Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Fincke, Heinrich Arnold[1]
Empfänger Deputation der Universität
Ort Göttingen
Datum 10. Juni 1767
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: E-38-2, Scan 113-127
Transkription Hans Gaab, Fürth

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praes. d. 10. Jun. 67.

Gehorsamste Anzeige und Bitte
von Seiten
Advocati Heinrich Arnold Fincken
curatorio nom. des Hln. Profeßor
Lowitz Sohns Tobias Lowitz[2]

ad acta
die Lowitsche credit
Sache betreffend


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Königl. Großbrittanische zur
Churfürstl. Braunschweig Lüneburgl.
Georg August
Universitaets Deputation
Hochverordnete Herren Prorector[3]
Decani und Professores
Magnifice
Hochwürdige Wohl und Hochedelgebohrne
Hochgelahrte Hochgeehrteste Herren


Euren Magnificence, Hochwürden und Wohlgebohrn wird geneigtest erinnerlich seÿn, daß die hohe Königl. Regierung in Credit Sachen des Hl.

/22.[4]

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Professor Lowitz gnädig resolviret, daß dem gedachten Hl Professor Lowitz, wann er binnen jetz und Michaelis[5] d. J. 1500 Rt bezahlet habe, die andere Hälffte seiner Schuld mit 1500 Rt verlaßen seÿn solle, nicht weniger wolle hohe Landes Regierung, wenn für die Bezahlung der sodann bis Michaelis zu berichtigenden 1500 Rt gerichtliche Sicherheit beschaffet seÿn würde, verstatten, daß falls andere creditores nicht contradicirten, demselben die freÿe Disposition des Vermögens wieder überlaßen, und daher die Entsiegelung des Mobiliar-Vermögens vorgenommen werden möge.

Weil der minderjährige Sohn des Hl. Professor Lowitz hiebeÿ sehr interessiert

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ist, und ich mich wegen obiger Umstände für dem Lowitzschen Sohn als Curator erklähren sollen, dieses aber so wenig mir, als der Hochlöbl. Deputation darein zu consentiren und dieserhalb Resolutions zu faßen, ohnmöglich gewesen, bevor nicht praeter propter[6] ein Überschlag gemachet und ad acta gebracht worden

  a) wie viel ohngefehr das sämtl. annoch vorhandene Vermögen an Wehrt beträge, und dafür baar aufkommen werde,
  b) wie hoch sich die illata[7] der seel. Frau Professorin gebl. Riepenhausen[8] belaufen, und folglich was davon legitima[9], als in diesem Fall die tertia ausmache.

Als ich nun mit dem Hl. Profeßor

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conferiret, und einen Uberschlag von diesen beÿden Puncten gemacht. So nehme mir die Freiheit, nachfolgendes Hochdenenselben anzuzeigen und zwar ad a) daß vermeldter Hl. Professor das Vermögen

1) die Bibliotheck nebst mathematischen Instrumenten und sonstigen curiosis

    auf 1700 Rt
  2ten die Meubl 500  "
  3) das Haus 2400  "
  4) das Land 120  "
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  in Summa zu 4720 Rt anschlägt,

und ehender mehr als weniger dafür aufzubringen hoffet.

ad b) führe ich an, daß ich mich zwar Mühe gegeben, von den Anverwandten auch sonsten aus dem Stadt Handelsbuch Nachricht einzuziehen, um so viel als

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möglich mit Gewißheit die illata bestimmen zu können. Ich finde, daß zu den illatis zu nehmen

1) für verkauffte Grundstücke 1582 Rt 18 Gr
2) baar durante matrimonio von Hln. Senat. Riepenhausen und sonsten ein legatum aus der Grundschafft sämtl. 933  " 12  "
3) an mobilien und dergl. 528  " 12  "
4) das vorhandene Land 120  " ---  "
5) das Haus so nicht verkaufft 2400  " ---  "
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  Summa 5564  " 6  "

Wenn man es genau nehmen, und alles dasjenige, was meiner Curanden Mutter beÿ der Theilung des von weÿl. Hl. Bürgermeister Riepenhausen nachgel. Vermögen zugefallen, in computum bringen wollte, so wird gewiß derselben Erb

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Portion zu 6000 Rt zusetzen seÿn, und wovon legitima als tertia pars 2000 Rt betragen würde.

