Briefwechsel Johann Carl Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Carl (1690-1731)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 19. Dezember 1729
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 159r-160v
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelahrter,
   Hochgeehrtester Herr,
     Hochgeschätzter Gönner.

Ew. HochEdl. angenehmste ordre, zu umständlicher Erkundigung wegen der in den teutschen Leipziger Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen 1729 n. 59. pag. 537 aus Crailsheim vorgetragenen bisher desiderirten Ausarbeitung hyperbolischer und parabolischer Perspectiv Gläser, würde schon ehiger in schuldigster observanz vollzogen haben, wo ich Gelegenheit hätte erlangen können solches zu bewerkstelligen: anerwogen hier niemand davon wissen wollen, der ort auch geringe ist, und wenig dahin zu beschicken vorfället, bis ich endlich doch Mittel gefunden, dem Autori, Herrn Mag. Mercklein,[1] deshalben selbst zu schreiben, und nur vor wenigen Tagen erst folgendes seiner eigenen Worte dargegen erhalten:
"Ich halte der mahlen diese Invention noch so rar, daß dieselbe um gewißen Preiß stückweiß zu verkauffen, um gewißer Ursachen willen anstandt nehme. So bald dasjenige, wohin meine Intention damit gehet, werde verrichet haben, so bald werde auch erbiethig seyn, jedem Liebhaber dieser optischen Curiositaet eine fabricam davon zu communiciren. Wer ein Mathematicus ist, wird allein aus dem Wort Kegelschnitt schon genug abnehmen können was für eine bißhero vor unmöglich gehaltene und gleichwohlen

[Bl. 159v]
die erstaunlichste Effectus demonstrative praestirende Art derer Lentium dieses sey. Hiervon ist unnöthig etwas zu melden, nur dieses zu bitten, daß mir niemand verdencken soll, wenn mit solchem Invento annoch zurückhalte, was deßen communication anbelangt, ob gleich billig daselbe dem orbi literaria in denen gelehrten Zeitungen communicirt habe, zu zeigen daß möglich sey, was bishero bey allen opticis zusammen nicht gut möglich können gemacht werden."
Es stehet demnach zu erwarten, wie mit dieses Mannes Intention sich noch hin aus erstrecken wird. Der Himmel lasse ihn so lange leben, daß man sothaner Erfindung theilhaft werden möge, welche mir und andern privatis sonderbar vortheilhaftig hieße, die wir aus unsern fenstern und dach=löchern mittelmäßig lange Tubos kümmerlich gebrauchen, noch größere selten oder gar nicht ansetzen können, wo wirs am meisten suchten. Lieb war es mir daß bey der neulichen Mond Finsternis[2] und der Bedeckung der Veneris vom Mond bey tage,[3] noch so ziemlich damit zu rechte zu kommen gewesen, die ich beyde nach Möglichkeit obervirt, und Ew. HochEdl. gegenwärtig damit aufzuwarten mir die freyheit nehme.[4] Ich vermeinte der Witterungen dabey nicht gantz zu vergessen, weil solche doch den statum aeris bey dergleichen Vorhaben genauer entdeken, der den observatis doch vielleicht manchmahl einige Änderung zu verursachen pflegt. Daß künftige Oster Meße von den Miscellaneis ein neuer Tomus ans Licht treten soll, wird dem publico erfreulich seyn: und hätte ich mich allerdings sehr glückselig zu achten, wo ich zu dergleichen

