Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Walch, Christian Wilhelm Franz (1726-1784)[1]
Ort Göttingen
Datum 4. April 1767
Signatur SUB Göttingen: 2 Cod. Ms. philos. 133:4, Bl. 106r-v
Universitätsarchiv Göttingen: E-38-2, Scan 70-74
Transkription Hans Gaab, Fürth


Magnifice
Hochwürdiger Hochgelehrter
Insonders Hochzuverehrender Herr Professor!

Ew. Magnificenz haben diese Tage die Gütigkeit gehabt, mir auf zu tragen, zum Behuf des Protocolles über die Beantwortung der mir vorgelegten Fragen, die Antworten in einem Promemoria schriftlich einzureichen. Ich habe dieses ehegestern und gestern wegen einer unter denen Händen gehabten müheseligen Arbeit, die ich ohne Verlust der Zeit und Mühe nicht auf die Seite legen durfte, unmöglich befolgen können. Mithin nehme ich mir heute die Freÿheit Ew Magnificenz damit beschwerlich zu fallen. Es sind die Ursachen leicht ein zu sehen, warum ich diesen Aufsatz nicht durch fremde Hände ins Reine abschreiben ließ; da er zu keinem weiteren gerichtlichen Gebrauche bestimmt ist: und der Herr Professor Riccius[2] wird beÿ dem Durchlesen wenig Schwierigkeiten finden. Übrigens wünschte die mir vorgelegten Fragen durch eine privat Abschrift des Pedellen Fricke[3] gegen die Gebühr zu bekommen: damit ich überzeugt werde daß ich selbige recht verstanden und bemerket wie

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auch recht und ordentlich beantwortet habe. Unter Versicherns der größten Hochachtung und Ehrfurcht habe ich die Ehre zu seÿn

Ew. Magnificenz
und
Hochwürden

Göttingen den 4ten April
            1767.

gehorsamster Diener
Georg Moritz Lowitz


P. M.[4]
Antwort auf die mir vorgelegten dreÿ Fragen.

1) Was mich zu dem Schritte welchen ich gerichtlich gethan habe, nöthiget ?

2) Wie ich zu dessen Nothwendigkeit gekommen bin ?

3) Wie ich es beweisen könne ?


Auf die 1. Frage.

A) Die hohe Königliche Landes Regierung nöthiget mich dazu, in dem Sie die Zurückbezahlung derer mir und dem seel Rath Franzen zu meinem grosse Weltkugeln-Wercke vorgeschossenen Gelder durch executiv Processe zu bewürcken anfängt.
B) Meine übrigen Creditores, die ihre Schulden gleichfalls von mir fordern, wovon die Frau Wittwe Sachsen[5] den Anfang mit der gerichtlichen Klage zu gleicher Zeit gemacht hat, als die Königliche Regierung klagbar eingekommen ist: und ich mich daher befürchten muß daß die übrigen gleichfalls sich melden möchten.
C) Weil die Königl. Regierung mir auf meine öfters wiederholten Bitten, eine aussergerichtliche Untersuchung meiner Umstände, und fürnehmlich des verunglückten Kugelnwercks, wozu derer Gelder verwendet sind, auf meine Kosten zu veranstalten, keine Resolution ertheilt hat.
D) Weil ich erkenne, daß es mir unmöglich ist, aus eigenen Kräften dieses verunglückte Weltkugeln [Werck] jemals nur in den Stand setzen zu können, worinnen es vor den lezten schwehren Krieges Jahren gestanden hat.
E) Weil ich nicht länger hier ohne Besoldung und Einnahmen auf den Ausgang meiner Sachen leben, und noch weniger mich gegen die mächtige Konigliche Regierung in langwierige und Geld und Zeit versplitternde Processe einlassen kan.
F) Und endlich, weil ich billig erkenne, daß ein jeder meiner Creditoren, die mir sowohl die Zeit meiner lezten Drangsalen über, beygestanden: als auch diejenige, welche Gelder zu meinem Weltkugel Wercke vorgeschossen haben gleich viel Recht zu meinem Vermögen besitzen.

