Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 14. August 1733
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 111,1r-2r
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nürnberg den 14. Aug:
A.C. 1733. 

HochEdler und Hochgelehrter,
Sonders Hochzuehrender Herr
Hochgeneigter Gönner!

Ew. HochEdlen neulichst an mich abzulassen beliebte Zeilen habe ich den 6 Aug: par couvert richtig erhalten[1] und zugleich die Zulage fördersamst eingelieffert, worauf dann, da unser werther Herr Prof: Celsius eben ein Schreiben an Sie, als eine Antwort abzulassen gedencket, meine schuldige Gegenantwort abzulassen nicht ermangle. Hiebey aber muß ich vor allen der übergesandte Muzelianischen Disquisition[2] gedencken und meine Bewunderung zeigen wie ein Mann so gar in den Tag hinein schreiben möge: Ich will nur zum Exempel den von E. HochEdlen bemeldten 35§ nehmen, darinnen der Hl. Auctor zum Fundament seines beygebrachten Experiments angiebet, wie er die Lufft aus den Gefäßen mit der Antlia pneumatica wohl exhauriret[3] habe, weil bey Zulassung der Lufft, solche (wie seine Worte lauten) magno cum strepitu[4] aquae multisque bullis excitatis, in den gläßern fonticulum gegangen, da ebenfalls die Lufft mit einem großen strepitu, wann zwar auch nicht ganz aus dem vase recipiente evacuiret, in besagtem fonticulum dringet, dahero sein Fundament unrichtig ist, will aber der Herr Auctor wissen, daß die Lufft wohl exhauriret seye, muß er es mit dem Tubo Torricelliano und dem Quecksilber bey schicklicher application desselben nach Hauksbee,[5] erweisen, und da wird sein Experiment nicht angehen. Ich könnte noch mehr unrichtigkeiten, wann ich bey Ihnen wäre, ad oculum darthun, indeme der Herr Auctor nicht alle circumstanzen bey dem experimentieren in acht nimmt, die ich innerhalb 30 Jahren bey 16 collegiis curiosis, zimlich wohl eingesehen. Inzwischen werde bemeldte Disquisitien, die mir

[Bl. 111,1v]
zu Theil werden, denen Astronomischen Piecen des Hl. Dr. Siegesbecken[6] beylegen, weil sie von gleichen calibre sind; Ich habe mich recht über diese geärgert, da sie mir zu Gesicht gekommen, Herr D. Wagner[7] in Helmstädt hat vermeynet mich mit Ihme zu vermitteln, ich habe aber geschrieben daß ich mich nicht mit bemeldtem Hl. Doctor mögte einlassen, weil er keine Fundamenta in der Astronomie hätte, auch ich nicht gesonnen wäre, ganze commentarios zu schreiben und an Ihn zu schicken, sollte er sich also vielmehr an seinem Orth recht informieren und die Theoriam des Systematis Copernicani wohl beybringen lassen, da Er dann auf bessere Gedancken kommen sollte, wohin auch die Meynung von E. HochEdlen, wie ich höre, zimlich abgegangen, so mir lieb ist.

Daß die Ephemerides Eclipsium jovialium auf den Berlinischen Meridianum und nach unserm Calender gerichtet, bey Ihnen zum Vorschein kommen sollen[8] und andern die Mühe erleichtern mögen, habe ich sehr gerne vernommen, wünsche daß solches bald geschehen möge, da solche zu dem künfftigen bekandten Propos[9] sehr gute dienste schaffen können, davon die Zeit ein mehrers geben wird. Was den bekandten M. S.[10] anlanget, ist selbiger nur bey dem Verleger u. seinen Freunden in Ansehen, andre aber, und die absonderlich ehe dem seine guten freunde gewesen, machen wegen seiner großen Prahlung, welcher die Autodidacti mehrentheils ergeben, keinen Staat von Ihme, ich will nur

[Bl. 111,2r]
ein einiges Exempel von seinem Hochmuth, den er in Ansehung meiner gezeiget, beybringen. Es hatte vor einem Jahr der Sohn des Verlegers meiner Globorum Hochzeit,[11] wozu dieser Mr. auch invitiert worden, er entschuldigte sich aber, daß er nicht komme solcher Gestalt: Wie nemlich ich seinen Plaz, der ihm gehörte, an dem Tisch einnehmte, und dahero könte er nicht kommen, und was dergleichen thörichte Reden noch mehr gewesen worüber ich gelacht. Was endlich den verlangten Preis von den Speculis cylindricis und convecis mit denen dazu gezeichneten und illuminierten Anamorphosibus anlanget,[12] so vermelde daß ein jeder solcher Spiegel mit 12 Figuren wohl über 6 Thaler komme, und also beede mit 24 Figuren zum wenigsten 12 Thaler ausmachen. Wegen des Hoffmännischen Quadratites erwarte annoch in der Stille eine geneigte richtige Nachricht, da in dem lezten Schreiben nichts davon erfolget, es bleibet unter uns und gereichet zu keinem Nachtheil. Womit mich zu ferner Propension bestens empfehle und unausgesagt verharre

    Ew. Hochedlen
  Meines hochzuehrenden Herrn

ergebenster Diener    
J G Doppelmayr mpp  


Fußnoten

  1. Der Brief von Kirch ist nicht überliefert.
  2. Friedrich Muzel (Muzelius, 1684-1753) war ein deutscher Gymnasiallehrer. 1733 brachte er heraus:
    Disquisitio argumentorum pro aeëris pressione celeb. virorum Wolffii, Loescheri, Teichmeieri, Scheuchzeri. Berlin: Gäbert 1733.
  3. exhaurire (lat.): leeren, ausschöpfen.
  4. Strepitus (lat.): Lärm, Getöse.
  5. Francis Hauksbee (1666-1713) war seit 1705 Mitglied der Royal Society. Er wurde vor allem für seine elektrischen Experimente bekannt.
  6. Johann Georg Siegesbeck (1686-1755): Schediasma Philosophico-Astronomicum De Vero Systemate Cosmico Ad Hunc Diem Nondum Perspecto Ac Cognito; Quo Non Solum Hypothesium Tam Ptolemaicae, Quam Tychonicae, Sed Et Praecipue Coprenicanae, Quae Alias Ab Omnibus Ferme Eruditis Ceu Vera Ac Indubia Reputatur, Incertitudo Et Falsitas, Ex Ipsis Phaenomenis Et Observatis Coeli Novissimis, Inconcussa Ratione, Immo Mathematica Evolutione, Fallere Nescia, Clare Evincitur Ac Demonstratur. Operi Majoris Prodromus. Helmstedt: Schnorrius 1732.
  7. Rudolf Christian Wagner (1671 - 1741) war u.a. Arzt in Helmstedt.
  8. Kirch, Christfried: Eclipses circumjovialium sive immersiones et emersiones omnium quatuor satellitum Jovis: ad annos 34. 35. 36. 37. 38. et priores menses anni 39. labentis hujus seculi, supputatae, et ad meridianum Berolinensem reductae. Berlin: Michaelis 1734.
  9. Propos: Vorhaben, Absicht.
  10. Gemeint ist Johann Jacob Schübler (1689-1741). Doppelmayr versuchte dessen Aufnahme in die Berliner Akademie zu verhindern, vgl. dazu das PS im Brief an Kirch vom 27. Juli 1726.
  11. Johann Georg Puschner der Jüngere heiratete am 3. März 1732.
  12. Anamorphosen sind Bilder, die erst bei der Verwendung bestimmter Spiegel, wie hier Spiegeln in Zylinderform, zu erkennen sind.