Briefwechsel Johann Michael Franz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Scheidt, Christian Ludwig (1709-1761)[1]
Empfänger  
Ort Hannover
Datum 21. Februar 1756
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5756, Bl. 185r-v, 185a, 186r, 187r
Transkription Hans Gaab, Fürth


Des Herrn Rath Franz so rubricirte Anzeige, was man durch die Verbesserung der Weltbeschreibung verstehet, u. wie sich die Cosmographische Mitglieder beÿ der politischen u. gelehrten Welt durch dieselbe signalisiren können, gehet vornemlich dahin, seine vorhabende Monathsschrift, welche den Titul führen soll, Beÿträge zur Welt Beschreibung als ein rühmliches u. nützliches Institutum denen Herrn Geheimde Räthe Excellenzen anzupreißen, und wann ich den Sinn des §. 7. recht getroffen habe, durch dieße Monathschrift nach und nach das Capital denen an die Cosmographische Societaet geschenkten u. von ihme in seinen Nuzen verwandten 1000. Rthl. herein zu zahlen. Wie weit dießes lezte angehen werde, darüber suspendire[2] ich billig mein Urtheil. Was aber diese Monathschrift selber anbelanget, so habe ich nicht eher mein unterthäniges videtur[3] vor mir stellen wollen, als bis mich vorhero beÿ dem Herrn Rath u. andern Mitgliedern informiert hatte:

1mo ob er zu dieser Monathschrift einen Verleger habe, u. mithin gewis seÿe, daß er u. die übrigen Cosmographischen Mitglieder nicht in spem futurae obliuionis[4] arbeiten würden? Weilen es zu Göttingen so schwehr fält einen Verleger zu seinen Arbeiten zu finden.

2do ob man sichere Rechnung durch den Fleiß derer jezigen cosmographischen Mitglieder machen u. sich versprechen könne, daß selbige alle Zeit so viele Beÿträge liefern u. auch zu gehöriger Zeit solche einsenden werden, daß diese Monathsschrift

[Bl. 185v]
in Ansehung deßen von einer langen u. erwünschten Dauer seÿn werde? Weilen es weit beßer ist ein solches Institutum nicht zu beginnen, als daß man es einmahl angefangen u. nachhero zu langen Fortsezung nicht hinlängliche Kräften u. Subsidia habe.

Nun schreibet er mir zwar quoad 1.mum daß der Buchdruker Breitkopf[5] zu Leipzig den Verlag übernommen habe: Allein er begehret es selber gar nicht zu läugnen, daß die beÿden Mathematici, Herr Prof. Meier u. Herr Prof. Lowiz, ihme bereits ihre Beÿträge abgeschlagen haben, u. meinet sich dießerhalben an des Herrn Cammer Praesidenten Excellenz zu wenden, u. einen Befehl auszuwürken, daß sie an diesem löblichen Instituto Theil nehmen müßten. Wie weit Hochgedacht Ihro Excellenz zu einem solchen Befehl zu bewegen seÿn werden, läßet sich beÿ denen Franzischen Projecten zum Voraus einsehen. Dann da er abermahlen dieses ganze Institutum blos zu Erreichung seiner privat Absichten brauchen will, so wird keinem seiner Collegen zu gemuthet werden ihme seine Kräften, Fleiß u. Arbeit zu sacrificiren[6]; u. da der Herr Prof. Büsching[7] mir ebenfalls sub d.o den 19ten hujus schreibet, daß er an dießer Monaths Schrift keinen Antheil nehmen wolle, so sehe ich seine Absicht als eine solche Unmöglichkeit an, die ohne weitere Vorstellung von selbsten anjezo schon testiret.

Die gedrukte Aufmunterung an die Welt Beschreiber[8] betreffend so suspendire ich billig davon mein Judicium; es zeiget aber doch fast eine jede Seite, daß die ganze Sache in vielen Dingen auf Chimaeren hinaus lauffe; u. da ich zuversichtlich weiß, daß die dreÿ andern Mitglieder der so genandten Cosmographischen Gesellschaft

[Bl. 185a]
sehr übel damit zu frieden sind, daß der Herr Rath Franz auf den Titul geschrieben hat, daß sothane Piece von denen dirigirenden Mitgliedern einmüthiglich vorgeschlagen worden seÿe, da doch kein einiges von ihnen selbige je mahlen in Mscto gesehen hat; so prognosticiret dieses schon zum Voraus unendliche lites,[9] wann man jezo einem oder dem anderen auch nur durch argumenta persuasivia beÿbringen wolte, an diesem vorhabende Journal Antheil zu nehmen, u. es ist wenigstens nicht zu vermuthen, daß das gelehrte Publicum sich für einen so weitschichtigen Plan favorabel erklehren werde.