[Bl. 160r]
preißlichen Wercke etwas bey zu tragen vermögend wäre;[5] wozu mich aber ja nicht würdig erkenne, da der Platz mit andren weit tüchtigeren Materien zu besetzen seyn dürfte. Zu dem, so habe ich auch, ausser den dißmahligen zwo observationen, nichts im Vorrathe, womit ich mein verpflichtetes opffer nachdrücklicher dazu abstatten könnte. Erachten jedoch, nebst dem Hochlöbl. Directorio, Ew. HochEdl. dieses wenige hiezu tauglich: so haben sie frey darüber zu disponiren, ich meines geringfügigen Ortes aber, mir eine ausser ordentliche Grace und unverdiente Ehre daraus zu machen. Ich habe zwar neulichst den 5ten Nov. die Occultationen Plejadum vom Mond auch gesehen, selbige aber wegen meiner andern überhäufften Geschäfte, und nicht selten dazwischen recendsierenden[?] hypochondriacalischen Kräncklichkeit nicht noch in gehörige ordnung bringen können. Solten inmittelst Ew. HochEdl. vor genehm erachten, solche observation noch anzuhängen, so werde trachten, sie mit Gottes Hülffe ehestens nach zusenden. Von den vormahligen Casibus, habe, nebst etlichen medicis, die beyden Occultationes Reguli vom Monde und die Conjunctionen Saturni und Lunae A. 1728; wie nicht minder die heurige erste Eclipsin totalem Lunae, und die Seriem der Eclipsationen Satellitum Jovis von an. 1728 bis 1729 den 14 April (sonst kriegte ich diese Zeit keine zu Gesicht) zu dem auch künftige Oster=Meße zu hoffenden II Tomo der Actor. Caesar. Leopoldino-Carolin. Nat. Curios. dargeben müssen, weilen ebenfalls etwas dergleichen hinein verlanget worden.[6] Das letzere Nord=Licht den 16 Nov. war nicht bey uns sichtbar, weilen die gantze Nacht neblicht und trübe

[Bl. 160v]
verblieben; gleichwohl ließ sich durch das dann und wann etwas aus einander weichende Gewölcke einige helle erblicken: alleine unhinlänglich. Ew. HochEdl. bin vor den hochgeneigten Bericht von der Beschaffenheit der Poundischen Tabellen der Satellitum Jovis höchlich verbunden,[7] wozu ich wenigstens mich derweilen also erklären muß, biß Ew. HochEdl. mir selbsten Gelegenheit vergönnen, diese und andere Dero vielfältiger Güte sattsamer zu verschulden; wozu demnach die beliebigen Befehle erwarte, und in hertzlicher Apprecirung eines gesunden, beglückten und mit aller ersinnlicher Zufriedenheit begleiteten Neuen=Jahres Dero beharrende affection mit ausbitte

   Ew. HochEdl.
     Meines Hochgeehrtesten Herrn
       und Hochgeschätzten Gönners

Nürnberg. den 19 Dec.
         1729.

ergebenster und gehorsamster
diener

Rost.


Fußnoten

  1. Zu Albert Daniel Mercklein (1694-1752) siehe: Fritsch, Rudolf; Fritsch, Gerda: Albert Daniel Mercklein. Naturwissenschaftler und/oder Pfarrer aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Löffladt, Günter; Toepell, Michael: Medium Mathematik - Anregungen zu einem interdisziplinären Gedankenaustausch. Hildesheim, Berlin: franzbecker 2002, S. 266-284.
  2. Gemeint ist die totale Mondfinsternis vom 9. August 1729.
  3. Gemeint ist die Bedeckung der Venus durch den Mond vom 19. September 1729.
  4. Diese Beilagen fehlen hier, doch siehe die folgende Fußnote.
  5. Der dritte Band der Miscellanea Berolinensia ad incrementum scientiarum war 1727 erschienen, der vierte, offensichtlich schon für 1730 geplante Band kam erst 1734 heraus, Johann Carl Rost erlebte dessen Publikation also nicht mehr. In diesem vierten Band finden sich die angeführten zwei Beträge von Rost:
    S. 107-114 seine Beobachtung der totalen Mondfinsternis vom 8. August 1729, S. 114-116 seine Beobachtung der Bedeckung der Venus durch den Mond vom 19. September 1729.
  6. Im 2. Band der Acta Physico-Medica Academiae Caesareae Leopoldino-Carolinae von 1730 finden sich ab S. 411 drei Artikel von Rost medizinischen Inhalts. Astronomische Beobachtungen finden sich hier keine von ihm. Seine angeführten Beobachtungen finden sich aber - einschließlich der Mondfinsternis vom 13. Februar 1729 - in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen, siehe die Anmerkungen dazu im vorigen Brief vom 30. April 1729.
  7. James Pound (1669-1724) war ein englischer Geistlicher und Astronom. Seine neuen Tabellen finden sich in den Philosophical Transactions 30 (1717), S. 1021-1034.

 © 2004 - 2024  | Astronomische Gesellschaft in der Metropolregion Nürnberg e.V. (AGN)
Datenschutz         Impressum         Haftungsausschluss