Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 18. April 1727
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 94,1r-2v
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nürnberg den 18. April.
A.C. 1727.    

HochEdler und Hochgelährter,
Insonders hochzuehrender Herr, werthester Gönner!

Ich verhoffe es werde mein vom 4. Martii Abgelassenes, par couvert, inmittelst ganz richtig zu dero handen gelanget seyn, darinnen ich berichtet, wie Mr. de l'Isle, nach seinem den 24 Febr: von mir erhaltenen Schreiben,[1] das bewußte Paquet nicht erhalten habe,[2] welches mich sehr kräncket, und hafftet die Schuld entweder an Hl. Gleditschen[3] in Leipzig, oder an Hl. Haude[4] in Berlin. Inmittelst, bitte, wo sich ja das bemeldte Paquet nicht mehr finden sollte, mir Mr. de l'Isle, so bald E. HochEdlen wieder an Ihn schreiben, ein Attestat mit zutheilen, daß Hl. Gleditsch in Leipzig, wie Sie aus seinem an Hl. Haude abgefertigten Schreiben schon längstens ersehen, das Paquet von mir richtig erhalten, und ich nicht in culpa seye, da vor ander Leuthe üble Bestellung nicht repondieren kan. Das neueste, was bey uns neulich passiert ist, ist, daß E. Hochedlen, Hl. Rost den 22. Martii an einer hizigen kranckheit gestorben, und dabey ohne Versöhnung fortgemachet, indeme wir zuvor Verdruß miteinander gehabt, da er in seinen an

[Bl. 94,1v]
gangenen Miscelis edirten so genannten aufrichtigen Astronomo zwey unrichtige und falsche Passagen (worin vielleicht in meinem lezten Schreiben schon werde etwas gemeldt haben[5]) wieder mich, als ein malhonneter und undanckbarer mensch, hat einfliessen lassen,[6] da er meiner verbesserten machinam Helioscopicam[7] nicht allzu wohl recommendiren und andre meiner allda pag. 289. vorziehen will, wovon er aber wie der blinde von der farbe redt, indeme er, wie ich damit umgehe, nie mahlen angesehen: pag. 300 Ibid: affingiret er mir, daß ich in meiner Bionschen Werckschule das von Mr. de la Hire erfundene (welches ebenfalls unrichtig denn solches Mr. Auzout erfunden) Micrometrum durch eine Beschreibung etwas deutlicher ausgeführt hätte,[8] um solches nachdeme unzulänglich zu erkennen, da ich nicht ein wort mehr, als etwas das Bion frl. original gegeben, in besagter werckschul angebracht, und ist als ein anders etwas übersezen, ein anders etwas deutlicher ausführen, welches lezte sich nicht im geringsten verificiert, dahero dabey mir unbillich eine unzulänglich=

[Bl. 94,2r]
keit zukommet. Von diesem melde vor jezo Expresse, weil der ungereimte Censor die controvers Ihre Hochgeachtl. Societät hat vortragen wollen, und noch sein Bruder es zu thun willens seyn soll, da ich so viel melde, daß man bey dem ersten Punct, so lang man meine Methode und operation nicht angesehen, kein judicium fällen könne, bey dem andern aber sich das Decisum, wenn Sie das original mit meiner übersezung conferiren, um desto eher ergeben möge, daß, da man kein wort dabey weiter als was das französische werck gegeben, findet, die angesinnte deutlichere Ausführung falsch und die angegebene Unzulänglichkeit auch eben so unrichtig seye, dahero der Verleger beordert ist, die strittige blätter umzudrucken, darwieder man sich jenseitig sehr sezet, und eine bedencken auswärtig darüber einholen will, so eben nicht von nöthen wäre, weil man, der unpartheyisch ist, ex terminis leicht siehet, daß solcherley mir nicht zu Ehren angesezet worden, deßwegen man auch die undeutliche Censur übergangen, sonst man hätte solches nicht passiren lassen, zu mahlen da ich

[Bl. 94,2v]
ihme, auch außer dem jemanden, bisher in meine Editis nicht das geringste in Weg geleget und zu wieder gethan, ja vielmehr aus Lieb zum Frieden noch sein mit vielen Fehlern ausgefülltes Handbuch in der Vorrede meiner Bionischen Fortsetzung von Astronomischen Instrumenten recommendiret,[9] da nun was andres ungereimtes dafür zum danck annehmen soll, und so viel von dieser Materie. Weil sich eben eine gute Gelegenheit praesentiret, daß ein Kauffmann von hier nach Berlin abgehet, so habe zwey Exemplaria von den Nicasischen Tabl. Lunariter[10] auf Verlangen beyfügen wollen, welche hiermit übergebe. Ob eine sichere Gelegenheit von Berlin aus auf Petersburg, um Sachen zu überführen, zu haben seye, mögte wohl gern wissen. Hl. De l'Isle lässet von dieser und jener Gegend Sachen vor ihn an mich dirigieren und schreibet doch nicht, wie meine Desideria so wohl mündlich als schriftlich dahin schon längstens ergingen, durch was vor eine Gelegenheit es an ihn geschehen könne, das verdrüßlich ist, und dann noch zu einem größeren Verdruß ausschlagen kan, so man damit wieder, wie mit dem bekandten Paquet, weiter unglücklich seyn sollte. Ich schließe hiermit und verbleibe mit aller devotion