Wann inzwischen aber

a) dieses Vermögen des Curanden Mutter schon vor ihrer Verheÿrathung erhalten und würcklich
b) eine in der Erbschafft auf 260 Rt angenommene Scheure ante matrimonium verkaufft,
c) ein halb Morgen Gartland auch nicht mit als verkaufft in Stadt Handelsbuche aufzufinden, und daher nicht gewis weis, ob solches nicht auch vor der Ehe verkaufft worden,
d) der Hl. Professor aber nicht geständig seÿn will, daß er baar Geld beÿ der Verheÿrathung vorgefunden, auch
e) nicht viel von den von mir

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  auf 528 Rt 12 gr angegebenen Meublen und dergl. noch von den Leibzeuge und Kleidungen verstatten will, und daher nicht völliger Bürge für die würckliche illation derselben meublen, da sie selbige vor der Ehe erhalten, seÿ kann,
f) das Haus wohl schwerlich für 2400 Rt verkaufft werden wird,

mithin ich mir nicht getraue die wahre illation der 6000 Rt Wehrt zu beweisen; Und dann meiner Meinung nach ohne dem, wenn ich würcklich den Beweis führen und mit Proceßen zu den Pflichttheil gelangen soll, ein beträchtliges an Kosten angewand und meinem Curanden verlohren gehen würden. So habe ich sehr für zuträglich erachtet, wenn ich das Pflichttheil auf ein ge

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wißes quantum vergliche und meinem Ermeßen wäre hier wohl der Durchschnitt dahin zumachen, wenn ich die legitima auf 1800 Rt setze. Dieses quantum habe auch selbst Hl. Professor Lowitz vorgeschlagen, welcher nach vielen Vorstellungen auch scheinet damit zufrieden zu seÿn.

Wenn dieser Pflichttheil bestimmet ist, so läßt sich auch mehr schließen, in wiefern aus dem noch vorhandenen Vermögen diese legitima, die 1500 Rt an die Regierung, und übrige Schulden bezahlt werden könnten.

Euer Magnificence, Hochwürden u. Wohlgebl. habe demnach gehorsamst um Ratihabition[10] dahin auflehen sollen, ob um alle Liquidations=Weitläufftigkeit zu vermeiden, nach den gegenwärtigen Umständen die legitima zu 1800 Rt

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in Pistolen zu 5 Rt vergleichsweise zu setzen seÿ, als worüber ich mir eine beondere Obervormundschafftliche Resolution erbitten muß.

Wird die legitima also in der Maße ihre Liquiditaet erhalten; so würde, wenn man auch von der obangeführtermaßen zu 4720 Rt angeschlagenen massa bonorum die 1500 Rt zum voraus bezahlen laßen, noch zu Berichtigung

der legitimae 3220 Rt
übrig bleiben, und folglich zu Befriedigung der übrigen Gläubiger nach Abzug der legitimae zu 1800
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  1420 Rt

noch vorräthig bleiben.

Sollte auch das Haus nur auf 2000 Rt versteigert werden, so bleiben dennoch zuletz 1020 Rt welche Hl.

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Professor nicht zu Abtragung der übrigen Schulden nöthig zu haben glaubet, indem er die Schulden nach Abzug der obigen 1500 Rt und der legitimae nicht auf 1000 Rt schätzet.

Nach diesem Entwurff und Uberschlage ließe sich wohl allenfalls behaupten daß die legitima, wenn ich sie auf 1800 Rt bestimme, hinlänglich bezahlet werden könnte, wenn auch die Regierung 1500 Rt und ein anderer Hÿpothecarischer Cretitor Nahmens Meÿer[11] aus dem Clausthal den schuldigen Rest etwa zu 300 Rt vor meinem Curanden erhalten sollte. Gleichwohl würde es jedoch damit nicht genung seÿn, wenn ich auch schlichtweg in das obige Verlangen der Regierung und freÿen Dispositon des Ver=

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mögens consentirte, weil Hochlöbliche Deputation allemahl ermeßen wird, ob von Ober-Vormundschaffts wegen solches gebilliget und ratihabiret werden könnte. Ich überlaße daher Hochderoselben weisen Entschließung, was ratione des Curanden beÿ obdeducirten Umständen für eine Erklährung und Entschließung zu faßen, nur kann ich nicht bergen, daß ich freÿlich gern alle Liquidationes und Concurs entübriget sehen mögte, weil ich im Concurs ohnzweifel wegen des Curanden mehrere Weitläufftigkeit hätte.

