Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Fincke, Heinrich Arnold[1]
Empfänger Deputation der Universität
Ort Göttingen
Datum 7. Oktober 1767
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: E-38-2, Scan 238-239, 261-262
Anlage A: E-38-2, Scan 255-259
Anlage B: E-38-2, Scan 240-254
Transkription Hans Gaab, Fürth

[Scan 262]

praes. d. 7. Octobris
1767.

Gehorsamste Bitte
von Seiten
des Advocati Heinrich Arnold Fincken
als Curatoris des Herrn Professor
Lowitz unmündigen Sohns Tobias
Lowitz[2]


mit Anlage A und B

[Scan 238]

Königl. Großbrittrl. zur
Churfürstl. Braunschwl. Lünebl.
Georg August Universitaets
Deputation, Hochverordnete Her-
ren Prorector[3]
Decani und übrige
Professores
Magnifice
Hochwürdige Wohlgebohrne
Hochgelahrte
HochZuEhrende Herren


Den mit dem Hl. Professor Lowitz wegen der seinem Sohn

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zu bezahlenden legitimae[4] habe sub A. einreichen, und um baldige Confirmation desselben gehorsamst bitten sollen.

Als auch nunmehr der von Hl. Professor Lowitz per cessionem bonorum[5] selbst rege gemachte Concurs wiederum sistiret[6], mithin die vorigen Umstände auch des Hl. Professor Lowitz Rechte eintreten werden, dannenhero ich auch füglich, wenn sonst keine rechtliche Gründe wiedersprechen, meiner Curatel entlediget werden mag; so ergehet an Euro Magnificenz Hochwürdige und Wohlgebl.

/ad 35.a.[7]

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meine inständige Bitte:

  mich baldmöglichst ohne Zeit Verlust beÿ der Confirmation des obigen Vergleichs meiner Pflichten [zu] entlaßen.

Sollten aber HochDieselben diesem petito wegen gegenwärtiger Entlaßung meiner Curatel sogleich zu deferiren[8] Bedencken finden; so habe auch den Fall sub B eine Schrift, welche ich vor Verfertigung des Vergleichs bereits entworfen, angeschloßen, und beziehe ich mich auf die darinn gethahnen Vorstellung und eventualiter protestation, auch sonsten darinn geschehene interpositionem remediorum[9]

Desuper decenter implorando[10]!

conc: HA Fincke
Adv. immatr.


Anlage A

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Der zwischen dem Prof. Lowitz und seines unmündigen
Sohns Tobias Lowitz Vormunde, dem Advocaten
Heinrich Arnold Fincken über des Sohns legitima
geschlossenen Vergleich.[11]


Demnach der Herr Professor Lowitz mit seiner seel. Eheliebsten Dorothea Regina Elisabeth gebl. Riepenhausen[12] unterm 7ten Octobr. 1756. ein testamentum reciprocum errichtet, und solches beÿ Königl. Justiz=Canzelleÿ zu Hannover verwahrlich niedergeleget, welches am 20ten Sept. 1765 wiederum publiciret; und dann Er der Herr Professor Lowitz nach Innhalt dieses Testaments über seiner nachher verstorbenen Eheliebsten Vermögen heres universalis[13], deßen unmündiger Sohn Tobias Lowitz aber nur zum Pflicht=Theil Erbe geworden,

/35 b.[14]

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auch dahero zu bestimmen gewesen, was die legitima ausmachen würden, inzwischen beÿ dermahligen Umständen man zu Ersparung vieler Kosten rathsamer gehalten, diesen Pflicht=Theil vergleichsweise auf ein gewißes Quantum zu setzen; als haben sich der Herr Professor Lowitz und der bestelte Curator des unmündigen Tobias Lowitz dieserhalb nachfolgendermaßen verglichen

1.

Wird ein vor alles die legitima welche der unmündige

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Tobias Lowitz aus seiner seel. Frau Mutter gebl. Riepenhausen Nachlaß zu fodern hat, auf Achtzehnhundert Thaler in Louisdor a 5 Rt. bestimmet, und wird daher aller ferneren Berechnung des Pflicht=Theils hiemit entsaget.

2.

Verspricht aber der Herr Professor Lowitz diese 1800 Rt aus seinen theils von ihm oder theils von seiner seel. Eheliebsten vererbten Nachlaß herrührenden und

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nach jezt vorhandenen so wohl Mobiliar als Immobiliar=Vermögen zu bezahlen.

3.

Daneben entsagen Transigenten[15] allen exceptionen sie mögen Nahmen haben wie sie wollen.

Urkundlich ist nicht nur dieser Transact von beÿden Theilen eigenhändig unterschrieben, sondern es soll selbiger auch Hochlöblichem Judicio academico

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hieselbst ad confirmandum überreichet werden.

