Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Michaelis, Johann David (1717-1791)[1]
Empfänger Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688-1770)[2]
Ort Göttingen
Datum 14. Mai 1760
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 7060, Bl. 10r-11r, 12r
Transkription Hans Gaab, Fürth


Königlich Grosbritannische
zur Churfürstlich Braunschweig Lüneburgischen
Landes Regierung höchst verordnete Herren
Geheimde Räthe:

Hochgebohrner Freÿherr
Gnädigster Herr[?]

Mit unterthänigstem Dank remittire die Original-Edition der Werke des Königes von Preußen.[3] Alle Stellen wider die Religion wird die Nachwelt ihm ehe vergeben, und entschuldigen, als die doch leider authentische Stelle, S. 156 Prenons ce fameux sack --, ob sie gleich etwas erträglicher ist, wenn hier couru, als wenn in der ersten Ausgabe cornu stehet.[4] Nie soll der König Personal-Satyren auf seine Unterthanen machen, die sich nicht unterstehen dürfen, zu antworten: es ist eben der Fall, als wenn er sie heraus lockete, und doch strafen wollte, so bald sie ihn verwundeten, oder glücklich ausparirten.[5]

Ich habe neulich von den languissanten[6] Umständen der Societät geschrieben. Ich habe vergeßen, dabey zu melden, daß

[Bl. 10v]
der Consens des Herrn von Hallers[7] nun eingelauften sey, Roederern[8] zum Ordinario zu machen, er auch also bereits erwählt sey, und sich dabey gegen mich erklärt habe, daß er nicht praetendiren wolle, ihn mit einer Besoldung zu versehen, ehe eine erledigt wird. Ich will hievon nächstens einen Aufsatz einsenden, wie er ad Acta kommen kann.

Ich weiß nicht, ob nicht ein Rescript gut wäre, durch welches die Societät befragt würde, wie es zugehe, daß dem Vernehmen nach ihre Zusammenkünfte so unzahlreich wären. Sie würde ein solch Rescript mit Nutzen gebrauchen können.

Sie hat einen Umlauff an die extraordinarios ergehen laßen, die Jahr und Tag ausgeblieben sind. Lowitz hat geantwortet, man möchte ihm eine Tag bestimmen, da er sein Diplom zurückgeben könnte. Dies zu thun hat man Bedenken getragen, weil es könnte ausgeleget werden, als fodere man ihm sein Diplom ab.

[Bl. 11r]
Der Mann meint durch folgendes beleidigt zu seyn. Hollmann[9] hatte, wie Euer Excellenz sich vielleicht entsinnen, eine Preisfrage ausgegeben,[10] durch die, wie ich gewiß sagen kann, die Societät sich prostituirte. Lowitz machte dagegen Experimente in seinem Hause, in Gegenwart Gesners,[11] Mayers, Roederers, Kästners,[12] Hambergers[13] und meiners. Die Experimente waren wirklich schön. Wir versprachen ihm einmüthig, die Wahrheit derselben durch unsere Unterschrift zu bezeugen, nur sollte er eine Beschreibung derselben aufsetzen, und uns zur Unterschrift vorlegen, als die wenigstens Gesner und ich nicht aufsetzen konnten. Die wunderliche Preis-Frage ward, jedoch ohne Meldung der Ursache, zurückgenommen.[14] Lowitz hat uns, auf unser Anmahnen, doch nicht die Beschreibung seiner Versuche geliefert: Wir haben sie also nicht unterschrieben, und darüber klagt er, als über ein großes Unrecht. Er setzt noch dazu, es sey dieser Experimente nicht einmahl in unsern Zeitungen gedacht: und bedenkt nicht, daß man ja was uns im Privat-Hause gezeiget ist

[Bl. 12r]
nicht in die Zeitungen zu setzen pflege, sonderlich wenn es wider einen Collegen gerichtet ist, und deßen freilich offenbahre Fehler entdeckt. Ich mochte mich dis wenigstens nicht unterstehen, ja ich konnte es nicht thun, weil ich die Experimente aus dem bloßen Gedächtnis nicht beschreiben konnte, und von ihm keine Beschreibung zu erhalten war. Sonst ist er persönlich mein guter Freund, und declarirt nur, er imputire[15] der Societät alles dieses.[16]

Dieser ist freilich sein Außenbleiben, und seine Declaration das Diplom zurück zu geben, und andere gleiche Sachen, keine Ehre. Vielleicht wäre es gut, in einem sonst recht gnädigen Rescript ihn zu fragen, ob es an dem sey, daß er kein Mitglied der Societät mehr seyn wolle, und ob er etwan Beschwerden hätte: und alldem hac parte audite et altera[17] zu resolviren, was die Societät thun soll.

