Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Böhmer, Georg Ludwig (1715-1797)[1]
Empfänger Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688-1770)[2]
Ort Göttingen
Datum 24. Dezember 1761
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5756, Bl. 216r-218r, 219r
Transkription Hans Gaab, Fürth


Unterthanigstes Pro Memoria

Ew Hochgebohrne Excellenzen haben vermittels Rescripti von 17ten hujus dem Professori Riccio[3] und mir den Auftrag zu thun die Gnade gehabt, daß nachdem der Professor Lowitz den Vorsatz geäußert, hiesige Universität zu verlaßen und wiederum nach Nürnberg sich zu begeben,[4] wir so wohl ihn wegen der Erstattung des Behuff des Kugel Laboratorii erhaltenen Geldvorschußes von 1000 Rthl aus der Closter Casse und von 2000 Rthl aus der Impost[5] Casse als auch denen ihm bei seinem Anzug gereichten Transport Kosten, und wie allenfalls denen Publiquen Cassen deshalb hinreichende Sicherheit zu beschaffen sey, vernehmen und davon pflichtschuldigsten Bericht erhalten solten.

Da mir zufällig die Gelegenheit bekant worden, wie die dabei zum Grund liegende Äußerungen zu Ew Hochgebohrnen Excellentien Wißenschaft gediehen, und an der mündlichen Intention des Prof. Lowiz, sich von hier zu begeben, mir Zweifel erwachsen: so habe Ew Hochgebohrnen Excellenzen gnädiger Intentum gemäß zu seyn ich billig vermuthen müßen, daß zuforderst ich deßen wahre Erklärung zu erhalten suchte welches ich bei einer unter 22ten huj. mit ihm gehabten Unterredung gethan, und wovon zuforderst ich vorläufig dießen unterthänigen Bericht erstatte.

Von der Beschaffenheit des Kugel Laboratorii habe ich zuforderst bei ihm eine Nachricht zu erhalten gesucht, die er dahin erstattete, daß

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nachdem er solches in den besten Stand gesetzet so daß viele Durchreisende, nahmentlich der Prinz von Hildburghausen[6] und viele von der französischen Generalitas es in dem im Gastgebäude gehabten räumlichen Emplacement[7] in Augenschein genommen und darüber ihre Satisfaction bezeiget; er daran seit der in vorigen Jahr erfolgten Einmietung der französischen Truppen ansehnlichen Schaden erlitten, indem ein großer Theil von denen zu den Globis gemachten Gestellen zerbrochen, sehr viel verarbeitetes Holtz Praeparata und Instrumenta durch einen aus des Nachtbaren Hauße geschehenen Einbruch und bei Gelegenheit der starken Einquartierung entwendet ihm dadurch ein Verlust von 800 Rthl. zugefüget und er endlich genöthiget worden, noch einige Globos zu retten und durch ein eigene dazu verfertigte Machine von Hoffe in die oberste Etage seines Haußes ziehen und in Sicherheit da bringen zu laßen, wo ich auch noch 6 Globos in ihren völligen Gestalten in Augenschein genommen, so wie er hergegen die übrigen Globos, denen die Gestelle entwendet sind, ihrem Schicksal in den Laboratoris überlaßen müßen, welches jezt in einen Pferde Stall vewandelt worden. Durch diese Veränderung und durch die starcke Einquartierung, bei welcher er ein mehreres nicht als die nothwendigste Wohnzimmer in Gebrauch behalten, sey seine ganze Einrichtung gehindert,

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und er aus der Activitaet bei der Arbeit gantzlich gesetzet worden.

Diesem hat er hinzugesaget, daß seit solcher Zeit durch den ganzlichen Verlust aller auch von seiner Frau herrührende Einkünffte und aller bei unterbliebener Bezahlung der aus Collegiis herrührenden Gelder ferner bei den schweren Einquartierungskosten und bei der von den Grundstücken fortlaufenden Contribution er etwas auszulegen außer Stand gesezt worden, da ihn ein mehrers nicht, als das gnädig bewilligte Salarium, zu erheben übrig geblieben, und er auch deshalb den in Kost gehabten Kupferstecher[8] nach Nürnberg habe reisen laßen müßen, durch welchen er iedoch an den Stich der Kupfer Blatten aldort noch arbeiten laße.

So viel die Beschaffenheit dieser Blatten betrift, auf welchen die Charten des Erdkreyses abgestochen werden, so habe ich solche in Augenschein genommen, und sie bestehen behuff der Welt Kugel aus 36 Stück, deren einige schon weit avanciret sind, keine deren aber noch ganz fertig ist, weil á mesure[9], deß an einer etwas abgestochen wird, solches circulariter in den ubrigen fortgesetzet werden mus. Dieses ist der aufwendigste Theil der Arbeit, und ehe nicht alle Kupfer Blatten ausgestochen sind, kann keine Weltkugel fertig gemacht werden, dahergegen nach geendigtem Stich es ein Leichtes seyn kann, die bereits auf ihren Gestellen befindliche geretteten Globos zu überziehen und zur Vollkommenheit zu bringen.

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Wie nun der Prof Lowiz von freien Stücken zu äußern angefangen, daß er durch die Kriegs Bedrängniße außer Stand gesezt sey, das Kugel Werck hier zu Stande zu bringen, auf deßen Vollendung seine ganze Reputation beruhe, und er dieserhalb einer Veränderung entgegen sehen müße durch welche er diese Absicht beßer zu erreichen vormogend werde, und daß seine Hoffnung darauf beruhe, daß da dieses Kugel Werck einen Grund zu einer Fabrique von Globos auf der Nachkommenschafft abgeben könte, ein Stand des Reichs oder ein auswärtiger Souverain durch einen zu leistenden Vorschus darein entriren[10] würde.

