Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 21. Dezember 1733
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 113,1r-2v
Transkription Hans Gaab, Fürth

NNürnberg den 21. Dec:
A.C. 1733. 

HochEdler und Hochgelehrter,
Insonders Hochgeehrtester Herr
Hochgeneigter Gönner!

Ew. HochEdlen Angenehmes habe ich von den Hhl. Endterischen[1] richtig erhalten,[2] und daraus eines und das ander zu meiner nachricht, wohl vernommen, wofür ich obligirt bin, absonderlich aber hat mich die aufrichtige Relation wegen des Hoffmannischen Quadranten erfreut, das Holz ist Holz und bleibt Holz, i.e. es ist allzuweilen Veränderungen unterworffen wann gleich die Limbi darauff von Messing sind, dahero mir unsers Hl. Prof: Celsii Quadrant weit besser gefället, den ich in Verwahrung habe, weil er von puren Messing,[3] mir kommet nur dabey bedencklich ob die Regul als ein pendulum, da sie auff einer Seiten etwas ferner als auf der anderen seyn kan, die minuten accurat abschneidet, vornemlich aber wann sie am Messing etwas drang gehen sollte, dahero fast lieber die Diopter zu äusserst am Quadranten machen und den Abschnitt mit einem subtilen Pendulo nehmen lassen wollte, worüber Ew. HochEdlen Meynung mir aus bitte. Unser vorbemeldter Herr Prof: Celsius ist sehr curieux und begierig einige Nachricht von E. HochEdlen zu überkommen, davon Ihne Rapport werde thun, da ich ehesten Tagen an ihn schreiben und berichten werde daß der brieff den Er desidiret, und der auf der Post, als man ihn nachgeschickt, verlohren gegangen, von E. Hochedlen gewesen, welches Er sehr bedauern wird. Er hält sich noch in Bononien auf, allwo ihn Hl. Manfredius vieles Vergnügen giebet,[4]

[Bl. 113,1v]
der liebe mann wird so offt von den Stein vor jezo incommodiret, daß viele Zeit weggehet; daß er in Astronomicis nichts thun kan. Der Hl. von Meldercreuz[5] hat Vocation nach Schweden bekommen, welches beede Hhl. Reisegefehrden nicht angenehm ist. Daß die Eclipses Satellitum Jovis auf den Berlinischen Meridianum reduciret nun zum druck und bald zum Vorschein kommen werden, höre sehr gerne,[6] wollte wünschen daß der Catalogus Fixarum Flamstedii,[7] da man das ganze Werck kauffen muß, so man dessen will theilhafftig werden, ganz aparte auf einmahl mögte zu haben seyn, so vielen Astronomischen Liebhabern angenehm fallen würde. Von der lezten Sonnenfinsternis finde keine in meiner Correspondenz Ihnen übersandte Observation als diese; nemlich

Eclipsis ☉ Pragae observata die 13 May. 1733.
Initium H6. 41.' 12'' circiter ⁄ I Dig: 45.' 10'' ⁄ II. Dig: 49.' 24.'' ⁄
III. Dig: 53.' 40.' ' ⁄ IV. 58. 10 ⁄ V.= 7. 3. 4 ⁄ VI: 8. 14 ⁄ VII.=
13.' 46.'' ⁄ ⅔VIII= 17:' 34.'' ⁄ Ultra ait P. Mühlwenzl[8] observare prohibuit Templum Arcis. Von einer andern Observation, die eine Mondsfinsternis und Junctionen infimi Satellites betrifft,

[Bl. 113,2r]
sende was mir Hl. Marinonius[9] vor einiger Zeit communiciret.

Was das commercium literarium astronomicum anlanget, ist es damit inzwischen wunderbar ergangen; nemlich es hat sich der junge Adelbulner, als mein ehemaliger, nunmehro undankbarer Discipul, da ich die Edirung meiner observationen allein, wie es nicht anders als billich war, weil er nicht eine einige dargegen zu communiciren hatte, auf E. HochEdlen und Hl. Prof. Celsii Vorschlag, vornehmen wollte, mit Gewalt, als er es gehöret, eindringen und eine Parität, nicht daß ich Director wäre, statuieren wollen, welches ihme denegiret, dahero er sich hinter den hiesigen Hl. Kirchenpfleger gestecket, und gleichsam ex Mandato, das ich nicht agnosciret, angekundet, er (als Adelbulner) wolle Verleger seyn, er wolle die Bücher recensiren, ich sollte (nicht Director, sondern) sein Assistent seyn,[10] es müßten nächstens ein bogen fertig werden, und was noch mehrer impertinente Reden waren, die er mir in faciem in beyseyn der beden Hhl. Schweden,[11] eben als wenn ich sein Jung wäre, zu unsern großen Verdruß, gesagt, dahero dann ihn gänzlich verlassen, und vor jederman als einen groben und ungeschliffenen menschen, bey deme

