Briefwechsel Johann Leonhard Rost
Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
Autor | Rost, Johann Leonhard (1688-1727) |
Empfänger | Kirch, Christfried (1694-1740) |
Ort | Nürnberg |
Datum | 21. Dezember 1722 |
Signatur | UB Basel: L Ia 720, Bl. 87r-v, 93r |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
HochEdler und Hochgelahrter,
Hochgeehrtester Herr,
und Hochgeschätzter Herr.
Unter hertzlicher Anwünschung beständiger Gesundheit, langen Lebens und alles übrigen unveränderlichen Wolergehens zum neuen Jahr, statte ich zugleich meine gebührende Dancksagung vor die Bemühung ab, die Ew. HochEdl. so wol aus der Nachricht wegen der Titulatur,[1] als auch wegen des Unterrichtes von dem Calculo ortus et occasus Planetarum,[2] zu gewachsen ist: Indem aber beÿ dem letzten noch die Instruction de mora apparationis[3] mangelt: als bitte inständig beÿ Gelegenheit, mir dieselbe ebenfals gütigst mit zutheilen. Das erste betreffend, so habe ich beÿ der Dedication die Titulatur so eingerichtet, wie ich vermeine, daß sie zur Noth passiren solle; und wenn allen falls etwas dabeÿ geahndet werden solte, so geruhen Ew. HochEdl. mir Dero Entschuldigung angedeihen zu laßen. Unterdeßen wird Herr Jablonsky[4] Ihnen ein Exemplar meiner Anfangsgründe zur wahren Astronomie[5] behändigen, welches Sie geneigt annehmen, und Dero unpartheÿische Gedancken, darüber eröfnen wollen. Ich bin versichert, daß Sie hierinnen aufrichtiger gegen mich handeln, als hiesiges ortes jemand ich weis nicht aus Neid oder aus Mißgunst getahn, und so gar getrachtet hat, wegen des
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darüber gefällten passionierten Urtheils, die Dedication an die Hochlobl. Societaet
zu hintertreiben, damit etwan nicht ein favorables Judicium vor mich
von dar aus ruchbar wird. Eben dieses ist die wahre Ursache, warum ich
meine Dedication dahin gerichtet, damit nehmlich erhellen möchte, was meine
Arbeit vor einen Wehrt habe, und ob meine gut gemeinte Intention zu loben
oder zu tadeln seÿ. Finde ich in Berlin beÿ einem so vornehmen u: höchst
verständigen Collegio approbation, so kehre ich mich um das hiesige Geschwätze
gar nicht; als welches mich nur zu desto größeren fleiß aufmuntern soll.
Weil Ew. HochEdl. hiernächst in dero wehrtesten Schreiben gedacht, wie Sie gerne
die Bononische Observation der letzten Mondfinsterniß haben möchte, so folget
hierbeÿ die Abschrift davon nach dem gedruckten Exemplar, wie es der
Hl von Wurzelbau, von Hl
Manfredi[6] empfangen hat. Die jüngste Eclipsis
Solis,[7] konte hier nicht observiret werden, weil der Himmel
anfänglich getrübt
war und hernach die Sonne gar völlig darhinter versteckt blieb. Ich werde schwerlich
irren, wenn ich spreche, daß sie mercklich früher angefangen haben müste als
sie die Rechnung gegeben hat: Man hätte zwar wohl einige Phases notiren können,
aber der Hl von Wurzelbau wird täglich in dergleichen dingen verdrüßlicher,
und mochte keine gehörigen Anstalten darzu machen; welches ohnfehlbar auch
beÿ bevorstehender Eclipsi Lunari[8] geschehen wird. Mit der reparation des
hiesigen observatorio vel quasi[9], hat es auch wieder Stillstand, weil derjenige
so es tuhn könte, solte u: dürfte, aus politischen Ursachen, die Sache nicht
ernstlich treiben mag. Kurtz um, es siehet hiesiges ortes, um die Beförderung der
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Astronomie schlimm aus. Die Oster Differenz betreffend, so liegen einige
eingeholte Bedencken von Hl Doct. Beyer u:
Professor Müller in Altdorf, Herr P.
Doppelmayr u: Hl von Wurzelbau (den man ex
petulantia[10] einen Landsmann
tituliret) und ein Schreiben des Hl Gauppen an den Magistrat zu
Lindau, nebst meiner Vorstellung an hiesigen Rath, und deßen Schreiben an
den Regenspurger Magistrat, zu gedachtem Regensburg im Druck.[11] Es
wird doch verhoffentlich nun bald ein Conclusum ergehen müssen, wie man
sich darinnen zu verhalten habe. Wie ich besorge, möchte man sich wol mit den
Gregorianern vereinigen, welches aber meines Erachtens, dem Evangelischen
Corpori höchst nachtheilig. Ich hätte zwar noch vieles zu schreiben, allein
weil ich Mandatario nomie beÿ einer Erbschafts Sache seÿn muß,
so wird mir die Zeit zu kurtz, u: mus ich das übrige, biß auf
ein andermal versparen. Das einige bitte ich nur Ew. HochEdl. wollen
der weitern Beförderung von den Stahlischen Pillen eingedenck verbleiben
und mir so viel überschicken, als Sie deren bekommen könen. Ich werde
so gleich die gebührende Bezahlung dafür tuhn, und in andern
Angelegenheiten hiewider bezeugen, daß ich warhaftig bin
Ew. HochEdl.
Nürnberg.
d. 21. Decemb. 1722.
ergebenster u: verbun=
denster diener.
Joh. Leonhard Rost.
Beilage
Beobachtungen der Mondfinsternis vom 28. Juni 1722 aus Bologna
Fußnoten
- ↑ Vgl. den Brief von Rost an Kirch vom 20. April 1722.
- ↑ Calculo ortus et occasus Planetarum: Die Berechnung des Auf- und Untergangs der Planeten.
- ↑ mora apperationis: die Dauer der Erscheinung.
- ↑ Johann Theodor Jablonski (1654-1731) war von 1700 bis zu seinem Tod beständiger Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
- ↑ Atlas portatilis coelestis. Nürnberg: Johann Christoph Weigel 1723.
- ↑ Eustachio Manfredi (1674-1739) war Astronom in Bologna.
- ↑ Am 8. Dezember 1722 gab es eine partielle Sonnenfinsternis.
- ↑ In der Nacht vom 21. auf den 22. Dezember gab es eine partielle Mondfinsternis.
- ↑ "vel quasi": hier: alles, was damit zusammenhängt.
- ↑ aus Leichtfertigkeit.
- ↑ Die / wegen der Oster=Feyer Anno 1724. und deshalb benöthigten Calender=Einrichtung /
vorgewaltet und erörtete Dispute vorstellend. In: Europäische Staats-Cantzley 41 (1723),
S. 624-663. Hier finden u.a.
sich die Stellungnahmen von Rost, Bayer und Müller, Doppelmayr sowie von Wurzelbau. Nicht enthalten ist Gaupps Stellungnahme, die
gesondert gedruckt wurde:
Gaupp, Johannes: Ausführliche Relation an Einen Hoch Ed. Magistrat des H. Reichs Stadt Lindau von der Oster-Differenz des verbesserten und Greg. Calenders. Regensburg: Peetz 1722 [Staatsarchiv Zürich: Archivabt.: B VIII 368]