So habe ich Anlas genommen, von dem von Ew Excellenzien erhaltenen Auftrag diesem Erofnung zu thun, daß zu Hochderßelben Wißenschafft seine gehtane Äußerungen gedihen, und deshalb Hochdießelben auf die Sicherheit der angelegten Capitalien Rucksicht zu nehmen bewogen worden und mir deshalb ein gewißer Auftrag geschehen sey.

Er hat hernach sich dahin erklaret, daß er die Intention noch nicht habe die Universität zu verlaßen und sich nach Nürnberg zu begeben, wie er denn noch in diesem Jahr einen Beruff auf Petersburg zu einem Gehalt von 1000 Rubeln erhalten, solchen aber aus Ursach, weil ihn dieses von der Ausarbeitung derer Globorum

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ganzlich entfernet haben würde, ausgeschlagen, daß er ubrigens offenherzig bekennen müße, wie er durch die Kriegs Bedrukungen in eine Situation gekommen, in welcher er die Vollendung des Kugelwercks ohne Unterstützung nicht absehen kann, und er daher natürlicher Weise das Verlangen und den Wunsch tragen müße, eine solche Veränderung zu erlangen, durch welche er in den Stand gesezet würde, das Kugelwerck auszuführen. Was er deshalb an Hl Hofrath Michaelis[11] geäußert, sey deshalb geschehen, weil er die Ursachen, warum er als ein ordentlich Mitglied in die Societaet der Wißenschaften nicht treten mogen, nicht anführen können, und da auf Anführung einer Ursach in ihn gedrungen worden, er diese angeführet, daß er auf hießiges Etablissemnt keine Rechnung machen könne.

Bei dem Vorfall der ihm von Königl. Regierung geleisteten Vorschüße hat er erwidert, daß er solche zu nichts anders als zu den Kugelwerck angewendet, daß er schuldenfrey hier angekommen, und daß sein Aufwand in nichts anders als was das Kugelwerck und sein Lebensunterhalt erfordert, bestanden, und daß hergegen der Fond[12] zu dieser Entreprise zumahl an hiesigen Ort erstaunende Unkosten erfordert. Auf den Fall

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daß, er eine Veranderung unternehmen müste, hat er von freyen Stucken zu den beyden Puncten sich erkläret, daß er wegen derer beyden Capitalien entweder eine Erstattung oder eine hinreichende Versicherung durch die Immobilia seiner Frau verschaffen und eben sonderlich die auf seinen Anzug verliehene Transport Kosten erstattten müße.

Ew Hochgebohrnen Excellenzien habe ich hiervon Bericht unterthenig erstatten, und, da ohnstreitig belliae calamitates[13] den Prof. Lowiz sehr drücken und auch diesen unter der jezigen Situation seines Kugelwercks, bei ihn die mismüthigen Äußerungen veruhrsacht, bei Hochderßelben unterthänige Anfrage thun sollen, ob so bewendten Umständen nach den in gnädigsten Rescripto den dem Prof. Riccio und mir geschehenen Auftrag annoch befolgen solle.

So sehr zu bedauern ist, daß das schon weit gediehene Kugel Werck eine starcken Stoß bekommen, so wenig ist abzusehen, wie ohne große Beihulfte und zwar ehe nicht, als zur Zeit des Friedens, demselben aufgeholfen werden könne. Bei ihm endecket sich eine aufrichtige Gesinnung, ein großer Trieb allein auch zugleich ein Unvermögen, das Werck ohne Zuschus auszufuhren.

Göttingen den 24 Dec 1761.

Gl Böhmer.


Fußnoten

  1. Georg Ludwig Böhmer (1715-1797) war seit 1743 ordentlicher Professor der Rechte in Göttingen.
  2. Gerlach Adolph von Münchhausen (1688-1770) war Minister des Kurfürstentums Hannover. 1734 war er einer der Begründer der Georg-August-Universität in Göttingen. Ab 1753 war er als Kammerpräsident für das Ressort Finanzen zuständig.
  3. Christian Gottlieb Riccius (1697-1784) war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechte mit dem Schwerpunkt Privatrecht an der Universit&aulml;t in Göttingen.
  4. Nach dem Bericht von Büsching und Hollmann vom 15.06.1758 überlegte sich Lowitz damals schon nach Nürnberg zurück zu kehren, um dort sein Kugelwerk zu vollenden.
  5. Impost: Steuer.
  6. Gemeint ist wahrscheilich der kaiserliche Feldmarschall Joseph Friedrich, Prinz von Sachsen-Hildburghausen (05.10.1702-04.01.1787).
  7. Emplacement: Platz.
  8. Der zuständige Kupferstecher war Georg Christoph Günther (1736-1777).
  9. á mesure: in dem Maße.
  10. entriren: sich einlassen.
  11. Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
    Am 2. November 1761 hatte Michaelis nach Hannover berichtet, dass sich Lowitz mit dem Gedanken trage Göttingen zu verlassen. In der Antwort vom 7. November 1761 an ihn wurde daran erinnert, dass Lowitz erst seine Schulden begleichen müsse, bevor er abreisen könne (Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5756, Bl. 24r, 25r).
  12. Fond "bedeutet die gründliche Verfassung woraus Geld und andere Mittel herzunehmen sind, gleichsam als ein Fuß, worauf man sich verlassen kan", Zedlers Universal-Lexicon, 9, 1734, Sp. 1439.
  13. belliae calamitates: Kriegsunruhen.


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