Briefwechsel Georg Moritz Lowitz
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Lowitz, Georg Moritz (1722-1774) |
Empfänger | Scheidt, Christian Ludwig (1709-1761)[1] |
Ort | Göttingen |
Datum | 27. Oktober 1755 |
Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5756, Bl. 122r-125r |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Wohlgebohrner Herr,
Hoch zu verehrender Herr Hofrath,
Hoch geneigter Gönner !
Ew. Wohlgebohrnen schleunige Abreiße von hier ist mir recht unvermuthet gekommen. Ich hofte beÿnahe alle Stunden noch einmahl mit dero schäzbaren Gewogenheit und Gegenwart in meinem Hauße beehret zu werden: beÿ welcher Gelegenheit ich die Ehre gehabt hätte, das gegenwärtige Weltkugeln Geschäfte vermöge unsrer Abrede vor die Augen zu legen: und die Gewißheit der möglichen Ausfertigung dar zu thun und überzeugend zu machen. Welches mir und meinem guten Nahmen den grösten Vortheil verschaffet hätte. Ich erschrack also recht von Herzen, als mir die Nachricht von Ew. Wohlgebohrnen Abreiße, gegeben wurde. Was kunte ich als denn anderst vermuthen, als daß dieselben über mich eben so sehr, als über meinen Herrn Schwager[2] zornig seÿn werden, weil ich der versprochenen Ehre beraubt wurde! Wahrhaftig! Dero Erzählung von denen Vergehungen meines Herrn Schwagers haben mich auf den Weeg geleitet, wodurch mir verschiedene Umstände sind aufgekläret worden, die auch mich um meinen guten Nahmen bringen könten, wenn ich nicht jezt auf einmahl anfinge mich um alles zu bekümmern, was mein Herr Schwager ehemal nach Hanover geschrieben, und was er dort selbst verrichtet hat: und wie weit auch ich darin verknüpfet bin? Ich habe beÿ Dero mir schäzbaren Gegenwart in Beÿseÿn meines Herrn Schwagers schon gesagt, daß ich von seiner ganzen Correspondenz; ja selbst von den Umständen meiner Hieherberuffung nicht das geringste weiß: und ich sehe jezt aus seinen elenden Umständen, und aus allen seinen Vergehungen daß ich seinen Worten ehehin zu viel getrauet habe. Ich mercke und erfahre es also jezt genug, daß er mich nur mit meinen Bemühungen zu seinem eigenen Vortheil brauchet: und mir immer
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fort Sachen weiß machet, die sich jezt sämtlich widerlegen! Ew.
Wohgebohren sind von diesen Wahrheiten jezt gänzlich überzeugt.
Es sind Denenselben die Nachrichten bekant, die er wegen der
Weltkugeln nach Hanover geschrieben, ohne daß ich von einer einigen
etwas wuste! Er der nicht das geringste weiß, was zu denen
Weltkugeln gehöret; er der nichts daran zu arbeiten hat, und auch
nichts daran arbeiten kan, gibt doch, ohne mir etwas davon
zu sagen, solche Nachrichten von sich, die nicht zu verantworten sind.
Ich vermuthe also jezt, daß er sich in Hanover für das Haupt
der Cosmographischen Gesellschaft, und für den Director der
grossen Weltkugeln Arbeit, mich aber nur für seinen
Arbeiter angegeben hat! Ist dieses geschehen, so hat er es
blos gethan, um in seinen, wie ich jezt erst erkenne, schon langen
Verwirrungen, Luft zu bekommen: ohne sich um die Folgen
zu bekümmern, die der Ausgang haben mögte: und ohne daran
zu dencken, daß er mich unschuldiger Weiße, und mir unverhoft,
mit sich in das gröste Unglück ziehen könte! Doch dem
Allerhöchsten seÿ Danck gesagt! daß ich noch jezt beÿ
Zeiten hinter alles kommen: denn sonst würde wahrhaftig
aus dem Kugelwercke eine Unmöglichkeit geworden seÿn: so
gerne und begierig ich solche zu Ende bringen will!