Der Herr Rath Franz ist ohnstreitig ein Mann, der in der Geographie durch seine 25.jährige Übung in Dirigirung der Homännischen Officin eine außer ordentliche Einsicht u. Stärke besizet; u. vielleicht kan man sagen, daß er in dießem Studio in Teutschland seines gleichen nicht habe. Dann da sonsten die Geographie kein Brod Studium ist, u. man außer dem Land Charten machen u. dem wenigen, was etwan ein Verleger einem Auctori eines Geographischen Buchs accordiret, nichts damit verdienen kan; überdas auch fast niemand, als die Ingenieure sich auf die Mappirung verstehen, deren gantze Sache doch blos darinnen bestehet, daß sie einen Special Riß einer Gegend, selten aber beÿ Generalionibus (wo hauptsächlich die Projectiv=Wißenschafft, die sich auf die formam telluris gründet, eintritt) etwas tüchtiges entwerfen können; so wird auf Universitaeten nichts gründliches davon dociret,u. es ist sich auch nicht zu verwundern, wann ein Professor Geographiae wenig Frequenz in seinen Collegiis hat, dann ein jeder Studiosus denket cui bono? Allein hieraus folget doch noch nicht,

[Bl. 186r]
maßen abhänget, ob Hoch dieselben ein solches allgemeines Landmeßungs Comtoir errichten u. dießen Plan, der in seiner Execution eine vieljährige Zeit erfordert, gnädig approbieren wollen; also ist es vor jezo noch zu frühe, von dem durch ihn zu führenden Directorio, welches ohnehin beÿ vielen Beambten besondere Schwürigkeiten finden, u. so wie die Landmeßung selber große Kosten verursachen würde, etwas zu reden. Wolten aber denen Herrn Geheimte Räthe Excellenzen die Gnade haben, u. das Publicum mit einer guthen General Charten von denen hiesigen Landen versehen laßen, u. der Herrn Rath Franz würde seines Orths seinem Versprechen ein Bemühen leisten, u. mehrere Kupferstechern nach Göttingen ziehen, so bin ich allerdings der unvorgreiflichen unterthänigen Meinung, daß es der Universitaet Göttingen zur besondern Ehre gereichen werde, wann die vormahls daselbst zu errichten versprochene Land Charten Officin mit einer so nüzlichen u. bißhero in Teutschland vergeblich gesuchten Charte ihre erste Eröffnung machen würde. Es wäre auch dem Herrn Rath Franz der Profit von einigen 100 Rthl. den er hiebeÿ sich zuversichtlich versprechen kan, beÿ seinen jezigen armseligen Umständen um so eher zu gönnen, als wann eine solche nützliche Arbeit von ihme an seine zu Nürnberg subsistierende Homännische Officin verwiesen, u. mithin dießer Profit mit außwärtigen Interessenten getheilet würde. U. wann ein mahl einige guthe Charten zu Göttingen gestochen würden, so wäre es ein leichtes daselbsten nach u. nach eine

[Bl. 187r]
neue Officin, ohne einige weitere Unkosten aus einer publiquen Casse zu verlangen, zu formiren.

Endlich muß ich auch noch einen von ihme sub d.o den 10.ten huius an mich gesandten Vorschlag, wie der Herr Prof. Lowiz wegen den von ihme, dem Herrn Rath Franzen, in die Kugel Casse schuldigen 2000. Rthl. befriediget werden könne, denen Herrn Geheimte Räthe Excellenzen in unterthänig=tiefsten Respect vorlegen. Ich habe zwar da mir solcher ganz impracticable vor gekommen, solches zu thun im Bedenken getragen, u. ihme selber vorgestellet, wie wunderbahr es seÿe, seine Besoldung auf 4 Jahre hinaus sich wollen praenumeriren laßen, da beÿ den ungewiß Zeit des termini vitae humanae kein Mensch sich wegen seines Lebens nun auf die künftige Stunde eine sichere Rechnung machen könne. Allein da er sich hierunter nicht privatim bedeuten laßen will, so ist es ein Theil meiner unterthänig=gehorsamsten Pflicht sothanen Vorschlag beÿ Hochgedachte Ihro Excellenzen zu produciren. Ich bedauere den guthen Mann von Herzen, daß er nicht auf höhren kan Projecten zu machen u. dadurch immer tiefer in sein unheilbares Verderben kommt.

Hannover den 21.ten Febr. 1756.

CL Scheidt




Fußnoten

  1. Christian Ludwig Scheidt (1709-1761) war seit 1748 Hofrat und Bibliothekar in Hannover.
  2. suspendieren: aufschieben.
  3. videtur: hier: Zustimmung.
  4. spem futurae obliuionis: in Erwartung der künftigen Vergessenheit.
  5. Gemeinst ist der Leipziger Buchdrucker und Verleger Bernhard Christoph Breitkopf (1695-1777).Bei ihm erschien 1756 Franzens Freundliche Aufmunterung an die Weltbeschreiber.
  6. sacrificiren: opfern.
  7. Anton Friedrich Büsching (1724-1893) war seit 1754 Professor für Philosophie in Göttingen, ging aber 1760 als Geistlicher nach St. Petersburg. Er hat große Verdienste bei der wissenschaftlichen Fundierung der Erdbeschreibung.
  8. Freundliche Aufmunterung an die Weltbeschreiber. Leipzig: Bernhard Christoph Breitkopf 1756.
  9. unendliche lites: unendliche Streitereien.