Anerwegen sich des Curanden Mutter für 1000 Rt an die Regierung und Hl. Meÿer auf dem Clausthal ohnedem gerichtlich verbürgert.

Würde demnach allenfalls die

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Bezahlung der legitimae außer Zweifel seÿn; So käme noch darauf an, wie Sicherheit durch Anordnung zumachen, wenn Hl Professor Lowitz durch seine Disposition würcklichen Abtrag machen werde. Es offeriret sich derselbe zu einem Eÿde, daß er das Vermögen würcklich zu Bezahlung der Schulden versilbern, und deshalb nächstens eine ordentliche Berechnung hergeben wolle. Ich stelle auch dieses dem Hochlöbl. Iudicio anheim, oder ob Hl. Professor nicht dahin zuvermögen seÿ, daß beÿ der wenigstens zu machenden Specification des Vermögens oder wenigstens beÿ dem Verkauf ich als Curator gemeinschafftlich zugezogen dabeÿ gegenwärtig seÿn, auch das übrig bleibende Kaufgeld

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vom Hause so fort im Gerichte ingl. beÿ dem Verkauff der Bibliotheck und Mobilien das aufkommende Geld sogleich bis zu gäntzlicher Befriedigung des Curanden erheben könne.

Durch letzters würde nicht allein eine Sicherheit für das Iudicium und für den Curanden, sondern auch für die übrigen sich gemeldeten Gläubiger erhalten werden. Indeßen habe ich mir wenn der Concurs seinen Fortgang erhalten sollte ratione des Vorzugs Rechts der legitimae gegen einen jeden Gläubiger, auch wegen computationis legitimae quavis competentia reserviren, und nochmals um baldige geneigste Resolution gantz gehorsamst bitten sollen.

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Übrigens bitte ich die communication dieses exhibit so wenig an andern Gläubiger als an Hl. Professor Lowitz zu verstatten, weil darinnen Äuserungen sind, die ich bloß dem Hochlöbl. iudicio als OberVormund gethan.

Desuper omni meliori modo officium nobile iudicis decenter implorando[12]!

conc: HA Fincke



Fußnoten

  1. Nachdem sich Lowitz für zahlungsunfähig erklärt hatte, war seinem Sohn als Kurator der Advokat Heinrich Arnold Fincke zugewiesen worden.
  2. Tobias Lowitz (22.04.1757-07.12.1804) war das einzige überlebende Kind aus der zweiten Ehe von Lowitz.
  3. Christian Wilhelm Franz Walch (1726-1784) war seit 1754 Professor in Göttingen. Von 03.01.1767- 02.07.1767 war er Prorektor der Universität.
  4. Aktennummer in der Designatio Actorum.
  5. Michaelis ist das Fest des heiligen Michael am 29. September.
  6. praeter propter: ungefähr, etwa.
  7. illata: das Eingebrachte.
  8. Dorothea Regina Elisabeth Riepenhausen (23.07.1723-14.03.1765) war Tochter des Göttinger Bürgermeisters Otto Riepenhausen (1676-1750). Sie hatte am 20.04.1756 Lowitz geheiratet.
  9. legitima: Pflichtanteil am Erbe.
  10. Ratihabition: Willenserklärung zur Genehmigung dieses Rechtsgeschäfts.
  11. Heinrich August Meyer (1737-1799) war Bergamtsauditor in Clausthal. Der ausgeschriebene Vertrag befindet sich im Stadtarchiv Göttingen: Amtsbücher Exp. IV Bd. 23, S. 587-595. Vgl. auch den Eintrag zu Meyer im Siebenfacher Königl. Groß-Britannisch- und Chur-Fürstl. Braunschweig-Lüneburgischer Staats-Calender für 1763, S. 34.
  12. Desuper omni meliori modo officium nobile iudicis decenter implorando: Mit dem Ansuchen das hohe Gericht möge über das Ganze gnädig befinden.