Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688-1770)[1]
Empfänger Georg II. (1683-1760)
Ort Hannover
Datum 8. Oktober 1754
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5756, Bl. 65r-71v
Transkription Hans Gaab, Fürth


8. Octobr. 1754
An S. K. Mt.

Es halten in Nürnberg sich ein paar Gelehrte auf, welche wegen ihrer Wißenschaften und Entreprisen zeither von sich haben sprechen gemachet, neml. der Raht und fränkische Craÿß-Geographus Frantz und der Altorfische Professor Mathematum Lowitz[2].

Jener dirigiret die Hohmannische Land-Charten-Officin, wovon er zugleich ein Interessent ist, hat sich insonderheit auf Historische, mathematische und mechanische Wißenschaften geleget,

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und beschäftiget sich mit Dingen und Sammlungen, welche zur Verbeßerung der Erd-Beschreibung dienen.

Der Professor Lowitz, der sich auf die Mathesin überhaupt, und auf die Mechanic, Bau-Kunst und Stern-Kunde besonders geleget hat, besitzet dabeÿ ein donum proponendi,[3] welches er beÿ seinem Aufenthalte in Nürnberg annoch durch Unterricht und Vorleßungen unterhalten hat.

Und beÿde haben nicht nur seit einiger Zeit mit mehreren Gelehr-

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ten sich vereiniget um gemeinschaftlich und unter dem Nahmen einer Cosmographischen Gesellschaft, die Geographie zu verbeßeren, sondern auch eine Fabric von Welt-Kugeln verschiedener, und darunter einer Art von sonderlicher Größe, anzurichten unternommen, welches so weit geschehen ist, daß auf die seit ao 1749. von Liebhabern geschehenen Bestellungen und Pranumerationes, die einzelnen zu Erd-

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und Himmels-Kuglen gehörigen Stücke, wie sie, die Entrepreneurs, versichern, schon in einer gewißen Quantitaet ausgearbeitet sind, und den Ausgaben nur noch an der Einlangung erwarteter Nachrichten über einige, den Zeichnungen und Kupfer=Stichen mit einzutragende neue Entdeckungen, fehlet.

Durch Todesfälle einiger Gönner im Magistrat zu Nürnberg,[4] und durch den von Seÿtens des Letzteren nachher bezeugete Kaltsinnigkeit[5] ist der Professor Lowitz, wie er angiebet, bewogen worden, auf

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eine Veränderung und Transferirung sowohl des Laboratorii als seiner Person an einen anderen Ort, zu gedenken, und deshalben zuletzt auf Wien, woselbst er sich zieml. weit eingelaßen gehabt, und ihm eine Professoren-Stelle versprochen worden, zu reflectiren; der Raht Franz aber, der sein Schwager ist,[6] hat, aus Beÿsorge, daß daraus auch eine Religions-Veränderung mit der Zeit erfolgen mögte, solches Engagement zu verhüten gesuchet, und

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durch Briefe an Euere K. Mt. hiesigen Hofrath Scheidt[7] sondiret, ob es nicht in die Wege zu richten stünde, daß die Universitaet Gottungen oder die daßige Societaet der Wißenschaften, das Laboratorium der Welt-Kugeln, wovor gegen Übertragung alle Elaboratorum, und ausstehenden Zahlungen 10/m [10.000] Rthl gefordert würden, übernehme, und der Professor Lowitz zur Fortsetzung deßelben, auf Kosten besagter Universitaet, bestallet und zum Professore ernannt, der Raht Frantz aber um von Nürnberg ab

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Beÿträge zu thun und dem Instituto zu statten zu kommen, von Eurer K. Mt. mit einer Pension und einem Caractere verstehen würde.

Die Übernehmung des Laboratorii auf eigene Gefahr und Kosten aber schien uns zu miß- und bedenklich zu seÿn.

Und, wie wir demnachero die Gegen-Proposition Anfrage-weise thun ließen: ob beÿde bemeldter Personen Frantz und Lowitz sich allenfalls entschließen könnten und wollten, ihr Domicilium samt dem Labora-

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torio nach Göttingen zu transferiren, und letzteres daselbst gegen Erhaltung eines Vorschußes von 2000 Rthlrn auf eigene Gefahr und Kosten fortzusetzen;

Also ist nunmehro durch die seit ein paar Monathen mit ihnen gepflegte Correspondentz so viel ausgemachet, daß sie solches zu thun, mithin nach Göttingen zu gehen, und dahin ihre verschiedene Instituta außer der Hohmannischen LandCharten-Officin, wovon sie nicht Meister sind, zu transferiren gewillet sind,

