verden (?-1721) kartographierte 1719 bis 1721 im Auftrag des Zaren das kaspische Meer. Seine Karte wurde u.a. an die Französische Akademie der Wissenschaften geschickt. Guillaume Delisle fertigte daraufhin eine neue Karte des Kaspischen Meeres an, wobei er die neue Form des Meeres auch mit älteren Formen verglich. Ein Bericht darüber findet sich in den Histoires der Französischen Akademie von 1721 (erschienen 1723), S. 245-254, mit drei Karten als Anhang.
  10. Hier kann nur Nicasius Grammaticus (1684-1736) gemeint sein. Für die Beilagen vgl. den folgenden Brief vom 30. März 1723 sowie die dortige Anmerkung.
  11. Dieser Sternwartenturm wurde bereits 1713 vom Architekten Giuseppe Torri (1655- ca. 1713) begonnen, wegen dessen Tod aber erst 1726 vollendet. Die fachliche Leitung hatte Eustachio Manfredi (1674-1739).
  12. Manfredi, Eustachio: Novissimae ephemerides motuum coelestium: e Cassinianis tabulis ad meridianum Bononiae supputatae. Bologna: Pisarrus 1725.
  13. Im Brief vom 25. Juli 1722 berichtete Rost, er habe gehört, dass Manfredi seine Einleitung zu seinen Ephemeriden in italienischer Sprache herausbringen wolle. Dabei betonte er aber, dass er diese Information aus einer unsicheren Quelle habe.