[113,2v]
der Buchdrucker Geselle ziemlich herausgesehen, (da er in seines Vatters druckerey auch einen Gesellen mit abgiebet[12]) declariert, zumahlen da er noch suchet, als ein Insiniator,[13] die Observationes weg zukappern, welches aber nicht lang mehr dauern wird, weil meine Hhl. Correspondenten nunmehro eines besseren informiret sind, und ihme nichts mehr schicken werden, da dann, wann er aufhöret, ich meine Sachen allein, ohne beyhülffe eines so jungen Maulaffens, zum Vorschein bringen werde. Was endlich noch von den speculis planis zu melden, so berichte, daß ich solche habe, und wohlfeiler, als Leupold[14] gethan, schaffen kan, da beyde Spiegel in einem Angulo recto gestellet, an statt 2. bis 4. Thalern, vor 2 Reychs Gulden, auch eine jede figur vor 8 gute groschen mehr einen halben Gulden schaffen kan, weßwegen ordre erwarte da ich inmittelst verharre in Eil, weil der Brieff fortgeschicket werden muß

  Ew. Hochedlen
meines hochgeneigten Gönners

ergebenster Diener      
JG Doppelmayr mpp  


Fußnoten

  1. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  2. Der Brief von Kirch ist nicht überliefert.
  3. Vgl. zu den beiden Quadranten Doppelmayrs Brief an Kirch vom 17. Juli 1733.
  4. Wie Manfredi selbst berichtet, hielt sich Celsius in Bologna vom 13. Oktober 1733 bis zum 8. April 1734 auf: "Anno 1733 Andreas Celsius Regius in Vpsaliensi gymnasio astronomus, ac scientarum academiae nuper ibi erectae a secretis, Bononiae cum moraretur ex die 13 Octobris quotidie cum per tempestatem liceret Soleni ad Divi Petronii observare instituit ad usque diem 8 Aprilis 1734, quo die Bononia discessit", vgl. Manfredi, Eustachio: De Gnomone meridiano Bononiensi. Bologna: Laelii a Vulpe 1736, S. 20. Celsius verließ Bologna dann in Richtung Rom.
  5. Jonas Meldercreutz (1715-1785) begleitete Celsius auf seiner Europareise und nahm später auch an der Expedition nach Lappland teil.
  6. Kirch, Christfried: Eclipses circumjovialium sive immersiones et emersiones omnium quatuor satellitum Jovis: ad annos 34. 35. 36. 37. 38. et priores menses anni 39. labentis hujus seculi, supputatae, et ad meridianum Berolinensem reductae. Berlin: Michaelis 1734.
  7. Flamsteed, John (1646-1719): Historia coelestis Britannica, tribus voluminibus contenta. London: Meere 1725.
  8. Der Jesuit Ignatz Heinrich Mühlwenzel (1690-1766) war Professor für Mathematik an der Universität von Prag, später in Breslau.
  9. Der in Italien geborene Johann Jakob Marinoni (1676-1755) war ein österreichischer Astronom und Kaiserlicher Hofmathematiker, der im Briefkontakt zu Doppelmayr stand.
  10. Celsius hatte bei seiner Anwesenheit in Nürnberg angeregt, eine astronomische Fachzeitschrift zu gründen. Darin sollten u.a. die von Doppelmayr gesammelten astronomischen Beobachtungen veröffentlich werden. Doppelmayr sollte der junge Michael Adelbulner zur Seite gestellt werden, dessen Vater eine Druckerei betrieb. Doch kam es zum Streit, wer der Direktor dieses Unternehmens sein sollte. Doppelmayr sah seine Rechte nicht genügend berücksichtigt und verweigerte die Mitarbeit. Zu Adelbulners Sicht der Dinge vgl. seinen Brief an Kirch vom 10. Dezember 1733. Tatsächlich findet sich in Adelbulners Brief die Stelle, dass er Doppelmayr anbot, Assistent des Commerciums zu werden - seine Wortwahl war hier alles andere als geschickt. Kirchenpfleger war damals Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach (1673-1752), der sich bemühte Philosophie und Mathematik zu fördern.
    Vgl. Gaab, Hans: Astronomie in Altdorf. Altnürnberger Landschaft e. V. Sonderheft 2011. Neuhaus: Altnürnberger Landschaft 2011, S. 121-128.
  11. Gemeint sind Anders Celsius und sein Reisegefährte Jonas Meldercreutz.
  12. Michael Adelbulners Vater Johann Ernst Adelbulner (1665-1737) erwarb 1699 die Druckerei von Wolfgang Moritz Endter und war von 1700 bis 1737 als Buchdrucker im Ämterbüchlein eingetragen. Vgl. Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 1. Mü:nchen: Saur 2007, S. 8.
  13. Insidiator: Wegelagerer, Erbschleicher.
  14. Jacob Leupold (1674-1727) war ein bekannter Instrumentenbauer.