Briefwechsel Johann Leonhard Rost
Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
Autor | Rost, Johann Leonhard (1688-1727) |
Empfänger | Kirch, Christfried (1694-1740) |
Ort | Nürnberg |
Datum | 27. September 1721 |
Signatur | UB Basel: L Ia 720, Bl. 73r-74v |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
HochEdler und Hochgelahrter,
Hochgeehrtester Herr
und Hochgeschätzter Gönner.
Seithero Ew. HochEdl. sehr werthes vom 14 Maij, ich den 24 ejusdem empfangen, bin ich biß dato immer in der Hofnung gestanden, daß nach Dero gegebener Erklärung noch einige Zeilen nachfolgen würden. Es hat mir aber deren Außenbleiben zu verstehen gegeben, daß Ihnen nothwendigere Geschäfte, zu deren Ausfertigung, keine Zeit übrig gelaßen: weßwegen ich bitte, daß Ew. HochEdl. nur alle Entschuldigungen gegen mich erspahren wollen: maßen ich zur Genüge versichert, daß Sie gewiß an mich geschrieben, und mir in der bewußten Materie, die versprochene Unterweisung gegeben hätten, wenn Sie nicht durch nothwendigere Dinge, daran gehindert worden. Ew. HochEdl. dancke indeßen verbündlichst vor die procurirten Stahlischen Pillen,[1] die ich dem Uberbringer sogleich bezahlet, u: auch in das künftige das Geld unverzüglich dafür erlegen will, wenn Ew. HochEdl. die Güte haben mögen, durch Dero Vermittelung, mir noch mehrere in die Hände zu liefern. Solte ich meinen Ortes mit andren Gefälligkeiten dargegen dienen können, so bitte mir freÿ zu befehlen, und sicherlich zu glauben, wie ich mir eine Ehre und Vergnügen daraus mache, Ihnen die gäntzliche Ergebenheit meines verbundenen Gemüthes, durch wirckliche Proben, an den Tag zu legen. Unsere Astronomische Correspon=
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denz anbelangend, so kan ich von bißhero gehaltenen Observationibus, sonst nichts
als ein fragmentum der lezten ☉ Finsterniß communiciren, die ich in meinem
Diario also aufgezeichnet finde.[2] Um 7 Uhr (d. 24 Julii)
verfügte ich mich zum
Herrn von Wurzelbau um auf die Eclipsin ☉ zu vigiliren. Ich fand daselbst
alles zur Observation in Bereitschaft: allein der Himmel war gantz wolckicht, außer
am östlichen Horizonte nicht. Um 0 Uhr 12 m. blickte die ☉ ein wenig herfür, und
da sahe man per tubum, daß die ☉ am Nordostlichen Rande ohngefehr ¾ eines
Zolles, verfinstert war. Wenn die ☉ manchmal in einen kleinen Raum der
Heiterkeit kam, so zeigte sich ihr Limbus[3], welches auch unter durchsichtigen
Wolcken geschahe, vollkommen rund: Hingegen der schwartze Limbus des finstern Mondes,
war sehr ungleich, anfractus[4] und mit mercklichen Protuberantien besetzt,
die ich so gar deutlich und merckwürdig, noch zu keiner Zeit, an dem ☽ wargenommen,
und nennete es auch der Hl von Wurzelbau etwas besondres. Beÿ
zunehmender Heiterkeit veränderte sich diese Ungleichheit der Circumferantiae
☽ nicht, sondern war noch fast zum Ende der Finsterniß zu sehen, welches um
8 Uhr 56 m. 45 s. tempore vero, ohngefehr über der Mitte des lincken Theils der ☉ in
tubo oder zur rechten Hand geschahe: hat also die Observation mit dem Calculo
Cunitiano[5] am nächsten, quoad finem, zugetroffen. Herr M.
Gaupp[6] hat diese
Eclipsin wegen des wolckigten Himmels, ebenfalls nicht anderst als unvollkommen
observiren könen. Seine an mich geschriebenen Worte lauten also pp:
Um 8 Uhr. 27 m. brach die ☉ eine wenig durch, und sahe ich, daß der Rand
derselben, oben um den 36 gr. circiter vom Zenith gegen Norden, angegriffen
war, fast ¼ Zoll tief: es verlohr sich aber die ☉ alsobald wiederum; jedoch
also, daß es immerzu einige kurtze Blicke gab, beÿ welchen zu mercken war,
daß sich das verfinsterte Stücklein verkleinerte, und es auf das Ende los
ging. Da wurde es nun ein wenig heller, also daß ich das Ende dieser
Finsterniß, deutlich genug observiren konte, welches nach der wolgerichteten
und corrigirten Uhr, um 8 Uhr. 32 m. 50 sec. um den 56 gr. vom Zenith
[Bl. 74r]
versus Septentrionem geschehen; welche observation mich besonders vergnügte, weil
daraus erhellete, wie die terminatio eclipsium per projectionem, noch gut
genug zutreffe, welches mich denn um so viel mehr aufrichtet, solche desto
besser zu excoliren. Sonsten mus Ew. HochEdl. melden, daß belobter Herr M.
