Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Ayrer, Johann Heinrich (1732-1817)[1]
Empfänger Anzeige gegen Lowitz
Ort Göttingen
Datum 22. April 1763
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 21-32
Transkription Hans Gaab, Fürth
Hinweis Um die Argumention besser überblicken zu können, wurde die Absatzstruktur gegenüber dem Original verändert.


A

Anzeige[2]

Verschiedener Umständen, welche sehr starck vermuthen lassen, daß der Herr Professor Lowitz Urheber der wieder mich angeschlagenen Pasquille seÿ.

I) zeiget der, dem Hl. Prorectori[3] Magnifico bereits eingehändigte Brieff[4], daß der Herr Profess: Lowitz wegen der in meinem Diensten stehenden Köchin[5] sehr böse auf mich ist:

II) habe ich Ursache zu vermuthen daß der Hl. Profess: Lowitz auch Verfaßer des vor einiger Zeit ohne Atachmens unterschrifft auf der Post an mich geschickten Briefes ist,[6] indem in diesem Schreiben die Par=

N. 2[7]

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ticular Umstände meiner Köchin so genau angeführet werden, daß nur einer, welcher wie der Herr Professor Lowitz diese Frauens Persohn genau kennet, Nachricht haben kan. Außerdem meldet mir meine Köchin, daß der Hl: Prof: Lowitz zu ihr gesaget habe, daß er wisse wie ich das in diesem Brieff an Hl. Prof. Lowitz eingelegten Schreiben aufgebrochen, weil ich das Pettschafft[8] verändert hätte. Hat der Hl. Prof L: vorhero vom diesem Schreiben keine Wißenschafft gehabt, woher kan er denn wißen, daß das Pettschafft verändert seÿ?

III) Laßen folgende Umstände vermuthen, daß der Hl. Prof. Lowitz an der Einwerfung meines

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Fensters schuld habe: denn

  1) hat der Hl. Prof. Lowitz durch allerhand Drohungen meine Köchin zu bewegen gesuchet meinen Dienst zu verlassen, und sich beÿ verschiedenen Gelegenheiten gegen dieselbe folgender Ausdrücke bedienet
    a) Komt sie nicht wieder zu mir, so statuire ich ein Exempel, daß Sie es in ihren Leben nicht dencken soll: denn ich werde närrisch, des ...[?] und ist es ohnmöglich, daß ich sie auff den Reitstall lasse.
    b) Sie wird Verdrießlichkeiten genug bekommen, wenn sie noch keine hat.
  2) hat der Hl. Profess. Lowitz, sich beÿ meinem Dienst Mädgen,[9] vorhin genau erkundiget, ob jemand auf meinen Zim=
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    mer nach der Straße zu logire, auch wo meine zweÿte Magd genau schlaffe, wobeÿ zu bemercken, daß jedesmahl die Fenster in des Mägde Kammer beÿ der Einwerffung sind verschonet geblieben.
  3) Wie ich nach Hannover gereiset bin, so sind die Fenster abermahls mit zerstückten Bleÿ Kugeln eingeworfen worden, und hat des Hl. Prof: Lowitz Tages darauf meine Köchin zu wiederhohlten mahlen befraget, ob gar nichts vorgegangen das ihr bewust wäre.
  4) Hat der Hl. Profess. Lowitz zu meiner zweÿten Magd Johanna gesagt: die Fenster sehen entsetzlich aus; ich wolte es leichtlich heraus bringen, aber ich
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    muß fürchten, daß ich über den Haufen gestochen würde.

IV[10]) Wegen des Pasquills selbst machen folgende Umstände Hl. Profes: Lowitz verdächtig.

