Briefwechsel Johann Philipp von Wurzelbau


Kurzinformation zum Brief  
Autor Wurzelbau, Johann Philipp (1651-1725)
Empfänger Junius, Ulrich (1670-1726)
Ort Nürnberg
Datum 5. September 1699
Signatur Universitätsarchiv Leipzig: Ms 01322, Bl. 398r-399v

[Bl. 399v: Anschrift]
Monsieur
Monsieur Ulric Juni
Mathematicién tres-excellent
à Leipzig
franco
beÿ Fr. Wunderlichin
im Kupfergäßchen
abzugeben.

[Bl. 398r]
HochgeEhrter Herr


Für dero willfährigkeit specificirte bücher aus seel. Herrn Prof. Knorrens Bibliothec beÿ vorstehender Auction[1] für mich zu erhandeln bin sonderlich obligirt: was den Commentarium Kepleri in stellam Martis[2] belanget, hielte ich dafür, er mit 4 Thl überflüssig bezahlt seÿe, hoffe die übrige bücher in desto wohlfeÿlern preiß zu erhalten seÿn sollen, wordurch dieser excess zu compensiren seÿn werde, sollte er von anderen darüber gesteigert werden, hette ich doch solchen im fall bedörffens beÿ 2 freunden alhier, da er otiose[3] lieget, zu meiner täglichen disposition; so hoffe ich auch nachdeme aus dem Fischerschen Catalogo[4] ersehen, daß dießes Jahrs in Amsterdam die Opera Astronomia Tychonis in folio zusamm gedruckt neu aufgeleget worden, ein gleiches etwan bald mit denen Keplerianis zu gewarten seÿn solle, worzu man sodann in mercklich civilen preiß gelangen wird können.   Sobalden ich vernehmen werde auf wieviel die für mich erstandene bücher anlauffen und was für ein pack selbige zusammen machen, werde ich in vorstehende Messe den belauff in Leipziger valuta unverzüglich übermachen und da sonsten keine bequeme gelegenheit sich ereignen sollte, einem unserer alhiesigen fieranten[5] etwa den HHl Endtern[6] committiren, daß sie solche mit ihren waahren auf anhero aufgäben.   Ferners nachdeme mein HochgeEhrter Herr auf künfftig seculum Ephemerides zu calculiren sich entschlossen, alß gratulire nicht alleine demselben zu übernehmung dieser höchstnuzlichen Arbeit sondern auch Orbi astronomiae universo, und wünsche darzu alle behägliche Leibes und GemüthsKräfften; auch einen erkänntlichen Verleger der so schweren laborem Herculeum mit suffisanter recompense ergözen möge. Wie aber mit erwählung der tabb. astronomicarum sich zu verhalten, hierzu wird mein consilium viel zu schwach

[Bl. 398v]
das beste wohl beÿ Herrn Kirchen[7] alß erfahrensten alten practico einzuholen seÿn, welcher am besten wird anzuzeigen wissen, welche tabula mit dieses oder jenes Planeten motu am nächsten zu stimmen, da dann meines wenigen erachtens freÿlich dienlicher seÿn würde, sich an Einen alleinigen Autorem nicht zu binden, sondern aus jedem zu erwehlen, worinnen er vor anderen denen motibus am nächsten kommet, Herrn de la Hire tabb; astronomicarum partem priorem, motus Solis et Lunae et positionum fixarum insigniorum ex ipsi observationibus deductarum, methododumque geometricam computandarum eclipsium[8] begreiffende, habe bisher deren edition in den Frankfurter und Leipziger Messen auch in der Schweiz u. Holland gesucht, aber ehender nichts als vorm Jahr von dem Autore selbst erhalten können, der mir auch einige correctiones tabb. Lunarium beÿgefüget: daferner nun nach freÿ offenen Frangischen Handel[?] MHHl ernannte tabb: nicht haben könnte, wollte ich da ferner damit gedient seÿn sollte, die tabb: motuum ausschreiben. Pars posterior motus reliquorum planetarum enthaltende sollen auch bald zu hoffen seÿn.   Was theoriam Solis anbelanget, finde ich biß anhero keine tabb: welche ipsi motibus aufs accurateste respondiret und vermuthe ich darinnen noch einen sonderbahren motum welcher noch von keinem astronomo, meines wissens animadvertirt worden.   Indeme mein HochgeEhrter Herr über die vorhabende Arbeit das sentiment der berühmtesten Astronomorum zu erhalten verlanget, könnte meines ohnmaßgeblichen erachtens nechst denen in Teutschland befindlichen solches nicht füglicher alß von der Academie Royale des Sciences à Paris eingeholt werden, beliebte solchem nach einen formalen titul und den völligen Inhalt des unternehmenden Operis zu verfertigen, wollte selbigen mit ehister Gelegenheit auf dahin übersenden und dero applausum darüber erwarten.