Geschehen zu Göttingen den 6ten Octobr. 1767


Georg Moritz Lowitz
ordentliches Mitglied und
Geograph der rußisch
Kaÿserlichen Academie
der Wißenschaften zu
Sanckt Petersburg
Adv. Heinrich Arnold Fincke
als Curator des un-
mündigen Tobias Lowitz[16]

Anlage B

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Ob Summum in mora periculum[17]
Gemüßigte und rechtliche Vorstel=
lung nebst Bitte
von Seiten
Advocati Heinrich Arnold Fincken
als des für des Herrn Professor Lowitz
unmündigen Sohn Tobias Lowitz
bestellten Curatoris

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Königl. Großbrittrl. zur
Churfürstl. Braunschwl. Lünebl.
Georg August Universitaets De=
putation, Hochverordnete Herren
Prorector, Decani und übrige Pro=
fessores
Magnifice
Hochwürdige und Wohlgebohrne
Hochgelahrte
HochZuEhrende Herren !


Weil ich über des Herrn Professor Lowitz unmündigen Sohn

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Tobias Lowitz als Curator bestellet und annoch bisher meiner Pflichten nicht entlassen; so werden mir HochDieselben rechtsgeneigt erlauben, folgendes gehorsamst vorzustellen.

Es ist ex actis iudicalibus gütigst erinnerlich, daß ich beÿ den Annständen, ob der Concurs zu sistiren auch die Entsiegelung und freÿe Administration des Lowitzischen Vermögens wieder eintreten könnte, am 10ten Junÿ d.J. eine schriftl. rubr: gehorsamste Anzeige übergeben, und darinn angezeiget,

  1) wie hoch sich nach Angaben des

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    Hl. Profeßor Lowitzens das annoch vorhandene Vermögen belaufe, und wie viel dafür wohl baar aufkommen mögte.
  2) Wie viel die illata[18] meines Curanden Mutter betragen, und was daher für die legitima anzunehmen.

Zugleich habe ich in gedachten exhibite gemeldet, wie die legitima vergleichsweise auf 1800 Rt in Louisdor á 5 Rt gesetzet werden könnte, und mir dieserhalb expresse Resolution erbeten; hiernächst habe darinn Hochlöbl. Deputation anheim gegeben mithin

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der Pflicht des Ober=Vormundes überlaßen wie durch schickliche Verfügung und Anordnung Sicherheit gemacht werden könnte, daß der Curand auch würcklich die legitimam bezahlt erhielte. Ich habe anbeÿ den Vorschlag gethan, ob es nicht rathsam seÿ, daß ich wenigstens beÿ dem Verkauff des Vermögens zu gezogen und nach dem Vorzugs=Rechte der legitimae auch vorzüglich so gleich von mir das Geld in Empfang genommen würde.

Auf dieses exhibitum ist mir nicht die geringste Resolution

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zu gefertiget worden.

Hierauf geschiehet weitere Handlung und Untersuchung, wie die hohe Königl. Regierung Sicherheit bekäme, und nehme Gelegenheit, wie sogar der Königl. Regierung ein Theil der Bibliothec in solutum[19] gegeben werden, und die Entsiegelung geschehen soll, am 16. Septembr: d.J. abermals eine Schriftl. rubricirt: gehorsamste Vorstellung ein zu reichen. In dieser Schrifft laße ich die Entsiegelung zu, jedoch nicht anders als unter nachfolgenden

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Conditionen.

  1) wenn hochlöbl. iudicium darinn consentirte, und solches daher von Ober=Vormundschafts wegen approbiret. Auch
  2) der mit dem Hl. Profeßor Lowitz geschloßene Vergleich wegen der legitimae zu 1800 Rt confirmiret, nicht weniger
  3) wenn ich mit meinem Decreto versehen und dahin authorisiret würde, daß ich so gleich beÿ dem Verkauf des Mobiliar als unbeweglichen Vermögens gegenwärtig seÿn, und

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    das aufkommende Geld in Empfang nehmen soll, bis der Curande ratione legitimae völlig abgetragen.

Auf dies Vorstellung erhalte ich ebenfalls nicht die geringste schriftliche Resolution, sondern in termino am 28ten v. M: vernehme ich, daß Königl. Regierung für 500 rt von dem Herrn Professor Lowitz die juratorische Caution[20] annimmt. Ich vernehme ferner, daß vom Hochlöbl. iudicio die Entsiegelung verordnet, auch der Concurs sistiret, und curator concursus

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Advocat Campe dimittiret[21] ist. Übrigens ist gewis, daß ehesten Tages die Lowitzischen Meublen und Effecten werden verauctioniret werden.

Als ich nun ohnmöglich in der Lage bleiben kann, sondern beÿ dieser Procedur allemahl in banger Furcht schweben mus, ob beÿ dem in dieser Tage etwa entstehenden Praejuditz des Pupillen[22] ins künftig das Gericht als ober Vormund, oder ich als Curator in Anspruch genommen werden könnte, /: wie wohl meine übergebene, und ob an=

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gezeigte exhibita von mir ziemlich alle Verantwortung weltzen würden :/; so sehe ich mich gemüssiget Euro Magnificenz Hochwürdige und Wohlgebl. ghorsamst zu bitten.