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wann 1o) ihnen zu Fortsetzung des Kugeln-Laboratorii ein Capital von 2000 Rthl auf 10. Jahre zinsen-freÿ gegen genugsame Sicherheit vorgeschoßen, 2) an Aufzugs und Transport Kosten ein proportioniertes Quantum, 3) dem Raht Frantz der Caracter eines Rahts oder Hof Rahts mit 600. Rthl Pension, und 4) dem Professor Lowitz eine Profession der practischen Mathematic mit 400 Rthlrn Besoldung, außer dem Licenz Restitutions-Geldern vor beÿde verwilliget und conferiret

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werden wollen; zu welcher unsers Orts fast nicht gehofften Entschließung, sie denn außer der Begierde in hoher K. Mt. Landen zu wohnen, durch den Umstand mit bewogen zu seÿn geschehen, daß einer ihrer stärksten Mitglieder in der Cosmographischen Societaet, neml. der Professor Tobias Mayer zu Göttingen bereits stehet.

Nun ist zu Göttingen der Verlust, welchen man in der Person des in der BauKunst und andern practisch-mathematischen Wißenschaften sehr erfahren gewesenen Rahts Penther[8] gethan hat, noch nicht ersetzet, und der Professor Lowitz wird dazu sehr geschickt seÿn, der Raht Frantz aber auf andere Art der Universitaet wohl zu statten kommen können. Es ist ferner nicht nur das Institutum wegen der Welt-Kugeln Fabric, sondern auch das zweÿte, welches die Cosmographische Gesellschaft sich zum Zweck gesetzet hat,

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neml. die Verbeßerung der Geographie, von solcher Art und Eigenschaft, daß sie in und außer Teutschland einen großen Ruf noch weiter machen, und den Ruf der Universitaet zu Göttingen vermehren werden, wann sie dahier dergestalt verleget werden, daß diese als der Sitz derselben forthin angesehen werden kan.

Außerdem wird solche Verlagerung und die Anwesenheit bemeldter beÿder Männer welche bereits sofort ein und anderen Kupfer-

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Stecher und Künstler mitbringen werden, in Ansehung des Orts und Eurer K. Mt. sonstigen Lande überhaupt, die Folgen haben, daß mehrere dergleichen Leute, welche beÿ dem Laboratorio ihren Verdienst haben können, von Nürnberg nach Göttingen zu gehen veranlaßt werden, und sich daselbst besetzen, mithin die Bequemlichkeit des Orts und die Zahl seiner Einwohner vermehret werden, so daß wir uns zum Voraus mit der Hofnung allerunterthänigsten schmeicheln dürfen, Euer K. Mt. werden dieses Project

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überhaupt der allerhöchsten Gnade und Wohlgefallen würdigen. Es kan auch unsres aller submissesten Befindens, so viel die Bedingungen und Mittel betrift, zu den 2000. Rthl Vorschuß, aus der Manufactur-Casse, und zu den Transport=Geldern und des Professoris Lowitz Besoldung von 400 Rthl aus der Universitaets Casse, fügl. Rath geschaffet werden

Wie wir aber zu den 600 Rthl Pension vor den Raht Frantz, welcher im übrigen

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sich mit dem gleichmäßen Titul eines Rahts in Euer K. Mt. Diensten begnügen kan, keine Mittel sehen, wofern nicht Euer K. Mt. allergnädigst gefällig wäre, solche aus der Closter Casse verabreichen zu laßen; also geben Allerhöchstderselben wir dieses ins Bedenken, und überhaupt den gantzen Vorschlag zu allergnädigster Entschließung allerdevotest anheim.

8. 8br. 1754.



Fußnoten

  1. Gerlach Adolph von Münchhausen (1688-1770) war Minister des Kurfürstentums Hannover. 1734 war er einer der Begründer der Georg-August-Universität in Göttingen. Ab 1753 war er als Kammerpräsident für das Ressort Finanzen zuständig.
  2. Lowitz war Professor am Gymnasium in Nürnberg, in Altdorf war er nie Professor.
  3. donum proponendi: die Gabe der Redekunst.
  4. Am 26. Januar 1752 starb Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach (1673-1752), am 23. November 1752 folgte ihm Christoph Gottlieb Volckamer (1676-1752). Beide hatten sich im Nürnberger Rat intensiv für astronomische Belange eingesetzt.
  5. Kaltsinnigkeit = Gleichgültigkeit.
  6. 1746 heirate Lowitz Anna Veronika Franz (21.02.1705-04.01.1756), die Schwester von Johann Michael Franz.
  7. Christian Ludwig Scheidt (1709-1761) war seit 1748 Hofrat und Bibliothekar in Hannover. Zu ihm siehe: Büsching, Anton Friedrich: Beyträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Personen, insonderheit gelehrter Männer, Band 3. Halle: Curt 1785, S. 263-316.
  8. Johann Friedrich Penther (1693-1749) war ein deutscher Mathematiker und Architekturtheoretiker in Göttingen.