  Mit tiefster Devotion beharre,

Ew. Hochgebohrn Excellenz

Göttingen den 14. Maji
        1760.

unterthänigster Diener
Johann David Michaelis.


Fußnoten

  1. Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
  2. Gerlach Adolph von Münchhausen (1688-1770) war Minister des Kurfürstentums Hannover. 1734 war er einer der Begründer der Georg-August-Universität in Göttingen. Ab 1753 war er als Kammerpräsident für das Ressort Finanzen zuständig.
  3. 1750 erschienen in Berlin die ersten beiden Bände der Oeuvres Du Philosophe De Sans-Souci von Friedrich II. Die angesprochene Stelle findet sich in der zweiten Ausgabe von 1752, S. 200
  4. In der Ausgabe von 1752 lautet die hier diskutierte Stelle:
        Prenons ce fameux sack, ce suppot de calvin,
    Ce zélateur couru du séxe feminin

        Nehmen wir den berümten Sack, diesen Gefolgsmann von Calvin,
    diesen eifrigen Eiferer des weiblichen Geschlechts

    Ersetzt man couru durch cornu wird aus dem eifrigen Eiferer der gehörnte Eiferer bzw. der geile Eiferer.
    Dieser Ausfall von Friedrich II. richtete sich möglicherweise gegen August Friedrich Wilhelm Sack (1703-1786), der sich als Theologe für Toleranz gegenüber den Calvinisten und Juden einsetzte.
  5. ausparireren: einen Hieb oder Stich abwehren, ausweichen.
  6. languissante (franz.): schleppend.
  7. Der Mediziner Albrecht von Haller (1708-1777) war mitbeteiligt an der Gründung der Göttinger Akademie der Wissenschaften.
  8. Johann Georg Roederer (1726-1763) war Direktor der Gebärklinik in Göttingen. Seit 1751 war er außerordentliches Mitglied der Sozietät, 1760 wurde er ordentliches Mitglied.
  9. Samuel Christian Hollmann (1696-1787) war ordentlicher Professor für Philosophie in Göttingen. Von 1753-1761 war er hier alternierender Direktor der Gesellschaft der Wissenschaften. Vom 04.07.1757-03.07.1758 war er Prorektor der Universität.
  10. Diese Preisfrage steht im 147. Stück der Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen vom 8. Dezember 1757, S. 1380
    "Da man durch ungezweifelte Versuche versichert ist, daß ein gekrümmeter Heber, der mit Waßer, oder andern ungefähr eben so schweren flüßigen Sachen, gefüllet ist, in einem aufs genaueste gemachten Luftleeren Raum zu fliessen nicht aufhöre, wenn alle Fehler dabey sorgfältig vermieden werden; so verlangt man zu wißen, welches die wahre Ursache davon sey, und ob solche auch bey ähnlichen Maschinen von größerer Art statt finde?"
    Die Aufgabe sollte bis 10. November 1759 bearbeitet werden, Preis war eine goldene Medaille im Wert von 25 Dukaten.
  11. Johann Matthias Gesner (1691-1761) war 1734 wurde als Professor für Poesie und Beredsamkeit nach Göttingen berufen worden und übernahm als solcher gleichzeitig die Leitung der Göttinger Universitätsbibliothek.
  12. Abraham Gotthelf Kästner (1719-1800) war seit 1756 ordentlicher Professor der Naturlehre und Geometrie in Göttingen.
  13. Georg Christoph Hamberger (1726-1773) war seit 1755 außerordentlichen Professor der Philosophie in Göttingen.
  14. "Auf den 10. Nov. 1759. wird anstatt der in den Göttingischen Anzeigen 1757. S. 1380 befindlichen Frage von der Königlichen Societät der Wißenschaften die folgende aufgegeben: was die eigentliche Ursache von der Röthe des Blutes sey?", Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen, 89. Stück, 27. Juli 1758, S. 843.
  15. imputiren: zuschreiben.
  16. Kästner hat die ganze Auseinandersetzung ausführlich in der Vorrede seiner Markscheidekunst dargestellt:
    Kästner, Abraham Gotthelf: Anmerkungen über die Markscheidekunst. Göttingen: Vandenhoeck 1775; Vorrede.
  17. hac parte audite et altera: gemeint ist, dass auch die andere Seite gehört werden soll.