  Ob summum in mora periculum vorläufig den vom Hl Profeßor Lowitz angenommenen Vergleich wegen der legitimae zu 1800 Rt zu confirmiren, auch übrigens entweder beÿ diesem Umstände, damit ich aller Verantwortung entübriget werden möge, mich ohne Verlust der

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  Zeit nebst Confirmation des eben gedachten Vergleichs meiner Pflichten entlassen oder im Fall HochDieselben dieses nicht zulaßen können, auf mein vorhin in mehrgedachten exhibitis gethanes petitum gütigst zu reflcetiren mithin geneigt zu decretiren, daß ich beÿ allem Verkauff des von dem Hl. Profeßor Lowitz besitzenden Vermögen gegenwärtig seÿn, auch das aufkommende Geld so fort vorzüglich erheben und an und für sich für die Sicherheit der von mir zu erhebenen

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  Gelder besorget seÿn, und deshalb gehörige Administration pflegen solle.

Sollten aber HochDieselben so wenig dem lezteren Petito deferiren, als mich meiner Pflicht und Curatel zu entlaßen Bedencken finden; so habe auf solchem fall eventualiter mich protestande verwahren, auch richterliche Ehren ohnbeschadet quaevis remedia interponiren sollen.

Schließlich führe ich noch zur Erläuterung an, daß die Confirmation deswegen der legitimae

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geschloßenen Vergleichs um desto mehr baldmöglichst, wenn ich auch gegenwärtig gleich als Curator dimittiret werde, bewerckstelliget werden muß, weil ich auf des Hl. Profeßor Lowitz eigenen Ansuchen beÿ dem hiesigen Stadt=Magistrat zum Curatore ad actum divisionis des Nachlaßes seiner Eheliebsten gebl. Riepenhausen eÿdlich bestellet bin, und beÿ selbigem Gerichte nothwendig also bescheinigen mus, daß die legitima ausfindig

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gemacht, und ich auch allda beÿ dem Stadt=Gerichte meiner Pflichten entlaßen werden könne.

Dieser mir vom Magistrat hieselbst aufgetragene Curatel wurde dadurch veranlaßet, wie der Hl. Professor Lowitz die von seiner seel. Eheliebsten nachgebliebene Grundstücke verkauffen wollte, welches anfänglich der Rath als index rei sistae[23] nicht admittirte, weil diese Grundstücke von der Eheliebsten herrührten,

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bis der Hl. Professor zeigte, daß er heres universalis ex testamento, und der Sohn nur zum Pflichttheil als Erbe eingesetzet seÿ, auch so fort ad divisionem des ererbten Nachlaßes provocirte, und selbst seinem Sohn einen curatorem ad actum divisionis bestellen ließ.

Desuper nobilissime iudicis Officium decenter ac instantissime implorando ![24]

cunc. HA Fincke
Adv: immatr.
cur. nul



Fußnoten

  1. Nachdem sich Lowitz für zahlungsunfähig erklärt hatte, war seinem Sohn als Kurator der Advokat Heinrich Arnold Fincke zugewiesen worden.
  2. Tobias Lowitz (22.04.1757-07.12.1804) war das einzige überlebende Kind aus der zweiten Ehe von Lowitz.
  3. Von 02.07.1767-03.01.1768 war Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) Prorektor. Er war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat.
  4. legitima: Pflichtanteil am Erbe.
  5. cessio bonorum: Überlassung der Güter; Konkurserklärung.
  6. sistiren: einstellen.
  7. Aktennummer in der Designatio Actorum.
  8. deferiren: bewilligen.
  9. interpositionem remediorum: hier: vorgeschlagene Lösungen bzw. Kompromisse.
  10. Desuper decenter implorando: Mit Bitte daüber gnäd zu befinden.
  11. Anmerkung von anderer Hand.
  12. Dorothea Regina Elisabeth Riepenhausen (23.07.1723-14.03.1765) hatte am 20.04.1756 Lowitz geheiratet.
  13. heres universalis: Universalerbe.
  14. Nummer des Dokuments in der Designatio Actorum.
  15. Transigenten: gemeint: die beiden kompromissbereiten Parteien.
  16. Darunter befindet sich noch ein Beglaubigung dieser Abschrift durch Riccius vom 14.10.1767.
  17. ob summum in mora Periculum: wegen der Hauptsache bei Gefahr der Verzögerung.
  18. illata: Güter der Frau, die nun ihrem Mann gehören.
  19. in soltum: an Zahlungs statt
  20. juratorisch caution: Vor Gericht wird beeidet, dass man das hält, was man verspricht.
  21. dimittieren: entlassen.
  22. Pupille: Mündel.
  23. index rei sistae: Anzeige des festgelegten Ortes.
  24. Desuper nobilissime iudicis Officium decenter ac instantissime implorando: Darüber möge das hohe Gericht gnädig und sehr schnell befinden.