Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Delisle, Joseph-Nicolas (1688-1768)
Ort Nürnberg
Datum 16. April 1751
Signatur Bibliothèque de l'Observatoire de Paris: B1/6-104, Bl. 1r-2v
Transkription Hans Gaab, Fürth


Mein Herr!

Die Begierde zur Astronomie die in meinem Herzen wohnet, hat genöthiget gegenwartiges Schreiben an Sie abzufassen. Es erscheinet zwahr in einen deutschen Kleide: allein ich bin schon vor dreÿ Jahren durch eine Übersezung überzeuget worden, daß Sie die deutsche Sprache eben so gut, als die französische verstehen[1]. Eben dieses hat mich aufgemuntert lieber meine Gedanken deutsch vorzutragen, als mein elendes französisches nach Paris zu senden.   Doch ich will mich nicht lange mit Entschuldigungen aufhalten sondern lieber zur Sache selbsten schreiten.

Sie wissen mein Herr! daß hier in Nürnberg ein Observatorium ist, auf welchem verschiedene Instrumenten nach Tÿchonischer und Hevelischer Art gemacht, anzutreffen sind: Sie wissen ferner, daß die Direction desselben, einem Mann anvertraut gewesen, der in der Welt sich sehr bekandt gemacht hat, welcher aber zu Anfang des Decembris 1750 im 72sten Jahr seines Alters gestorben ist[2]. Die dadurch ledig gewordene mathematische Profession ist nun, nebst dem Directorio des besagten Observatorii am 16 Merz dieses Jahres von der hiesigen Obrigkeit in meine Hände übergeben worden.

Unterdessen habe ich die Einladung der dortigen Königlichen Academie der Wissenschafften über den Mond, dem Mars und über die Venus Beobachtungen anzustellen, zum lesen bekommen[3]. Weil nun Nürnberg in der Länge, vom Vorgebürge der guten Hoffnung, wohin diese erlauchte Academie den Herrn Abt de la Caille gesendet, wenig unterschieden ist; so wünsche ich mir nichts als Gelegenheit zu haben über einstimmende Beobachtungen allhier machen zu können. Die auf hiesigem Observatorio sich befindlichen Instrumenten sind, wie Sie sich vielleicht selbst noch werden erinnern können, groß und stark genug, aber sehr schlecht eingetheilet und auch eingerichtet, und überhaupts kein einziges mit einem Fernglaß versehen. Es ist wahr, wenn man unsere Instrumenten nach der heutigen Zeit einrichtete, so würde vermöge ihrer Grösse noch was gutes damit anzurichten seÿen: ich habe aber von meinen Herren noch keinen Entschluß erhalten können, wie man mir die Unkosten zur Veränderung dieses Observatorii zu erheben, anweißen solte. Es hänget diese ganze Sache von einem Paar, rechten alten Herren ab[4], die zwar grosse Liebhaber der Wissenschafften sind, alleine ihre vielen Beschäfftigungen müssen die Ursache seÿn, daß sie nicht länger an meine Vorschläge gedenken, als so lange sie mich reden hören.

[Bl. 1v]
Es ist mir beÿ Gelegenheit der Reise des Herrn Abtes de la Caille ein Mittel eingefallen, welches bloß von Ihnen mein Herr abhänget, womit ich in diesem Verlangen glüklich werden könte. Ich zweifle nicht Sie werden als einer von den grösten Kennern und Beförderern der Astronomie meinen Gedanken Beÿfall geben, und zu dem was ich noch sagen will, Ihre Hülfe ertheilen.   Es bestehet dieses Mittel darinnen:

  Wenn Sie mein Herr sich die Mühe machen thäten, es beÿ der Königliche Academie der Wissenschafften dahin zu bringen, daß selbige, entweder durch ihren Secretair oder auch durch Sie selbsten an unsere beÿden obersten Herren von der hiesigen Obrigkeit ein Schreiben ergehen liesen, darinnen die Aufmunterung zur Unterstüzung der zu machenden übereinstimmenden Beobachtungen des Herrn Abtes de la Caille, nebst der gedrukten Einladung selbsten enthalten wäre, ohne von mir wegen dieses Umstandes etwas zu gedenken; so bin ich überzeuget, daß hierdurch der Astronomie ein grosser und neuer Vortheil zuwachsen würde. Ich meinestheils könte sodann meine Vorschläge kräftiger anbringen, und geschwinder zu diesem Zweke gelangen, welcher ohnehin keine Zwischen Zeit mehr leiden will. Würde ich zu gleicher Zeit mit einer Einladung beehret die ich vorweisen könte; so glaübe ich daß es gar keine Schwierigkeiten mehr geben werde, die nicht also bald ohne Zeitverlust zu überwinden wären.