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Auf die II. Frage.

a) Ich habe alles mein Vermögen in das, durch die Königliche Regierung ganz ohne mein Gesuch, und wieder meinen Willen hieher versezte Weltkugeln Werck angewendet und versteckt: welches ich mit reichen Interessen wiederum erhalten hätte, wenn durch kräftigere Unterstützung die Ausfertigung dieses Wercks zu Stande gekommen wäre.
b) Weil die hohe Königliche Landes Regierung mir in dem zweiten Jahre meines Hierseÿns Hoffnung machen ließ, daß wenn ich so viel aus eigenen Kräften als mir nur möglich ist, an das Weltkugeln Werck verwenden werde, Sie mich als denn zur fernern und endlichen Ausführung vollends unterstützen wolle. Deswegen habe ich, um meinen ganzen Ernst zu zeigen, selbst von der Königl Kloster Casse, auf den Credit und Bürgschaft meiner seel. Frau Eintausend Rthl gegen dreÿ Procent Interessen auch vom Hl Bergfactor Meÿer[6] auf dem Harze andre Eintausend Rthl gegen 5 Procent Interessen: wie auch von der hiesigen Frau Wittwe Zimmermannin dreÿhundert Rthl gegen 5 Procent jährliche Zinsen entlehnet, und mit einander in das besagte Werck gestecket. --- Diese mir gemachte Hoffnung wurde noch von dem höchstseeligen Absterben Sr. Majestät Georgs des Zweÿten Königs von Engelland, durch den Herrn Hofrath Böhmer[7] auf hohen Befehl der Königlichen Landes Regierung erneuert: aber nicht erfüllt.
c) Weil ich alle Hoffnung hatte, daß wenn ich dieses kostbare Welt-Kugeln-Werck ganz alleine übernähme, und den seel Rath Franz, dessen Umstände dem Fortgange desselben hinderlich waren, davon absonderte: als denn die Königl. Landes Regierung mich vollends zur Ausführung gehörig unterstützen würde; so habe ich damit zu gleicher Zeit die Verbindlichkeit gegen die Vorschüsse der Königl Regierung so wohl, als auch gegen die übrigen sämtlichen Herren Pränummeranten[8], von dem Rath Franz über mich nehmen müssen --- ausser dieser sichern Hoffnung
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  würde mich nichts dazu haben bewegen können, mich dieser Last zu unterwerffen.
d) Der Krieg überhaupts, und zwar insbesondere die zweÿ lezten Jahre haben nicht allein mich sehr viel Geld gekostet: sondern ich muste auch meine Arbeiten an dem Kugeln-Wercke einstellen, und meine Künstler aus ein ander gehen lassen. Zu gleicher Zeit aber wurde mir mein ganzes Kugellaboratorium, nebst dem ganze Vorrath fertiger Kugeln-Körper, nebst ihren geschnitzten Gestellen, bis auf 6 Stück, die ich auf meinen Vorsaal im dritten Stockwercke meines Hauses retten konte, nebst allen dazu gehörigen Maschinen, gänzlich zerstört, theils zusammen geschlagen, verbrand und vernichtet: wodurch also nicht allein das darein gesteckte Geld, sondern auch meine saure Mühe, mein steter Fleiß und täglicher Schweiß, wie auch alle meine Hoffnungen zu Grunde gerichtet wurde. Denn man steckte fünff Offizire mit 16 Domesthiquen und 23 Pferden in unser kleines Hauß: wo mir nichts als eine einzige Stube übrig geblieben ist, mit Frau und Kindern nebst dem Gesinde darinnen zu wohnen und zu schlaffen.
  Ich konte nichts, durch alle meine Bemühungen und Intercessionen so gar hochfürstlicher Persohnen, retten: sondern weil die Feinde glaubten, in dem sie stets selbst von denen Herren Mitglieder der hiesigen Universität, die Versicherung erhielten, daß das Werck eine königliche Fabricke seÿ, es unter diesem Titel auch ruineret werden müsse. Denn der unbarmherzige Graf Devaux[9] antwortete mir und dem Rath Franz, der mich in Gesellschaft des seel. Prof. Roederers[10] dahin begleitete:
  daß man jezt hier keine Weltkugeln brauche, und daß weil die Fabricke Königl wäre, wie Er wohl wüste, sie nicht geschonet werden könne, in dem [m]an eben darum Krieg mit dem Könige von Engelland führe um Ihn durch die Folgen desselben zu einem honorablen Frieden mit Franckreich zu zwingen: deswegen wäre mit dessen Sachen nicht zu complimentiren.

