Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Münchhausen, Gerlach Adolph von (1688-1770)[1]
Ort Göttingen
Datum 4. März 1762
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 7258, Bl. 1r-2v
Transkription Hans Gaab, Fürth


Hochgebohrner Reichsfreÿherr,
Hochgebietender Herr Geheimer Rath und Cammer-Präsident,
Gnädigster Herr!

Ew. Hochgebohrne Excellenz geruheten gnädigst, in einem Rescript vom 25te Febr. welches ich erst am vergangenen Sontage nachmittags erhielt,[2] dem Herrn Prof. Kästnern[3] und mir, gemeinschäftlich die Aufsicht über das, durch den schmerzlichen Todt meines Anverwandten und guten Freundes des Prof. Maÿers[4] erledigte Observatorium, und den Gebrauch der Instrumenten, aufzutragen. Diese gnädigste Verfügung schien mir so sehr wichtig zu seÿn, daß ich unmöglich alsobald am folgenden Montage, als dem nächsten Posttag, meine unterthänigste Besinnungen darüber, vor Ew. Hochgebohrne Excellenz mit der nothwendigen Überlegung zu bringen, fähig war: Zu mahl da es mir zweifelhaft schien, ob diese getroffene Einrichtung nur ad interim bis auf weitere gnädigste Verordnung zu verstehen ist? Welches der Natur der Sache gemäß wäre: oder ob sie als beständig so bestimmet, muß angesehen werden?

[Bl. 1v]
Vor allen Dingen erkenne ich dieses höchste und gnädigste Zutrauen gegen meine Persohn, mit der verehrungsvollsten Rührung meines Hertzens, und statte also dafür meinen unterthänigst verpflichtenden Dank ab! Ew. Hochgebohrne Excellenz werden mir aber gnädigst erlauben, daß wenn die Gemeinschaft des Gebrauches des Observatorii und der Instrumenten für beständig soll verstanden werden, die Schwierigkeiten dagegen vorzustellen, die mich würklich hindern, von dieser mir zugedachten höchsten Gnade einiges Vergnügen zu hoffen, welches mir ohne diese Bedingung der Gemeinschaft, dadurch zugewachsen wäre. Ich muß es Ew. Hochgebohren Excellenz nur aufrichtig gestehen, daß diese Gemeinschaft mit dem Herrn Prof. Kästner die Hauptursache ist, warum ich diese Ehre unterthänigst verbitten muß, wenn mir nicht das Obserrvatorium und die übrigen Instrumenten ganz alleine und ebenso freÿ und unabhänglich, als wie sie der verl. Prof. Maÿer besessen hat, kan anvertraut werden.[5]

Ich bin allzu wohl überzeuget, daß dieses an Ew. Hochgebohrne Excellenz gebrachte Ansuchen des gemeinschäftlichen Gebrauchs des Observatorii auf diejenigen falschen Begriffe gegründet ist, die man hier in Göttingen von der Astronomie überhaupt, und insbesondere von dem Gebrauch der Instrumenten heget. Ein wahrer Kenner dieser Wissenschaft würde sich niemahls unterstanden haben, eine solche Forderung zu äußern, die der Natur

[Bl. 2r]
der Sache gäntzlich zuwieder ist, und die dem Observatorio selbst beÿ denen auswärtigen Kennern und Beförderern der Astronomie ein ungleichs Urtheil erwecken könnte. Ew. Hochgebohrne Excellenz werden es nicht ungnädig vermercken, wenn ich mir die Freÿheit nehme mit dem nächsten Posttag einen kurzen schriftlichen Aufsatz in höchst dero Hände zu liefern, darinnen ich die wahren Begriffe der heutigen Astronomie und des Gebrauches eine Observatorii wie das hiesige mit der Zeit nehmen soll, nebst der wahren Ehre die unserer Academie davon zuwächset, deutlich entwickeln werde. Ich beweise darinnen, daß beÿ dem heutigen so vollkommenen Zustand der Astronomie, die Beschäftigungen eines fleißigen und genauen Observatoris nicht einmahl die Gesellschaft eines andern in dieser Wissenschaft eben so starck erfahrnen Mannes verträgt, wenn sie nicht beede in abgesonderten Zimmern, und mit ihren eigens eingerichteten Instrumenten observiren können. Am aller wenigsten aber würde sich der Herr Prof. Kästner zu einer solchen Gesellschaft finden, der wie ich es offenherzig melden muß, noch nicht aus denen Schrancken der Anfangs Gründe für die alte und jezt gäntzlich unbrauchbare Astronomie gekommen ist: und der von der Neuern wenig oder nichts verstehet, und sich noch weniger Einsichten in die Observationen der Himmelsbegebenheiten, erworben hat, wie alle seine gedruckten

[Bl. 2v]
Sachen einen jeden wahren Astronomen schon längst hiervon überzeugten.

Da die Astronomie von meiner Kindheit an, meine liebste Beschäftigung war, und da leicht zu beweisen ist, daß ich selbst dem seel. Prof. Maÿer, als er sich beÿ mir in Nürnberg aufhielt, darinnen unterwiesen, und unterstützet habe,[6] so hätte ich gewiß geglaubt, mit der Verwaltung des Observatorii alle Ehre zu erwerben, wenn mir solche ohne alle Einschränckungen anvertraut, und meine hiesigen betrübten Umstände hinreichend könnten verbessert werden! Ich unterwerffe dieses alles Ew. Hochgebohrnen Excellenz erlauchten Einsicht und gnädigster Betrachtung: und verharre in höchster Ehrfurcht und tieffster Unterwerffung

Hochgebohrner Reichsfreÿherr
Hochgebietender Herr Geheim Rath und CammerPräsident
Gnädigster Herr!

Ew. Hochgebohrne Excellenz


Göttingen am 4ten Mertz
        1762.

unterthänigster Knecht
Georg Moritz Lowitz



Fußnoten

  1. Gerlach Adolph von Münchhausen (1688-1770) war Minister des Kurfürstentums Hannover. 1734 war er einer der Begründer der Georg-August-Universität in Göttingen. Ab 1753 war er als Kammerpräsident für das Ressort Finanzen zuständig.
  2. Vgl. den Brief von Lowitz an Kästner vom Sonntag, den 28. Februar 1762
  3. Abraham Gotthelf Kästner (1719-1800) war seit 1756 ordentlicher Professor der Naturlehre und Geometrie in Göttingen.
  4. Tobias Mayer ist am 20. Februar 1762 in Göttingen gestorben. Mayer war ein Verwandter von Lowitz, wenn auch nur ein sehr weitläufiger: Lowitz hatte 1746 Anna Veronika Franz (1705-1756), Schwester von Johann Michael Franz (1700-1759) geheiratet. Franz wiederum hat schon 1740 Juliana Sophia Maria Yelin (11716-1762) geheiratet, die Tochter von Johann Georg Yelin (1688-1769), Verwalter in Wiedersbach. Yelin war ein Onkel von Mayers Ehefrau Maria Victoria Gnüg (1723-1780).
  5. Mayer hatte zunächst die Leitung der Sternwarte gemeinsam mit dem Mathematiker Johann Andreas von Segner (1704-1777) inne, was zu Reibereien führte. Er konnte aber durchsetzen, dass er die alleinige Leitung der Sternwarte erhielt.
  6. 1753 zeigte sich Mayer in einem Brief sehr verärgert über Lowitz. Ihm waren vergleichbare Behauptungen wie die vorliegende zu Ohren gekommen.


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