Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief  
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Blumentrost, Laurentius (1692-1755)
Ort Nürnberg
Datum 22. Juli 1724
Signatur Akademie der Wissenschaften St. Petersburg, Archiv, F. 1, op. 3, Nr. 8, Bl. 164r-165r
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nürnberg, 22. Jul.
A. 1724  

HochEdelgebohrner,
      Insonders Hochzuehrender Herr, Hoher Gönner!

Ich zweiffle nicht es werde E. Hochedelgebl. meine vor einiger Zeit auf dero Werthestes abgelassene Antwort richtig erhalten[1] und daraus vernommen haben, wie ich, weil nach meiner bisherigen Leibes constitution in einem solchen Climate, worinnen Petersburg lieget, unmöglich in die Länge dauren und erfreuliche dienste leisten kan, der vielen Gnade, um dorthin zu gehen und in einer trefflichen Employ zu stehen, mich wohl nicht theilhafftig machen könne, damit aber E. HochEdelgebl. meine gehorsamste Ergebenheit sonsten in andern Fällen sattsam verspühren möge, so habe nicht gezögert, um eine ander Persohn vor mich darzustellen, wie ich dann anstatt meiner einen weit tüchtigern Mann hierzu ausgefunden, welcher so er zuvor wissen sollte in was vor Terminis seine Tractamenten bestehen mögten, Er, da

[Bl. 164v]
selbige avantagieux,[2] keine Schwierigkeiten machen, dieses herrl. Emploiement annehmen und der neuen Academie stattlich dienen würde, es ist aber derselbe Herr Nicolaus Bernoullius des vortrefflichen Mathematici, Herrn Johannes Bernoulii, Sohn,[3] welcher seine in Mathematicis besizende Erudition durch verschiedene Proben in denen Actis Eruditorum Lipsiensibus dargethan.[4] Belieben demnach E. HochEdelgebl. hierüber nächstens sich weiter vernehmen zu lassen, da ich dann gern hierinnen weiter aufwarten werde. Unser guter Herr Homann hat noch endlich den 1 Julii sein Leben nach vieler Qual endigen müssen, dessen als eines praven Mannes Todt man billich bedauren mag, weil er nun todt werde ins künftige mehr auf die Geographie dencken, dahero auch begierig bin zu vernehmen ob man nicht schon inzwischen zu Petersburg die Emersiones und Immersiones primi Satellites Jovis, um dessen situm geographicum recht anzusezen, observiret habe, um welche observationes ich mich de meliori[5] recommendiren, und, wie groß die Polus Höhe allda seye, daß man gütigst berichte, bitten will, sollte sich was von observationibus circa Magnetis Declinationem oder anderer curiosis

[Bl. 165r]
die leicht communicable sind, ebenfalls erlangen können, werde ich in allen andern occasionen meine Ergebenheit zu weisen niemals ermangeln, in specie aber mit allem fleiß darthun wie ich in vieler Devotion seye und verbleibe

E. HochEdelgebl.

Meines hohen Gönners

P. S. Bitte bey Gelegenheit mein unterthäniges compliment bey Sr. Hochgräfl. Excellenz Herrn Baron von Bruce,[6] da ich die Gnade habe seine hohe Persohn von 13 Jahren her, da sie in Nürnbl. waren, zu kennen, ohnbeschwerd abzustatten.   gehorsamst: ergebenster diener

J G Doppelmayr mpp


Fußnoten

  1. Doppelmayr hatte am 3. Mai 1724 Blumentrost geanwortet. Das Schreiben von Blumentrost ist nicht überliefert.
  2. avantagieux: vorteilhaft.
  3. Nicolaus Bernoulli II. (1695-1726) war der Sohn von Johann Bernoulli (1667-1748). Seit 1723 war er Rechtsprofessor an der Berner Oberschule. Der Vorschlag ihn nach Petersburg zu empfehlen geht auf Goldbach zurück. Vgl. den Brief Doppelmayrs an Goldbach vom gleichen Tag.
    Goldbach selbst schrieb am 7. November 1724 an Jakob Hermann nach Frankfurt an der Oder: "Als der berühmte Doppelmayr mir schrieb, daß er die ihm an dieser Akademie angebotene Stelle abgelehnt habe, antwortete ich ihm, daß Nicolaus Bernoulli, der Sohn von Johann Bernoulli, vielleicht dorthin gehen könnte, wenn man ihn bei angemessenem Gehalt einlädt. Ich bat Doppelmayr, dementsprechend nach Petersburg zu schreiben, ohne schon Bernoulli in Kenntnis zu setzen."
    Vgl. Juškevič, Adolf Pawlowitsch; Kopelevič, Judith Chaimovna: Christian Goldbach 1690-1764. Aus dem Russischen übersetzt von Annerose und Walter Purkert. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser 1994, S. 45.
  4. In den Acta Eruditorum finden sich die folgende Aufsätze von Nicolaus Bernoulli:
    - Nic. Bernoulli Joh. F. de Trajectoriis curvas ordinatim positione datas ad Angulos rectos vel alia data lege secantibus; qua occasione communicatur gemina constructio alicujus problematis a Leibnitio propositi de trajectoriis orthogonalibus: una cum Appendice de Epistola pro Eminent Mathematico Actis Lips. Mens. Jul. A. 1716 inserta. Acta Eruditorum 1718, S. 248-262.
    - Nic. Bernoulli Jo. Fil Exercitatio Geometrica de Trajextoriis Orthogonalibus, continens varias earum tum inveniendarum tum construendarum methodos, sua vel Demonstratione vel Analysi munitas cum praemissa discussione quarundam ejusdem problematis solutionum. Acta Eruditorum 1720, S. 223-237
    - Enodatio Alicuius Problematis Geometrici a Cel. Jac. Hermanno propositi; atque de Inveniendis Curvis Algebraicis, ab eodem Viro propositis, quae non sint indefinite rectificabiles, habeant tamen aliquos arcus rectificationem admittentes. Per Nic. Beronulli Jo. Fil. Acta Eruditorum 1720, S. 269-285 [Druckfehler in den Acta: S. 269 = 169, so auch im Register angegeben]
    - N. B. Responsio ad Art. VII. Tom. XXXI Diarii Eruditorum Italiae. Acta Eruditorum 1720, S. 304-314
    - Nicolai Bernoulli Demonstrationes Theorematum Patrui sui, in Actis 1719 p. 269 editorum. Acta Eruditorum 1720, S. 471-473
    - Solutio Problematis a Nicolao Bernoulli, Joannis Filio, propositi de vurvis motis secundumg axem & se mutuo constanter ad angulos rectos secantibus, missa ex Anglia in literis d. 7 Febr. A. 1721 styli veteris datis. Acta Eruditorum 1721, S. 156f.
  5. de meliori: bestens.
  6. Jacob Daniel Bruce (1669-1735) war Generalfeldezeugmeister bei der russischen Armee, der für seine Dienste geadelt wurde. 1702 hatte er in Moskau die erste russische Sternwarte gegründet.