Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Riccius, Christian Gottlieb (1722-1774)(1697-1784)[1]
Empfänger  
Ort Göttingen
Datum 30. Oktober 1762
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-63-41, Bl. 5r-6v
Transkription Hans Gaab, Fürth

Actum Göttingen den 30. Octobr. 1762
in aedibus Lowitzianis[2]

Heute vormittags gegen zwölf Uhr ließen die Frau Professorin Dorothea Elisabeth Regina Lowitzen, geb. Riepenhausen, durch den Herrn Professorem Hambergern[3] mich ersuchen, so bald mir es möglich, mich doch zu ihr zu verfügen und mir gewiße von ihr zu entrichtende Verordnung beÿ ihren gegenwärtigen bettlägerigen Umständen, da sie nicht wißen könne, ob sie wieder zu ihrer voriger Gesundheit gelangen würde, gerichtswegen anzuhören und ad protocollum zunehmen; ich habe mich dahero auf derselben ergangenen Ansuchen nach Mittags um zweÿ Uhr zu derselben begeben, und ich habe dieselbe zwar in ihrem Bette liegend, aber doch beÿ völliger guter Vernunft und Verstande angetroffen, und sie gab mir gleich darauf zu vernehmen, daß, ob sie gleich bereits ao. 1756[4], mit ihrem hochwerthgeschäzten Eheliebsten beÿ der Hochlöbl. Justiz-Canzleÿ zu Hannover, ein Testament reciprocum[5] insinuiret[6], und sie in solchen, die einmütige Entschließung feste gesetzet hatten, daß keines von ihnen ohne des andern Einwillig= und Vergüstigung den erst gedachten und gerichtlich insiniurten reciproquen letzen Willen abzuändern vermögend seÿn solte; so habe ihr Eheherr, der Herr Prof. Lowitz, ihr doch auf ihre freundlich geschehene Vorstellung die Einwilligung ertheilet, daß sie auf dem Fall, wenn sie in der gegenwärtigen Kranckheit sterben solte, einigen Personen ein Geschencke oder Vermächtniß als eine milde Gabe von ihrem Nachlaß, wie das beÿgelegte Document sub lit. A. besagte, abzugeben verordnen möchte, und sie habe auch auf einen von ihr selbst eigenhändig geschriebenen Zettel ihrem Eheliebsten die einigen Personen, und was eine jede von ihr haben solte, vorgezeiget, es seÿ derselbe auch damit wohl zufrieden gewesen, und habe

[Bl. 5v]
derselbe es ihr dabey versprochen, er wolle diese ihm angezeigte milde Gaben, wenn sie in gegenwärtiger Kranckheit sterben solte, an die angeführte Personen von ihrem Nachlaß gerne und willig abgeben, und diese solten es so dann auch rechtlich zu fordern haben. Sie, die Frau Professorin Lowitz geb. Riepenhausen, wolte mich dahero beÿ dieser von ihrem Eheliebsten ertheilten Vergünstigung und Versprechung ersuchet haben die einigen Personen, so sie auf dem Fall ihres gedachten Todes mit einer milden Gabe bedacht haben wolle, ad protocollum zu nehmen, und sie hat darauf ihre Erklär= und Vernehmlaßung dahin gethan:

Es wäre nemlich ihr ernstlicher Wille und Meinung daß

1

Der Frau Doctorin Cossine, ihrer lieben Schwester[7] Tochter, Dorotheen Elisabeth Regina Casiussin, ihrer werthesten Pathe nach ihrem, der Fr. Professorin gedachten Ableben dreÿßig Reichs Thaler in Golde von ihrem nachgelassenen Vermögen eigentlich gereichet werden solten; ingleichen daß

2

Der Marien Beckerin[8] aus Minden, so bey der Frau Professorin in Diensten gestanden, und gegen sie und ihren Eheherrn treu und ehrlich sich zu ihrer Zufriedenheit aufgeführet, eine Gabe von einhundert Reichsthalern in Golde zu ihrem Heÿraths Gut von ihrem, der Frau Professorin Nachlaß abgeben werden solle.

Ferner sey auch ihr ernstlicher Wille und Meinung, daß

3.

an das hiesige Weysenhauß denen armen Weysen Kindern zum besten dreyßig ReichsThaler an Golde noch ihr obdachten Ableben von ihrem Nachlaß als eine milde Gabe abgeben werden soll.