Ich hoffe nicht, daß Ew. Wohlgebohren gegen mich mit einem mir nachtheiligen Vorurtheil werden eingenommen seÿn. Denn es wäre doch möglich, daß mein Her Schwager bis hieher in Hanover alle Schuld der Verweilung der Kugelarbeit auf mich geschoben hätte: um seinen Schein Vortheil dadurch immer weiter zu treiben. Ich vermuthe dieses daraus; da ich ihn nach Dero Abreise
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scharf zu Gemüthe führete, seine Schuldigkeit gehörig zu beobachten; sonst
wolte ich selbst eine Reiße nach Hanover thun, und den ganzen Zustand
der Sachen, der gewiß völlig wieder ihn ist, aufklären,
und die Schuld überzeugend beweißen. Da erschrack er sehr,
und bathe mich nicht daran zudenken; ja er versicherte
mich es würde dort sehr ungnädig aufgenommen werden,
wenn ich ohne Erlaubnis Ihrer Excellenz des Herrn
Cammerpräsidentens[3]
diese Reiße antrettete. Noch mehr:
Vergangenen Donnerstags als am 23ten October abends
sendete er mir ein gnädiges
Rescript von Hanover, welches
an ihn und die übrigen Mitglieder der Cosmographischen
Gesellschaft schon vom 19 October gerichtet war: Es muste also
schon am 21 October in seinen Händen seÿn. Ew. Wohlgebohr.
werden vielleicht schon wissen daß es an diese Gesellschaft
die gnädigsten Erinnerungen zur eÿfrigen Fortsetzung der Welt
und Mondes Kugeln enthielte. Ich ging gleich diesen Abend
zu Hl. Prof. Maÿer,
allwo ich den Hl. Rath Franz antraf. Nach
einer langen Unterredung, da mein Hl. Schwager nichts von
diesem Rescript erwähnen wolte, kam ich endlich damit heraus.
Er wolte es aber dem Hl. Prof. Maÿer nicht gerne leßen lassen,
sondern sagte, es ginge nur die Weltkugeln an. Allein ich gab es doch
dem Hl. Prof. Maÿer, der sich sehr über den
Hl. Rath wunderte so etwas zu sagen: da doch der Hl. Prof.
Maÿer wegen seiner Mondes Kugeln ausdrücklich darinnen genanndt
war. Mithin gieng es dem Hl. Prof. Maÿer eben soviel als uns an.
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Ich gab dort vor den Augen des Hl. Prof. Maÿers dem Hl. Rath
Franz wegen seiner Vergehungen und wegen seiner jetzigen
Aufführung, scharfe Verweiße, und versicherte ihn, daß ich jezt nicht
ruhen will, bis die Wahrheit rein entdecket, und mein guter
Nahme, woran mir mehr als an seiner freundschaft liegt gerettet werde.
Zum andern Tage ließ ich dieses Rescript dem Hl. Prof. Büsching[4]
lesen, und gab ihm auch zu gleich von allem was dazu gehöret
ausführliche Nachricht. Er hat mir auch dazu getreu Anschläge
ertheilt, und Ew. Wohlgebohren werden auch unterdessen von
ihm Erläuterungen bekommen.
Weil nun Ew. Wohlgebohren gleichfalls sehr vieles daran liegt, daß die Weltkugeln so bald als es möglich ist, ausgefertigt werden: und daß die Cosmographische Gesellschaft in ihre Würkung komme; so hoffe ich dieselben werden mir gleichfals anrathen, daß ich selbst auf ein paar Tage eine Reiße nach Hanover thun, und mündlich von allen wahren Umständen und von meiner Einrichtung genaue Nachricht geben soll. Ich finde dieses für das Aufnehmen meiner sichern Vorschläge, die mit denen Anmerkungen und Vollmachten derer Herren Professoren Maÿer und Büsching begleitet werden, am aller zuträglichsten: um den Fortgang dieser Arbeit auf einen recht sichern und festen Fuß zu setzen. Mein Herr Schwager kan weder seinem mit mir geschlossenem Contract, noch seinen mündlichen Versprechungen in Ansehung der Kugel=Casse ein Genüge leisten: und wenn ich auch in Ewigkeit warte. Daher ist es nöthig, daß ich die ganze Historie dieser meiner Arbeit, die Rechnungen derer
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Pränumerations[5]-
und Vorschuß Gelder, und was dazu gehört, kurz
entworffen mit nach Hanover bringe, damit Ihro Excellenz
des Hl. Cammepräsidentens einsehen, wir ferne ein jeder von
uns beÿden an der verhinderten Kugelarbeit Schuld,
und wo denn eigentlich noch jezt die Verweilung liegt?
Ew. Wohlgebohren werden als dann erstaunen, und mich in
Ansehung meines Schadens, den mir mein Hl. Schwager
verursachet, bedauern. Zu gleicher Zeit werde ich Abrede
nehmen, auf was Art das Publicum schleunig von dem
gewissen Fortgang der Arbeit Nachricht bekomme, und
daß sich dasselbe als denn beÿ der Lieferung der Kugeln mit
der NachZahlung an einem von der gnädigsten Regierung
gesezten Commissarium wende, der als dann alle Gelder
wieder abzutragen hat, die jezt vorgeschossen sind und werden:
und als dann das übrige nach der Billigkeit unter ihre
Theilhaber vertheile. Denn ich gebe nicht zu, daß mein Herr
Schwager mehr etwas mit den Kugeln=Geldern zu thun
habe: und ich will als denn auch nichts über mich nehmen.