Gaupp an völliger Ausarbeitung seiner Ephemeridum, im Werck begriffen
ist, damit, wenn sich ein Verleger finden solte, sie gleich zum Druck in
Bereitschaft seÿn können. Er wird eine Introduction hinzufügen, welche alles
in sich halten soll, was beÿ den Ephemeridibus ist biß anhero zu finden gewesen,
wie man nehmlich alles selbst finden, und sich also die Ephemerides, recht zu
Nutzen machen soll; darunter denn nicht allein der völlige methodus describendarum
eclipsium mit gehöret, sondern auch die appulsus ☽ ad Planetas,[7] et
fixas, harumque occultationes, alles ohne den beschwerlichen calculum
parallacticum. Gott beschehre zu des Hl. Auctoris wolgemeinter Arbeit, nur
einen Verleger. Denn ich bin gewiß versichert, daß die Astrophilis einen
großen Nutzen daraus ziehen werden, welches Ew. HochEdl. beßer verstehen,
als ich es fürstellen kan. Ich freue mich sonderlich auf den methodum
projectivam Manfredi[8], den er vollständig abhandeln, und alles was
darzu gehöret, lehren wird. Neulich kam mir im buchladen eine Dissertation,
sub Praesidio P. Nicasii Gramatici Soc. Jes. Phil. et Math. Prof.
ordin. zu Friburg im Brißgau, unter die Hände, welche den Titel führet:
Solis et Lunae eclipsium in plano organice delineandarum methodus
nova.[9] Ich habe es mir gekauft, und vermeinet, daß ich fluchs
daraus klug werden könte: allein ob es schon quoad Eclipses ☽ anging,
so wolte es doch bei den Eclipsibus ☉is nicht fort. Woferne Ew. HochEdl.
dieses Scriptum noch nicht besizten, und Sie verlangen es, so will ich trachten,
daß ich es auftreibe, und es Ihnen übersenden: vielleicht werden Sie sich
beßer als ich darein schicken können. Es sind darinnen alle Requisita secundum
Tabb. de la Hire,[10] zur Ausfindung aller
☉ u: ☽ Finsternißen,
[Bl. 74v]
biß 1750 enthalten, und glaube ich, wenn sich der Auctor etwas deutlich erkläret,
daß seine Anweisung die Rechnung der Finsterniße, sehr erleichtern sollte.
Von der Apparatione ☿ii in Sole A.° 1723 ist in Leipzig auch eine Dissertation
von Hl M. Honold herauskommen,[11] die Ew. HochEdl. verhoffentlich wird schon
bekand seÿn, dahero ich weiter nichts davon gedencken mag, doch kan ich auf allem
fall schon nähere Nachricht davon ertheilen. Gott gebe, daß die Apparition dieses
Phaenomeni, gewißer als vor einem Jahr eintritt, maßen ich kaum die Zeit
erwarten kan selbiges mit anzusehen. Daß mein Exemplar von Nordschein[12]
beÿ Ew. HochEdl. eingelauffen, muthmaße ich aus dem Inhalt des Astronomischen
Wahrsagers,[13] darinnen Sie deßen zu erwehnen, mir die Ehre gegeben.
Ich habe
dieses merckwürdige Phaenomenon, auf einen großen Regal Bogen von
blauem Pappier, mit so genanndten drachen farben, in 11 Abtheilungen hingestellet,
und zu meinem eigenen Andencken verfertiget, und wünschte ich, daß
Ew. HochEdl. selbiges sehen könten, maßen es sichs mit den eigentlichen farben,
weit natürlicher als durch die Radier Nadel oder Grab Stichel fürstellen
läßet. Und so viel wäre, was ich diesesmal an Ew. HochEdlen
zu schreiben gefunden. Ich habe also weiter nichts hinzu zu tuhn, als daß
ich wie allezeit, so auch in das künftige, unter Anwünschung beständiger
Gesundheit und alles glücklichen Wolergehens, unabläßig beharre
Ew. HochEdl.
Nürnberg.
d. 27 Sept. A.° 1721.
gehorsamster und gantz er=
gebenster diener
Johann Leonhard Rost.
Fußnoten
- ↑ Vgl. hierzu das PS im Brief vom 17. Oktober 1720.
- ↑ Vgl. Rosts Beobachtung in den Breslauischen Sammlungen, Versuch 17, erschienen 1723, S. 50-52
- ↑ limbus: Rand.
- ↑ anfractus: gebogen.
- ↑ Mit der Rechnung nach Maria Cunitz (1610-1664): Urania Propitia. Ols: Seyffert 1650.
- ↑ Johannes Gaupp (1667-1738) war Pfarrer in Lindau, der aber vor allem als Astronom bekannt wurde. Er war einer der wichtigsten Briefpartner von Rost.
- ↑ Annäherungen des Mondes an Planeten.
- ↑ Eustachio Manfredi (1673-1739) war Astronom in Bologna, der auch Ephemeriden herausgab.
- ↑ Grammatici, Nicasius: Solis et lunae eclipsium in plano organice delineandarum methodus nova. Freiburg: Walpart 1720.
- ↑ La Hire, Philippe de: Tabulae astronomicae. Paris. Michallet 1687. Neuauflage Paris: Boudot 1702 .
- ↑ Honold, Matthaeus (Praeses, 1696-1727); Pfizzer, Johann Paul (Respondent): De transitu Mercurii sub sole d. IX. Nov. anno MDCCXXIII expectando. Leipzig: Fleischer 1721.
- ↑ Warhafte / ausführliche und vollständige Beschreibung / desjenigen merckwürdigen so genandten Nord-Scheines. Nürnberg: Selbstverlag 1721.
- ↑ Gottfried Kirch brachte ab 1677 unter dem Namen Georg
Fabricius
den Warhafftigen Himmels=Bothen oder Astronomischen Wahrsager heraus.
Nach seinem Tod scheint der Sohn die Reihe fortgeführt zu haben, ab 1743 wurde sie von
Michael Adelbulner (1702-1779) herausgegeben.
- Herbst, Klaus-Dieter: Kommentiertes Verzeichnis der Schreibkalender für 1701 bis 1750 im Stadtarchiv Altenburg (=Acta Calendariographica - Forschungsberichte, Band 3). Jena: HKD 2011, S. 17-18