Briefwechsel Georg Moritz Lowitz
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Bilderbeck, Rudolf Christoph von (1714-1786)[1] |
Empfänger | Landesregierung in Hannover |
Ort | Hannover |
Datum | 5. Mai 1764 |
Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 8213, Bl. 107r-110r |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Pro=Memoria
Anlangend die 1te Frage:
Was den Rechten nach auf die 3. petita des Profess: Lo: zu verfügen?[2] |
Da bin ich quoad 2dum petitum aus den in meinen vorigen Gutachten angeführten Gründen, der beständigen Meÿnung, daß dem Profess: L. die von mir ausgestellten Gutachten[3] nicht zu communiciren.
Es sollen zwar nach demjenigen, was derselbe P: 35. angeführet, große Rechtsverständige und Criminalisten der Meÿnung seÿn, daß keine in dieser Sache ergangenen Schriften verborgen bleiben dürffen, und solche insgesamt partes actorum wären: Allein ich zweifle hieran. Gutachtens die ein Richter blos zu seiner Information sich geben läßet, oder erhält, sind so wenig partes actorum, als was derselbe von der Sache in einer Criminal=Instruction oder
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in einem Criminalisten lieset, und was
ihm etwan mündlich gesaget wird.
Solche Gutachten machen auch noch gar
kein Recht aus, und der Richter ist nicht
daran gebunden, sondern er kan darvon
wieder abgehen. Der Inquis:
kan eben dergleichen Gutachten sich geben
laßen, und er ist nicht schuldig, solche
ad acta zu liefern. Wäre der Lowitzsche Art
richtig, so wären die Privat=Bedenken,
deren er P: 35. erwehnet, ebenfals partes
actorum.
Es hindert auch nicht, wenn der Profess: L. p: 17. und 33. anführet:
Es wären solche Gutachten in Actis angezogen, und es hätten solche den gantzen Process dirigiret. |
Sie sind nicht angezogen um daraus etwas wieder L. zu erweisen, gleichwie sie dann auch nichts wieder ihn erweisen können, sondern ihrer ist nur in Ansehung des Processus gedacht. Was
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hierin geschehen, hätte ohnehin woll geschehen
müßen. Hat der Profess; L.
beÿ dem Process was zu erinnern, so
kan er solches dem ungeacht thun.
Der auswärtige Referent wird sich,
durch das beziehen auf die Gutachten,
nicht irre machen laßen.
Man siehet aber woll, daß der Profess: L. blos aus Eigensinn und Curiosität, imgleichen um die Sache aufzuhalten, und um die Gutachten zu sÿndiciren[4] und zu wiederlegen, auf deren Communication bestehet. In Sonderheit erhellet die letzte Absicht aus denjenigen, was er p: 26. seqq: anführet, und wer weiß, ob er nicht gar, wenn ihn solche communiciret würden, eine Injurien Klage daraus wieder mich anstellen mögte, da ihn besage p: 28. nicht unbekandt, daß ich deren Verfaßer bin. Quoad 1mum petitum ist fast eben das selbige zu sagen. Zwar führet der Profess:
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L. p. 7. seq: an:
Es müsten in denen Vorstellungen derer Hof=Räthe Aÿrer[5] und Michaëlis[6] neue und wichtige Beschuldigungen enthalten seÿn, weil Königl: Regierung dadurch bewogen von dem Rescript vom 16ten Jun; a: p: wieder abzugehen, und die Fortsetzung des Inquisit: Processus per Rescript; vom 23ten ejusd: der Gottinger Deputation aufzugeben. |
Allein aus den Eingang eben dieses Rescripti hätte derselbe leicht abnehmen können, daß keine von neuem angebrachte Beschuldigungen, sondern blos das Verlangen gedachter Professorum:
Es mögte die angefangene Untersuchung zu ihrer rechtmäßigen Satisfaction fortgesetzet, und der Lauff der Justiz nicht gehemmet werden. |
obige Veränderung veranlaßet. Damit man jedoch denen Lowitschen Querelen, so viel
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möglich abhelfen, und damit ein auswärtiger
Referent nicht irre gemachet werde,
und glauben möge, daß in offt erwehnten
Vorstellungen erhebliche Umstände
mithalten; So gebe anheim:
Ob man solche, wenn zuforderst die darin enthaltene anzüglichen Worte ausgestrichen, ad acta nehmen, und dem Professori L. davon Abschrift mittheilen wolle. |
Zumahl die Gemüther benanter Persohnen ohnehin schon dergestalt gegen einander erbittert sind, daß fast keine grösere Erbitterung, welche man durch die unterlaßene communication vermindern wollen, zwischen ihnen entstehen kan. Quoad 3 petitum, ist es meines Ermessens abermahl gantz unschicklich und wieder alle Process=Ordnungen, wenn der Profess: L. verlanget:
daß Königliche Regierung seine beÿ der selbe übergebene Vorstellungen mit | |
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verschicken solle. |
Denn zu geschweigen, daß solche zum Theil unnütze Sachen enthalten, so machet nicht das, was beÿ Königlicher Regierung übergeben, sondern dasjenige, was beÿ der Göttinger Universität Deputation ergangen, die Untersuchungs Acten aus.
Vermeinet der Profess. L. daß in seinen hieselbst übergebenen Vorstellungen, was Sach=dienliches enthalten, so kan er solches in seiner Defension=Schrift anführen, oder er kan derselben jene Vorstellungen als Anlagen gantz beÿfügen. Und würde er deßen zu bedeuten seÿn.
Betreffend die 11. Frage:
Ob nicht eine Auskunft zu treffen dieser Sache ein Ende zu machen? |
So glaube ich, das dergleichen Auskunfft nicht zu finden. Wolte man die Sache ruhen laßen, oder den Process aboliren,[7] so würde so wenig die Denuncianten
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und Injuriaten[8], als die Denuncianten
damit friedlich seÿn.
Inzwischen könte die Endschaft der Sache vielleicht etwas befodert werden, wenn man dem Profess. Lo: seine Aufzüge verweise, auch zu erkennen gebe, wie er dadurch, den wieder ihn obwaltenden Verdacht, nur vermehren, mit dem bedeuten die Einbringung seine Defension=Schrift nicht aufzuhalten, oder zu gewärtigen, daß ohne dieselbe abzuwarten, Acte verschicket werden sollten.
Hannnov. den 5 May; 1764
Bilderbeck
Fußnoten
- ↑ Bilderbeck war Hofrat in Hannover. 1780 wurde er Kanzleidirektor in Hannover, 1783 wechselte er in gleicher Stellung nach Celle.
- ↑ Bilderbeck bezieht sich auf das Schreiben von Lowitz vom 30. April 1764, das - ohne Beilage - 42 Seiten umfasste.
- ↑ Bilderbeck hat schon 1763 zwei Gutachten ausgestellt sowie ein weiteres im Januar 1764.
- ↑ syndiciren: "heißt insgemein tadeln, verwerffen, unkräfftig machen, sich beschweren, insbesondere einen Richter wegen seiner begangenen Parteylich= oder Ungerichtigkeit in rechtlichen Anspruch nehmen" (Zedler Universallexikon).
- ↑ Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat.
- ↑ Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
- ↑ abolieren: aufheben, abschaffen.
- ↑ Injuriat: veraltet für Beleidigter.