[Bl. 399r]
[...?] ist mir eine artig Engelländische Ephemeridaldisposition in Octavo gedruckt zu kommen von George Parcker edirt, unter dem Titul: Mercurius Anglicanus,[10] being a double Ephemeris, Heliocentrick and Geocentrick aus der Astronomie Carolina[11] auf den Meridianum der Stadt London calculirt, in selbigen ist jeder Monat in 2 theile getheilt, auf der ersten Seiten sind die Longit: et Latitudines planetarum auf der anderen die aspectus Lunares et planetarum mutui, auf den dritten die Namenstage und Feste, die Aequationes temporum, auf u. untergang des Mondes, Declinationes Solis, Ebbe und Flut zu Londen, auf der vierdten von 5 zu 5 tagen loca heliocentrica planetarum et adspectus heliocentrici, Auf- u. untergang der Sonnen verzeichnet der übrige plaz u. blätter ist mit Astrologischen Grillen und Tabuli Domorum pro Latit. 51.° 32.' erfülltet. Endlich folget Catalogus eclipsium satellitum Jovis, bestehet alles in 5 bögen. Die Ephemerides so Mons. la Febure jährlich für den Roy in franckreich u. das Observatoire elaborirt und unter de Namen la Connoissance des Temps[12] edirt und behalt wird vermuthlich meinem HochgeEhrten Herrn albereit bekandt seÿn.   Schließlichen wünsche ich morgen über 8 tage zur observation der grossen Sonnenfinsternuß[13] aller Orten hell wetter, verharre nechts Göttlicher Gnaden ergebung

Meines HochgeEhrten Herrn

Nürnberg, in Eyl
den 5 Septbr: 1699.

Dienstergebenster
JPWurzelbaur

[Beigefügter Zettel]
In was preiß Hevelii Prodromus Astronomiae, Stellarum Fixarum Catalogus et Firmamentum Sobiescianum[14] beÿ Hl. Fischern zu haben, verlanget Herr D.r Eisenschmidt[15], zu erfahren.


Fussnoten

  1. Martin Knorre (1657-1699) war Professor für niedere Mathematik in Wittenberg gewesen. 1691 hatte ihm Christoph Jacob Glaser (1662-1722) eine epistola gewidmet, in der er die Geräte der Eimmart-Sternwarte vorstellte. Nach seinem Tod am 23.03.1699 wurde seine Büchersammlung versteigert. Der zugehörgie Katalog ist nicht auffindbar. Zu Glaser siehe.
    • Gaab, Hans: Zur Geschichte der Eimmart-Sternwarte. Spezialausgabe des Regiomontanusboten. Nürnberg: März 2005, S. 31
  2. Kepler, Johannes: Astronomia Nova Aitiologētos, Sev Physica Coelestis, tradita commentariis De Motibvs Stellae Martis, Ex observationibus G. V. Tychonis Brahe. Prag 1609.
  3. otiose (lat.): müßig.
  4. Der Katalog von Johann Heinrich Fischer aus Danzig war nicht auffindbar.
  5. fierant: Warenhändler, Markthändler.
  6. Die Endter waren bekannte Buchhändler in Nürnberg.
  7. Zu Gottfried Kirch (1639-1710) siehe
    • Herbst, Klaus-Dieter: Gottfried Kirch. Astronom, Kalendermacher, Pietist, Frühaufklärer. Jena: HDK 2022
  8. 1687 veröffentlichte der französische Astronom Philipp de la Hire (1640-1718) seine Tabulae astronomicae. 1725 kam davon eine deutsche Übersetzung heraus.
  9. animadvertere (lat,): bemerken.
  10. Parker, George (1654-1743): Mercurius anglicanus, or, The English mercury: being a compleat diary for the year of our Lord 1698, being the second after leap-year: containing monthly predictions, the old Roman or pagan kalendar, with the Gregorian or new accounts, the equation of time, for the regulating of pendulum clocks and watches, an exact tide table, giving an account of the times of high water, more correct and full than others, with directions to know gold from base metals, the like not extant. London: Printed by M.C. for the Company of Stationers 1698
    Wurzelbaur bezieht sich wahrscheinlich auf die Ausgabe von 1699.
  11. Thomas Street (Streete, 1621-1689) war ein englischer Astronom. 1660 veröffentlichte er seine Astronomia Carolina, die 1705 von Johann Gabriel Doppelmayr (1677-1750) in einer lateinischen Übersetzung herausgeben wurde.
  12. Jean Le Fébure war Mitarbeiter bei den Connaissance des temps ou calendrier et éphémeérides du lever et coucher du soleil, de la lune et des autres planeétes.
  13. Gemeint ist die Sonnenfinsternis vom 13./23. September 1699.
  14. Hevelius, Johannes (1611-1687):
    - Prodromus Astronomiae [...] Quibus additus est uterq[ue] Catalogus Stellarum Fixarum. Danzig: Johann Zacharias Stolle 1690
    - Firmamentum Sobiescianum, Sive Uranographia. Danzig: Johann Zacharias Stolle 1690
  15. Johann Caspar Eisenschmidt (1656-1712) war ein Mathematiker aus Straßburg.

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