  1) zeiget der gantze Innhalt der Pasquille, daß der Verfaßer sehr genau Kundschafft von meinem Freünden und Bekandten haben müße. Nun hat ja der Hl. Profess: ohnablässig meine beÿden Mägde zu sich genöthiget, sie beschencket, und sich nach allen meinen Tritten und Schritten, und nach meinen Besuchen erkundiget, so daß er meine Mägde, nicht nur beständig angeruffen, sondern so gar meine
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    zweÿte Magd auf dem Gartlande aufgesuchet, und sie unter Versprechung eines Geschenckes nach dem Observatorio bestellt hat
  2) Hat der Hl. Professor Lowitz vorgegeben: er habe die Nacht vorhero um halb zwölf Uhr zum Fenster hinaus gesehen, und bemercket, daß etwas an des Metzgers Riemenschneider[11] Hauß angeschlagen wäre, und darauf solches abgenommen. Es ist aber unglaublich,
    a) daß der Hl. Professor Lowitz als ein Mÿops[12] zur nächtlichen zeit, wo kein Mondschein gewesen einen solchen Anschlag aus seinem Zimmer habe bemercken können.
    b) daß der Hl. Profess. ohne etwas
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      davon gewust zu haben sich die Mühe geben solte, beÿ nächtlicher Zeit aus seinem Hause zugehen und sich nach einem Anschlag, an eines Bürgers Hauß zu bekümmern
  3) Hat der Hl. Professor Lowitz sich wegen des Pasquills, gegen meine Köchin folgender Ausdrücke bedienet
    a) hat die Köchin zutrösten gesuchet mit den Worten: mit ihr seÿ es nur ein Anfang, es seÿ eigentlich auf die Gesellschaft gemeÿnet.
    b) als die Köchin auf dem Verfaßer des Pasquils geschimpft, hat der HL. Prof: Lowitz ihr solches wiederrathen, mit dem Zusatz: es könten ansehnliche Leüte gewesen seÿn, die das
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      Pasquill gemacht hätten.
    c) hat der Herr Professor Lowitz am 12ten Apr. das Pasquill meiner Köchin selbst gewiesen, und dabeÿ gesaget, daß er seine Anmerckung darüber auff die andre Seite geschrieben habe, dieses wiederspricht also der dem Hl. Prorectori Magnifico den 7ten Aprill gegeben Antwort, daß neml. der Herr Profeßor Lowitz das Pasquill verbrandt habe.
    d) hat der Herr Profess. Lowitz meiner zweÿten Magd Hanna ausführlich den Inhalt des Pasquills erzählet, mit dem Zusatz, es würde gewiß nicht aufhören, sondern Spectackel genug geben;
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      vielleicht habe derjenige der die Fenster eingeworffen auch das Pasquill gemacht.
    e) hat der Herr Profess. Lowitz meine zweÿte Magd Hanna gefraget, ob ich und meine Köchin, über das Pasquill böse wären wobeÿ der Herr Professor Lowitz hinzugesetzet so lange die Köchin beÿ ihm gewesen, seÿ ihr nichts geschehen, weil sie aber beÿ mir gewesen, so daure das Spectackel immer fort.
    f) hat der Herr Profess: Lowitz gegen meine Köchin sich folgendermaßen geäußert: er habe schon von zweÿ Orten gehört, daß ich Verdacht auf ihn habe, erführe er es noch einmal
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      so würde er suchen, die gantze Gesellschafft lächerlich zu machen, wenn man starck in ihm dringe, so wolle er dem Verfaßer nennen, oder das Pasquill, welches er noch habe, anschlagen und darunter schreiben, daß es ein Pasquill seÿ.

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Zusatz

1) hat der Hl. Pr: Lowiz zum öfftern meiner Köchin gesagt, Sie könte dienen wo Sie wolte, aber daß seÿ ihm ohnmögl. Sie auf dem Reutstall zu wißen, und zu leÿden

2) als meine Köchin ihn Hl. Proff: Lowiz gebeden, ihr doch die Pasquilanaten zu sagen, weile er doch sagte daß Er es wüste, so hat der Hl. Proff. Lowiz geantwortet: So daß Sie es dem Stallmeister wieder plauderte.

3) hat Er mein zweites Mädgen sehr offt aus meinen Dienst zu gehen, persuadiren wollen, und Ihr grose Geschencke dabeÿ versprochen.

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4) So darf ich kein Mädgen, welche in meinen Diensten sind, ausschicken wenn Sie vor des Hl Proff. Lowiz Haus vorbeÿ gehen müsten, indem er Sie allzeit zu sich hinaus nöthiget, beschencket, und Sie von meinem Hauß ausfraget.

5) Hl. Proff: Lowiz hat sogar sein Mädgen mit seinen Kindern in mein Haus geschicket, welches daraus erhellet.

  a) daß er meinen zweiten Mädgen allezeit, Geld durch seine Kinder zum Geschenk überschicket hat. So offt sein Mädgen mit den Kindern in meinem Hauß geweßen.

[Der Abschluss dieses Zusatzes fehlt]



Fußnoten

  1. Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760 Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Vgl.:
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075.
  2. Zusatz von anderer Hand: "welche der Hl. Stallmeister Ayrer übergeben"
  3. Christian Wilhelm Franz Walch (1726-1784) war seit 1754 Professor in Göttingen. Vom 3. Juli 1762 bis zum 4. Juli 1763 war er Prorektor der Universität.
  4. Eigentlich kommt hier nur der Brieff in Frage, den Lowitz am 18.06.1672 an den Stallmeister schrieb. Jedoch übergab der Stallmeister diesen erst am 29. April, also eine Woche nach Einreichung dieser Anzeige an den Prorektor, vgl. Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 34.
  5. Maria Elisabeth Becker war seit 1762 beim Stallmeister Ayrer als Köchin angestellt. Vgl.:
    Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472.
  6. Im Herbst 1762 erhielt der Stallmeister einen Brief ohne Absender, in dem der Lebenslauf der Köchin genau beschrieben war, sie sehr verleumdet und dem Stallmeister nahe gelegt wurde, sie zu entlassen. Vgl. Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 483-484.
  7. Aktennummer im Pasquillenprozeß.
  8. Petschaft ist der Siegelstempel.
  9. Johanna Maria Catharina Bering, des Stallmeisters Dienstmädchen, gab 1763 bei Verhören an, 20 Jahre alt zu sein und aus Einbeck zustammen, wo ihr Vater Schuster gewesen sei, Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 53, 254.
  10. Im Originalschreiben steht hier III). Von der Abfolge der Argumente her muss es aber IV) sein.
  11. Andreas Riemenschneider sen. wohnte in der Weender Straße 82. Vgl. Wellenreuther, Hermann (Hrsg.): Göttingen 1690-1755. Studien zur Sozialgeschichte der Stadt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988, S. 476, Tabelle XV, Eintrag 434.
  12. Myopia ist die Kurzsichtigkeit. Wer daran litt, war ein Myops. Vgl. Zedlers Universallexicon 22, 1739, Sp. 1718.