[Bl. 6r]
Endlich soll auch

4

ihr ernstlicher Wille und Meinung, daß die beide iezo in ihren, der Fr. Professorin, Diensten stehende Personen, Mutter und Tochter Sophia und Elisabeth Harmundin,[9] wenn diese beyde annoch beÿ ihrem Ableben in würcklichen Diensten stehen solten, von der Fr. Professorin folgende Kleidungs=Stücke aus ihrem Nachlaß, zu fordern eigenthümlich zu erhalten, und unter sich zu vertheilen haben solten, als

1. Duzend Unterhembde, wie ich diese an meinem Leibe täglich getragen,
2. Sechs weisse Nachtmützen, wie solche beÿ meinen erfolgten gedachten Ableben befindlich seÿn werden.
3. Vier blau und weiß gedruckte Schürtzen
4. Einen brauen Wollenen Rock
5. Einen grünen Wollenen Rock
6. Einen weißen Wollenen Rock
7. Ein Stück halbseiden braunes Zeug, zum Camisol[10], und
8. eine braun Wollene Camisol.

Jedoch verstünde sichs von sich selbsten, wenn Sie in Ihrer iezigen Kranckheit sterben, und sich annoch zur Zeit Ihres Ablebens gedachte beide Personen in ihrem Dienste befinden solten, daß Ihnen die erwehnten Kleidungs Stücke durch ihren Eheherrn von ihrer Mobiliar-Erbschaft erst abzugeben werden.

Nachem nun dieses fleißig nieder geschrieben worden, und ihr wieder vorgelesen worden; so gab die Frau Professorin Lowitzen dabeÿ zu erkennen: die weil sie nun von ihrem Eheherrn völlig überzeuget und versichert wäre, daß er diese kleine milde Gaben, da im übrigen das errichtet und ao. 1756. gerichtlich

[Bl. 6v]
übergebene Testamenten reciprocum beÿ seinem valeur verblieben, von ihrem Nachlaß an die ob genannte Personen abzugeben sich gerne und willig gefallen laßen, nach ihrer Verordnung durch die Erfüllung ein Genüge thun werde, wenn sie von ihrem iezigen kräncklichen Umständen nicht wieder aufkommen, sondern in solchen ersterben würde; so lebte sie auch zu ihrem wolgedachten Herrn Eheliebsten des zuversichtlichen Zutrauens es werde derselbe sichs auch nicht entgegen seÿn lassen diese hier ad protocollum gegebenen Verordnungen zur Verhalt= und Erfüllung auch eigenhändig zu unterschreiben.

in fidem
CG Riccius

Ich versichere daß ich dießem Inhalt vollkommen nachleben werde.

Georg Moritz Lowitz
Math. Prof. P. O.

Georg Christoph Hamberger,
Prof. Phil-Lit. ut
testis rogatius.

[Hinzufügung aus späterer Zeit]
Publicata haec dispositio, in indicio academico d. 15ten Julii 1776.
in Gegenwart des Vormundes des nachgel. Sohnes der Fr. Prof. Lowitz,[11] Stadtschreiber Werder,[12] und des Hln. Prof. von Colom[13].
Ersterer bat um Abschrift.

in fidem
JC Willicht[14]



Fußnoten

  1. Christian Gottlieb Riccius (1697-1784) war seit 1747 Universitäts-Secretär und seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen.
  2. in aedibus Lowitzianis: im Hause Lowitz.
  3. Georg Christoph Hamberger (1726-1773) war seit 1755 außerordentlicher Professor der Philosophie, ab 1663 ordentlicher Professor in Göttingen.
  4. Lowitz und Dorothea Riepenhausen haben am 20.04.1756 geheiratet.
  5. reciprocum: gegenseitig.
  6. insinuren: einhändigen.
  7. Charlotte Margaretha Catharina Riepenhausen (1727-1809) war die jüngere Schwester. Sie hatte am 24.11.1750 den Juristen Georg Andreas Cassius (1716-1791) geheiratet.
  8. Maria Elisabeth Becker war seit 1762 beim Stallmeister Ayrer als Köchin angestellt. Vgl.:
    Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472.
  9. Die Mutter Sophia und ihre Tochter Maria Elisabeth Barbara Harmund (Harmundt) arbeiteten seit Michaelis 1762 bei den Lowitzens. Die Tochter begleitete später Lowitz gemeinsam mit ihrem Bruder Johann Georg Harmund nach St. Petersburg.
  10. Ein Kamisol (Camisol) war im 18. Jahrhundert mit Ärmeln versehenes oder auch ärmelloses Oberteil.
  11. Tobias Lowitz (1757-1804) war das einzige überlebende Kind aus der zweiten Ehe von Lowitz.
  12. 1783 gab es einen Bücherverkauf "in des Stadtschreiber Werders Hause auf der Burgstrasse". Weiteres ist über Werder nicht bekannt.
  13. Isaac Colom du Glos (1708-1795) war seit 1751 Professor für Philosophie in Göttingen.
  14. Johann Christoph Willig (1726-1810) war Pedell (Hausmeister) an der Universität Göttingen.