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  Beÿ der Versicherung aber die wir Ihm ertheilten, daß es nicht eine Königl. Sache, sondern nur ein Privatwerck seÿe, und daß die Gelder, welche der König zur Fortsetzung vorgeschossen habe, von uns wiederum zurucke gezahlet werden müsse; lachte Er uns aus, und sagt:
  Er wäre von der Sache besser informiert als wir glauben. Und wenn wir Schaden litten, so müsten wir uns an unsern König halten, der die Kriegs Schäden seinen Unterthanen und Bedienten wiederum ersetzen werde. ---- Er brauchte Ställe für die Pferde, und Quartier und Holz zur Feuerung für seine Besatzung: und dieses wird genommen, wo es zu finden ist.
  Ich machte daher eine betrübte Vorstellung an die Königl Landes Regierung, um mir auf irgend eine Art in dieser Noth beÿ zu stehen, erhielt aber keine Antwort. Nachdem wendete ich mich im November 1761 mit einem Schreiben, als die gröste Noth mich bedrohte, an den regierenden Herrn Herzog in Hildburghausen[11], der bekantermaßen vorher beÿ seiner Hierdurchreise mir die grosse Ehre erwießen und meine Sachen in hohen Augenschein genommen und mit allem Beÿfall beleget hat, mir durch ein gnädigstes Intercessions-Schreiben beÿ dem damaligen Marschall Duc de Broglio[12] zu statten zu kommen: von welchem Handschreiben selbst des Herrn Herzogs Durchlaucht durch den Herrn Hofrath Kobe[13] mir die Abschrift zu senden ließ. Was dieses für eine Würckung gehabt; und in was für eine neue Verwirrung ich dadurch gerathen bin, ist hier der Ort nicht zu erzählen. Es dienet dieses ohnedem zu nichts als nur zum Behuf des Beweises, wie sehr ich mich bemühet habe, den Ruin meiner Sachen von mir abzuwenden.
e) Endlich komt noch dieses dazu, daß ich genöthiget war, wegen der bekanten Pasquillen Inquisition an Michaelis 1763 meine Dimission zu nehmen, und seit dieser Zeit, hier ohne die geringste Geldeinnahme und
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  doch beÿ jährlicher Bezahlung meiner schwehren onerum publ. mit den Meinigen unter beständigen Hauscreutzen, da ich in dessen ein Kind, und auch meine liebe Frau durch den Tod verliehren muste, durch zu leben: wobeÿ ich selbst die mehreste Zeit über kranck, und zwahr etliche mahle tödlich kranck darnieder liegen muste. Dem ohngeachtet gab ich mir alle Mühe von der Welt, so vieles ab zu bezahlen als nur möglich war. Wie ich denn ausser andern kleinen Posten, nachdem Harze 1000 Rthl ferner der Madam Zimmermännin ihre 300 Rthl beÿdes auf dem Rathhauße indessen bezahlet habe: welches alles durch Quittungen zu beweißen ist.
f) Mein Hauß womit ich die hiesigen Schuldner befriedigen wollte, habe ich freÿwillig zu fünff verschiedenen Terminen öffentlich beÿ Rathhause anschlagen und feilbieten lassen: aber durch eine gewissen Verfügung der Königl Regierung sind alle diejenigen, die vorher zum Kauffen Lust bezeigt haben, davon abgeschröckt worden.