Solte ich so glüklich seÿn, daß die Königl. Academie der Wissenschafften auf meine Bitte sehen möchte, so versichere, daß alle Beobachtungen die ich mit der grössesten Sorgfalt und mit möglichstem fleisse machen werde, also bald in Ihren Händen seÿn sollen. Unterdessen aber werde ich nicht schläffrig seÿn, und in meinem Hause die Himmels Begebenheiten fleissig wahr nehmen, die ich ohne eine nöthige scharfe Messung der Höhen machen kan: als welches leztes noch nicht zuverlässig wegen Ermanglung eines guten Instruments unternehmen kan. Ich habe die Bedekung des δ ♏ [δ-Stern des Skorpions] verwichenen 13 April sehr genau und umständlich beobachtet[5]. Allein vier Wochen vorher und bis heute noch, ist beständig trübes Wetter gewesen,

[Bl. 2r]
daß es mir unmöglich war die Uhr gehörig zu verbessern. So bald ich nur einen solchen hellen Tag erhalten, werde ich so glüklich seÿn können, Ihnen diese Beobachtung mitzutheilen.

Ich ersuche Sie also mein Herr um der Astronomie willen, alle ihre Kräfften anzuwenden, damit Sie die Ursache des Aufnehmens unserer hiesigen Uranie werden.

Unterdessen aber empfehle ich mich in Ihre beständige Wohlgewogenheit und verbleibe Zeit Lebens mit der größten Hochachtung

Mein Herr

Nürnberg den 16 April
      1751.

Ihr          
gehorsamster diener

Georg Moritz Lowitz
M. P. P.    

      Nach Schrift:
Weil es der Plaz noch erlaubet, werde ich nur eins weilen die Beobachtung der Bedekung des δ ♏ beÿ fügen, wie ich sie in Zeit der Pendel Uhr wahrgenommen habe: so darf ich in folgenden nur den Mittag meiner Uhr und ihren Gang berichten. Das δ ♏ wurde vom hellen Rande des Monds bedekt den 13 April um 10h 52.' 42'' der ★ trat zwischen den Cavalerius und Cardanus hinter den Rand des Mondes. Der ★ kam in der Linie wieder zum Vorschein die aus dem Mittelpunct des Mondes durch die Mitte des Caspischen Meeres bey läuffig gieng, um 12.h 5.' 27.'' Dieser Eintritt und Austritt ist mit einem sehr guten 2 schuhigen gregorianischen Telescopio welches Jean Cuff[6] in London verfertigt, beobachtet worden. Nach dieser Beobachtung kamen Wolcken.   Die folgenden Beobachtungen sind mit einem sehr guten 14 schuhigen Fernglaß aus Freisingen gemacht worden. Es war mit einem Micrometer versehen das in nahe Parallel Linien eingetheilet und bezogen ist. Die Declination von der ich rede ist schon auf die grade eines grossen Circuls gebracht worden.   Doch es wurde mir die Zeit zu kurz und es nuzet ohne die wahre Zeit nicht viel solches zu wissen. Die ☉ fängt an wieder zu scheinen,

[Bl. 2v]
vielleicht kan ich heute noch zur Gewißheit kommen. Ich werde sie also bald vollkommen übersenden.   Werde ich einer Antwort gewürdigt, so kan es in Französischer Sprache geschehen, ohne daß Sie sich geniren dürfen.   Die Namen der beÿden Herren wovon ich oben geredet sind: Herr von Volkamer[7] jeziger Castelan und Herr von Ebner[8] zweÿter Losunger.


Fußnoten

  1. 1748 brachte Lowitz in Nürnberg bei den Homännischen Erben seine Kurze Erklärung über zwei astronomische Karten von der Sonnen- oder Erdfinsternis den 25. Julius 1748 heraus. Delisle übersetzte diese Arbeit ins Französische.
  2. Johann Gabriel Doppelmayr (1677-1750) starb am 01.12.1750.
  3. Der Abt Nicolas-Louis de Lacaille (1713-1762) reiste 1750 ans Kap der guten Hoffung. Über gleichzeitige Vermessungen von dort und in Europa versuchte man die Parallaxe des Mondes sowie von Venus und Mars genauer zu bestimmen. Zur Koordinierung der Beobachtungen brachte Lacaille eine kleine Schrift Avis aux astronomes heraus. Diese Schrift wurde Lowitz von Delisle zusammen mit dessen "gedruckten Circular Schreiben" übersandt.
    • Avis aux astronomes. Paris 1750
    • Vgl. den Brief von Lowitz an den Rat der Stadt vom 15.10.1751.
  4. Siehe unten die Nachschrift, in der er die Namen der alten Herren nennt.
  5. In Kurzform finden sich seine Beobachtungen dieser Bedeckung im Folgebrief vom 01.03.1752.
  6. John Cuff (1708-1772) war ein Instrumentenhersteller aus London, der vor allem für seine Mikroskope bekannt wurde.
  7. Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752) war seit 1744 vorderster Losunger. Er starb am 23. November 1752, womit Lowitz nach Ebner (siehe die folgende Fussnote) einen wichtigen Förderer verlor.
  8. Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach (1673-1752) war ein einflußreicher Nürnberger Staatsmann, der sich um die Einrichtung der Nürnberger Archive verdient gemacht hat. Zudem machte er die reichhaltige Familienbibliothek der Forschung zugänglich. Er starb am 26.01.1752, womit Lowitz einen wichtigen Förderer bei seinem Vorhaben eines Neuaufbaus der Sternwarte verlor.


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