    E. Hochedlen
Meines hochzuehrenden Herrn

P.S. Man sagt bey uns als wenn der Hl. von Gundling[11] unser Herr Profes todt seyn sollte, welches ich vor ein Spargement[12] halte, denn wohl die Leipziger Gelehrte Zeitung Nachricht davon würde erstattet haben. ergebenster diener
JG Doppelmayr

Fußnoten

  1. Der Brief von Delisle ist nicht überliefert.
  2. Auf seiner Reise von Paris nach St. Petersburg hatte Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) im Dezember 1725 Doppelmayr in Nürnberg besucht. Ende Dezember war er Richtung Berlin weitergereist. Doppelmayr hatte im ein Päckchen nach Berlin hinterhergeschickt, das Delisle jedoch nie erreichte.
  3. Johann Gottlieb Gleditsch (1688-1738) war Buchhändler und Verleger in Leipzig. Zu ihm siehe Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 440 f. (Autor: Adalbert J. Brauer).
  4. Ambrosius Haude (1690-1748) war Buchhändler und Verleger in Berlin. Zu ihm siehe Neue Deutsche Biographie VIII, 1969, S. 79 (Autor: Horst Meyer).
  5. In seinem vorhergehenden Brief vom 4. März erwähnte Doppelmayr Rost und dessen Astronomus nicht.
  6. Bereits in seinem Brief vom 23. Dezember 1726 berichtete Rost Kirch über seinen Streit mit Doppelmayr und schildert seine Sicht der Dinge.
  7. Vgl. Doppelmayr, Johann Gabriel: Animadversiones nonnullae circa Eclipsium Observationes. In: Academiae Caesareo-Leopoldinae Naturae Curiosorum Ephemerides, 3./4. Band 1715, S. 133-136; Zugehörige Abbildung
  8. Vgl. Doppelmayr, Johann Gabriel: Dritte Eröffnung der mathematischen Werck-Schule Nicolai Bion in welcher Die Zubereitung und der Gebrauch verschiedener Astronomischen Instrumenten beschrieben wird. Nürnberg 1721. Darin S. 133-149 das Kapitel über die Mikrometer, zu Auzout S. S. 134f., zu de la Hire S. 145f.
    Der französische Physiker und Astronom Adrien Auzout (1622-1691) soll ein Mikrometer bereits 1666 in einem Brief erwähnt haben, auf ihn scheint auch die Bezeichnung Mikrometer zurückzugehen. Allerdings machte erst Jahre später der französische Mathematiker Philippe de la Hire (1640-1718) auf die Entdeckung von Auzout aufmerksam. Meisten wird die Erfindung des Mikrometers aber dem Engländer William Gascoigne (ca. 1621-1644) zugeschrieben. Doppelmayr erwähnt ihn in der dritten Eröffnung ohne auf Prioritätsansprüche einzugehen.
    Vgl. Busch, Gabriel Christoph Benjamin: Handbuch der Erfindungen, Band 9. Eisenach: Wittekindt 1817, S. 177-189.
    Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch oder Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter d. Von Liq bis Sed. Leipzig: Schwickert 1798, S. 207-214.
    Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908, S. 426-428.
  9. Laut der Vorrede zur dritten Eröffnung würden "noch diejenigen Instrumenta vorgestellet / die zu denen Observationen gewidmet sind / bey welchen letzten das Astronomische Hand-Buch / Herrn Rostens / zu dern mehrern Gebrauch / denen Liebhabern der Astronomie gar wohl recommendiret werden mag" (Vorrede, Bl. )(2v).
    Unumstritten enthielt Rosts Hand-Buch Fehler, übermäßig viele sind es aber nicht. Vgl. dazu den langen Brief von Christfried Kirch an Rost vom 26. November 1718, in dem er in einem äußerst wertschätzenden und solidarischen Ton Rosts Fehler kritisiert. Im Übrigen schrieb Rost selbst in der Vorrede seines Aufrichtigen Astronomus, dass er sich im Hand-Buch "an einigen Orten verstoßen" habe (Vorrede, Bl. )()(3r).
  10. Grammatici, Nicasius: Tabulae lunares ex theoria et mensuris geometrae celeberrimi domini Isaaci Newtoni equitis aurati in gratiam astronomiae cultorum concinnatae. Ingolstadt: Grass 1726.
  11. Wahrscheinlich Nicolaus Hieronymus Gundling (1671-1729) aus Kirchensittenbach, der ab 1705 Professor in Halle war. Er hielt sich dort schon seit 1699 als Hofmeister von zwei Zöglingen auf, d.h. Doppelmayr hat ihn damals wohl kennengelernt. Dieser Gundling schreibt sich allerdings nicht "von", so dass auch Jacob Paul von Gundling (1673-1731) gemeint sein könnte, der Historiker, Hofgelehrter und unfreiwilliger Hofnarr bei Friedrich Wilhelm I. gewesen war.
  12. Spargement: Gerücht, falsche Nachricht.