Die Verwegenheit meines Herrn Schwagers einen neuen Vorschuß zu begehren hat mich sehr geärgert. Ich habe ihm damals als mir Ew. Wohlgebohren Nachricht davon gaben, sehr scharfe Verweiße nach Nürnberg überschrieben. Hier lege ich ein paar Antworten beÿ;[6] damit dieselben daraus sehen können, daß ich auch dabeÿ ganz unschuldig war: und daß meine obigen Vermuthungen gewiß sind. Er hat mir sehr selten auf meine Briefe geantwortet; sondern alle waren voll von Projecten, von Klagen oder Jammer.
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Künftigen 10 November habe ich die Ehre beÿ der hiesigen Königlichen
Gesellschaft der Wissenschaften eine Abhandlung vor zu leßen: und
diese beschäftiget mich jezt ein paar Tage. Ich kunte es
dieses mahl nicht mehr von mir ablehnen, so gerne ich auch
gewolt hätte. Es werden meine Instrumenten zur Experimental
Phÿsik beschrieben:[7] und ich will sie in Natura
mit nach Hanover nehmen, um sie dort vorweisen
zu können. Gleich nach diesem Tage werde ich mich
auf den Postwagen setzen, und in GOTTES Nahmen
meine Reiße dorthin antretten, mit dem nächsten Abgang
dieser Post werde ich wieder zurück hieher fahren.
Denn wenn ich nur einen oder zween Tage in Hanover
seÿn kan, so werde ich meine Absicht vollkommen erreichen.
Übrigens verlassen sich Ew. Wohlgebohren sicher darauf,
daß nun mehr auf das eÿfrigste an denen Kugeln gearbeitet
werde. Der Kupferstecher[8]
polliret seine 18 Platten, die er
stechen soll: und jezt werden die Netze über dieselben
sämtlich gezogen, damit die Ein Zeichnung schneller geschehen
kan. An den äußerlichen Sachen, als an Ringen
Gestellen, und den Maschinen zu den Himmelskugeln,
womit die Lagen beweglich gemacht werden, wird jezt stark
gearbeitet: und ich will das Modell der beweglichen Lage der
Himmelskugeln mit mir nach Hanover bringen: welches
sehenswürdig ist.
Ew. Wohlgebohren können also Ihrer Excellenz des Hl. Geheimden Rathes und Cammer Präsidentens
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vorläufige Nachricht davon geben: wenn es dieselben für gut
befinden werden. Ehe ich schließe, ist noch eines zu erinnern,
daß mir der Hl. Rath Franz von denen 220 Louisdors
der Vorschußgeldern, die er mir noch zur Kugel Casse
liefern solte, erst am 19 October 115 sind bezahlet
worden. Ich zweifel jezt sehr ob ich den Rest so
bald erhalten werde.
Inzwischen wünsche ich Ew. Wohlgebohren von GOTT alles beständige Wohl: und verharre mit der allergrößten Hochachtung
Ew. Wohlgebohren
Göttingen am 27. Oct.
1755.
In höchster Eil
gehorsamster Diener
G. M. Lowiz
Um den Einschluß muß ich gehorsamst bitten,
ihn beÿ guter Gelegenheit wiederum zurück laufen zu lassen !
Fußnoten
- ↑ Christian Ludwig Scheidt (1709-1761) war seit 1748 Hofrat und Bibliothekar in Hannover. Zu ihm siehe: Büsching, Anton Friedrich: Beyträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Personen, insonderheit gelehrter Männer, Band 3. Halle: Curt 1785, S. 263-316.
- ↑ Lowitz war seit 1746 mit Anna Veronika Franz (1705-1756), der Schwester von Johann Michael Franz verheiratet.
- ↑ Gerlach Adolph von Münchhausen (1688-1770) war Minister des Kurfürstentums Hannover. 1734 war er einer der Begründer der Georg-August-Universität in Göttingen. Ab 1753 war er als Kammerpräsident für das Ressort Finanzen zuständig.
- ↑ Anton Friedrich Büsching (1724-1793) war evangelischer Theologe und Geograph, der damals noch ein Professorenstelle in Göttingen inne hatte.
- ↑ Praenumeration: Vorauszahlung.
- ↑ Diese Antworten sind nicht überliefert.
- ↑ Unter dem Datum vom 1. Dezember 1755 wird in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen (144 Stück, S. 1317-1319) über Lowitzen Werkzeuge zu den Versuchen im luftleeren Raums berichtet.
- ↑ Der Kupferstecher war Georg Christoph Günther (1729-1777).
- ↑ 1 Louisdor = 5 Reichstaler.