Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief  
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Blumentrost, Laurentius (1692-1755)
Ort Nürnberg
Datum 3. Mai 1724
Signatur Akademie der Wissenschaften St. Petersburg, Archiv, F. 1, op. 3, Nr. 8, Bl. 260r-261r
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdelgebohrner und Hochgelährter, insonders
Hochzuehrender Herr und hoher Gönner!

Das von E. HochEdelgebl. an mich abzulassen Beliebte habe ich neulich richtig erhalten[1] und aus selbigen zur Genüge ersehen, wie man nemlich, nachdeme seine Kayßerl. Mayestaet unter andren glorieuxen Unternehmungen eine Academie der Wissenschafften zu dern nehern Aufnahme in dero Landen, höchst rühmlichst nunmehro in Petersburg etabliret, eine allzu gnädige Reflexion auf meine Wenigkeit zu machen geruhe, und ein Mitgliedt bey solcher mit abzugeben verlange, als erstatte hierauf zur schuldigsten Antwort, daß, so ich meine gegenwärtige constitution etwas genauer erwäge, als da ich durch das allzu viele sizen, je stärcker sich die Kälte bey mir einfindet, auch desto mehren Incommoditaet von dem malo Hypochondriaco öffters leider! zu erdulten habe, dann aber in Consideration ziehe, wie etwann wegen der Kälte ihr weit strengeres Clima noch gar zu allen laboribus untüchtig machen würde, ich mich, um nicht mit wider Argument mehr Verdruß als Vergüngen zu causiren, wieder meinen Willen genöthiget sehe, dieses unterthängig zu depeniren[2], unterdessen aber werde mir höchstens zu gratuliren wissen, so meine wenige dienste, die ich jederzeit, da ich nunmehro 20 Jahr lang Mathematica und Physica als Prof: Publ: in meinem Patria tractire,[3] allen rechtschaffenen Befördereren dieser schönen Wissenschaften devoviret,[4] dahin angedeyen mögten, daß ich selbige von hier aus in aller Ergebenheit darlegen könte,

[Bl. 260v]
zumahlen so unser Herr Homann, der schon etliche Wochen am Stein und andren beschwerlichen Zufällen, gar gefährlich darnieder lieget, eben dergleichen gutes Intent bey seinem erfolgenden Todt an den Tag zu legen nicht ferner vermögend wäre.[5] Diese bemeldte Kranckheit des Herrn Homanns hat verursacht, daß ich über 8 Tag späther mit diesem meinem Schreiben aufwarte, indeme er mir bey der vermeynten Besserung immer die Hoffnung gemacht, daß er durch seinen Einschluß den Brieff zum richtigen Empfang befördern wollte, nachdeme ich aber verspühret daß es eher schlimmer als besser mit Ihm wird, habe ich dieses mein Schreiben zu beschleunigen nicht länger verabsäumen können. Inmittelst bitte E. HochEdelgebl. hohen Faveur, und, wo es beliebig, dero angenehme Correspondenz mir noch ferner aus, indeme sehr begierig bin was auch in weit entlegenen örtern curieuxes passiret, zu vernehmen, absonderl. so E. HochEdelgebl. was neues von besondern observatonibus Medicis, Physicis, Mathematicis gütigst zu communicieren belieben hätten, so wollte ich selbige in die Ephemerides der Naturae curiosorum, von welcher Societaet in nunmehro 9 Jahr lang ein Mitgliedt zu seyn die Ehre habe,[6] zu inseriren mir angelegen seyn lassen, vor mich aber, wo einige observationes der Declinationis magneticae, die in ihren Gegenden auch in Moscau inzwischen angestellet worden, nebst beyfügung

[261r]
der Zeit, zum wenigsten des Jahrs und des Monaths, dann auch die eigentliche observirte Elevationum Poli von Petersburg ohne sondere incommoditaet zu haben, gehorsamst ausbitten, ich werde dargegen gar gern mit andern curiosis, die ich durch die Correspondenz aus Engeland, Franckreich, Italien etc. vernehmen werde, auf zu warten parat seyn, als der ich in aller Ergebenheit bin und verbleibe

Nürnberg den 3. May.
    A. 1724.

E. HochEdelgebl.
meines hohen Gönners

ergebenster Diener  
J G Doppelmayr mpp


Fußnoten

  1. Der Brief von Blumentrost an Doppelmayr ist nicht überliefert.
  2. "Depeniren, heißt in der Kaufmannssprache, die Vollziehung eines vorhergegebenen Auftrages zu untersagen".
    Vgl. Heuberger, Johann Wilhelm Eberhard: Nothwendiges Handwörterbuch zur Erklärung aller in deutschen Büchern und Journalen vorkommenden fremden Wörter, Kunstausdrücke und Redensarten. Duisburg, Leipzig: Bädeker 1806, S. 171.
  3. Doppelmayr wurde 1704 Professor für Mathematik am Nürnberger Egidien-Gymnasium.
  4. "Das hieß man: sich devoviren, sich den Göttern als ein Sühnopfer für das Vaterland darstellen".
    Vgl. Collin, Heinrich Joseph von: Sämtliche Werke, Band 1. Wien: Anton Strauß 1812, S. 159.
  5. Homann starb am 1. Juli 1724.
  6. Doppelmayr wurde am 2. April 1715 in diese Sozietät aufgenommen.