Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 19. Juli 1738
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 127, 1r-3v
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelehrter,
Sonders Hochzuehrender Herr,
Hochgeneigter Gönner!

Ew. HochEdlen werthes Schreiben von 1 Julii[1] ist mir inzwischen durch die Hhl Endterischen[2] richtig zu Handen gekommen, welches mir gar angenehm gewesen, da in Jahr und Tagen keine Briefe von Ihro Hand erhalten,[3] wie aus meinem Brief=Diario ersehen, inzwischen diene doch fordersamst und übersende die verlangte observationes von dem im vorigen Jahre erschienenen Cometen, wie mir solche mittlerweile Hl. Manfredius aus Bononien communicable gemacht;[4] dann folgen auch hiebey die verlangte Globi, welche mir vor dieses mahl der Verleger, auf mein Begehren, und da ich grosen Regard vor E. HochEdlen habe, um den Preiß, um welche er solche denen Kunsthändlern überlässet, nemlich, ohne Emballage,[5] ohne kisten ohne fracht &c um 20 Kayser=Gulden, oder um 13 Thl 8 Ggl. überlassen, davon das Conto noch künfftighin die Hhl. Endterische überschicken werden; welche das Geld erst nach der Leipziger Michaelis Messe allhier bezahlen wollen; dann habe ich auch noch diesen, zwey von den neuesten Charten, die zu meinem Atlante caelesti gehören, beygefüget, mit welchen weiter continuiren werde, daß das werck complet werde,[6] ich könte schon damit fertig seyn, wann nicht andre Hindernißen immer in Wege

[Bl. 127,1v]
kämen, unter welchen die Visiten und correspondenten absonderlich mit rechne. Von Hl. Prof: Celsio habe neulich ein Schreiben mit seinem schediasmate de figura Telluris erhalten,[7] darinnen er sich, weil die Hhl. Pariser Academici nicht viel von denen in Lappland gehaltenen Observationen halten wollen, zu revanchieren scheinet, da durch aus wenig Hoffnung, daß die wahre figura Telluris noch ausgemacht werde, meiner Meynung nach, zu wachsen will, allein Hl. R. R. Wolff[8] in Marpurg will, wie Er mir vor etlichen Tagen geschrieben, den Muth noch nicht hierinnen sinken lassen, indeme er glaubet, daß die verschickte Academici nach Americam, da sie ihre operationes noch einmahl wiederhohlt, den Ausschlag in dieser Sach geben werden, welches die Zeit am besten lehren wird.[9] Von Mr. de l'Isle habe auch vor kurzem Briefe erhalten, darinnen er mir sein Verlangen hat weitläuffig zu verstehen gegeben, wie er trachten wollte die Wurzelbaurische und Eimartische, so man Ihme diese schiken würde, zum druck zu befördern, allein es ist nur eine Finesse von Ihme, denn Er würde daraus nehmen und excerpiren was Ihm anstünde, und dann das werck wieder zurück schiken. Ich habe Ihn schon ken-

[Bl. 127,2r]
nen lernen, und ist mir der Franzosen Falschheit nur allzu wohl bekanndt,[10] dahero soll auch aus seinem Begehren nichts werden, und ist besser der erste Verdruß bey Ihme als der lezte Verdruß bey mir, da ich die Wurzelbaurische und Eimartische erben, wenn nichts aus dem druck und einer billichen Remuneration[11] vor die communicaton werden sollte, noch zu meinem guten Willen, hart in Haare bekommen würde. Er verlanget auch von mir, ich mögte Ihme alle meine observationes magneticas, die ich mit vieler Arbeit mir zu wegen gebracht, schiken, was ich damit thäte? welches nach einem französl. Hochmuth riechet, eben als wenn ich sein untergebener wäre, und ich Ihme von meinem Thun und Lassen müßte Rechenschaft geben. Er soll aber auch von solchen nichts haben, da Er so undiensthafft gewesen, und mir in vielen Jahren nicht mehr als 4 Observatl. magneticas communiciret, dern er doch in den Nordischen Rußland, da er gedencket um eine magnetische Charten zu ediren, und eine Correction in diesen Nordischen Theilen anzustellen, genug in Vorrath hat, also wie Er mit mir procediret, so verfahre wieder mit Ihme und achte es nicht wann er gleich und nimmer schreibet, denn falscher Leuthe Correspondenz aestimier ich nicht. Übrigens bin vor die ander communicirte Nachrichten

[Bl. 127,2v]
sehr verbunden, und melde dabey, wie wohl sehr ungern, daß unser Hl. M. Gauppens vor 6. Wochen in Lindau gestorben[12] und dadurch die Urania wiederum, wie an dem P. Nicasio in Regenspurg, einen großen Verehrer verlohren. Womit mich zu fernern Affection und geneigtem Andencken, um mich öffters mit einer geneigten Zuschrift zu beehren bestens empfehlend verbleibe, mit aller Hochachtung

    Ew. Hochedlen
  Meines Hochgeneigten Gönners

Nürnberg den 19 Juli
    A.C. 1738.

ergebenster diener    
JG Doppelmayr MPP




Fußnoten

  1. Kirchs Brief vom 1. Juli 1738 ist nicht überliefert.
  2. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  3. Kirchs letzter Brief stammt vom 8. Juni 1737.
  4. Eustachio Manfredi (1674-1739) war der Direktor der Sternwarte in Bologna. Den Kometen von 1737 sah er erstmalig am 22. Februar, letztmalig am 6. April. Seine Beobachtungen wurden im Band 2,3 der De Bononiensi scientiarum et artium Instituto atque Academia Commentarii veröffentlicht, der aber erst 1747 herauskam (S. 62-72). In seiner Karte mit den Kometenbahnen am südlichen Himmels (Karte 28 im Himmelsatlas) zeigt Doppelmayr die Bahn dieses Kometen vom 25. Februar in den Fischen bis zum 6. April im Schild des Orion. In der Karte ist die Kometenbahn korrekt beschriftet, in der Liste mit den abgedruckten Kometenbahnen rechts steht allerdings 1757 statt 1737.
  5. Emballage: Verpackung.
  6. Doppelmayrs Himmelsatlas kam erst 1742 bei Homanns Erben heraus. Doppelmayr schickte vermutlich die Karten 5 (Phaenomena in planetis primariis) und 26 (Theoria Cometarum) des künftigen Himmelsatlasses mit.
  7. Celsius, Anders: De observationibus pro figura telluris determinanda in Gallia habitis, disquisitio. Uppsala: Höjer 1738.
  8. Christian Wolff (1679-1754) war einer der bedeutendsten Philosophen der deutschen Aufklärung. Bis 1740 lehrte er an der Universtität in Marburg.
  9. Der Wert der Messungen der Gruppe um Maupertius und Celsius war in Paris u. a. von Cassini in Frage gestellt worden, wodurch eine langwierige Diskussion entstand. Siehe dazu:
    Terrall, Mary: The man who flattened the earth. Maupertius and the Sciences in the Enlightenment. Chicago, London 2002, Kapitel 5, S. 130-172
  10. Auf seiner Reise von Paris nach St. Petersburg hatte Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) Doppelmayr Ende 1725 in Nürnberg besucht. Danach beschwerte sich Doppelmayr wiederholt, dass er von ihm kaum Briefe oder brauchbare Informationen erhielte, wobei er, wie hier, auch gegen Franzosen im Allgemeinen ausfallend wurde.
  11. Remuneration: Vergütung.
  12. Der Theologe und Astronom Johannes Gaupp (1667-1738) starb am 17. Mai 1738 in Lindau.