Es ist mir also kein anders Mittel übrig meine Creditores zu befriedigen, als ihnen mein sämtliches Vermögen, ausser einigen Kleinigkeiten zu ihrer eigen zu nehmenden Bezahlung abzutretten.

Auf die IIIte_Frage:

Ich kan das was ich angegeben habe theils durch

α Briefschaften: theils durch
β den Augenschein der Überreste meines ruinirten Kugelweckes beweisen: theils aber kan ich, weil die Persohnen, die den Zustand meiner Sachen vorher gesehen, aber wegen Länge der Zeit vielleicht vieles vergessen haben; und was ich überhaupts nicht durch Documenten beweisen kan, was noch nöthig ist, durch
γ einen abzulegenden cörperlichen Eid[14] gewiß und rechtskräfftig machen.

Georg Moritz Lowitz.



Fußnoten

  1. Christian Wilhelm Franz Walch (1726-1784) war seit 1754 Professor in Göttingen. Vom 3. Januar 1767 bis zum 2. Juli 1767 war er Prorektor der Universität. Der Name des Adressaten wird im Brief nicht erwähnt, er dürfte sich aber an den Prorektor gerichtet haben.
  2. Christian Gottlieb Riccius (1697-1784) war außerordentlicher Professor und Syndicus der Universität in Göttingen.
  3. Johann Daniel Christoph Fricke (1735-1809) war seit 1763 Pedell in Göttingen. Vgl. Lichtenberg, Georg Christoph: Briefwechsel, Band 4: 1793-1799. Unter Mitarbeit von Julia Hoffmann herausgegeben von Ulrich Joost und Albrecht Schöne. München: Beck 1992, S. 1059.
  4. P. M.: Pro Memoria, zum Gedächtnis bzw. Gedächtnisprotokoll.
  5. Der Apotheker Johann Florentin Sachse hatte am 17.06.1739 das Bürgerrecht erworben. Seit 1740 wohnte er Auf der langen Marschstraße 861. Sein Haus wurde "Maschapotheke" genannt, er betrieb darin aber einen Weinschank. Offensichtlich ist er vor 1767 gestorben.
    Die Klage seiner Witwe wurde am 12.02.1767 präsentiert, Universitätsarchiv Göttingen: E-38-2, Scan 29-36 Wellenreuther, Hermann: Göttingen 1690-1755. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988, S. 391, Tab. IV, Nr. 676; S. 461, Tab. XIV, Nr. 317.
    Marx, Karl Friedrich Heinrich: Goettingen in medicinischer, physischer und historischer Hinsicht geschildert. Dieterich: Göttingen 1824, S. 275
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 46, Fußnote 299.
  6. Heinrich August Meyer (1737-1799) war Bergamtsauditor in Clausthal.
  7. Georg Ludwig Böhmer (1715-1797) war seit 1743 ordentlicher Professor der Rechte in Göttingen.
  8. P. M.: Praenumeration: Vorauszahlung.
  9. Der Graf de Vaux (Noël de Jourda, 1705-1788) war während der Besetzung Göttingens vom Oktober 1760 bis August 1762 der Kommandant von Göttingen. Vgl.:
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 258 unter dem Stichwort "Jourda".
  10. Johann Georg Roederer (1726-1763) war seit 1751 Professor für Geburtshilfe in Göttingen gewesen. Er war am 4. April 1763 gestorben.
  11. ↑ Herzog von Hildburghausen war Ernst Friedrich III. (1727-1780).
  12. ↑ Victor-François de Broglie (1718-1804) war französischer Heerführer und Staatsmann. Im Dezember 1759 war er zum Marschall von Frankreich ernannt worden.
  13. ↑ Johann Sebastian Kobe von Koppenfels (1699-1765) war Hofbeamter und Geheimrat am Hofe von Hildburghausen.
  14. ↑ Ein körperlicher Eid ist ein persönlich geleisteter Eid.