Briefwechsel Johann Heinrich Müller


Kurzinformation zum Brief  
Autor Müller, Johann Heinrich (1671-1731)
Empfänger Kirchenpfleger der Stadt Nürnberg
Ort Nürnberg
Datum Ende Juli 1705[1]
Signatur Staatsarchiv Nürnberg: Reichsstadt Nürnberg, Kirchen- und Vormundamt 1919 (9)
Transkription Hans Gaab, Fürth

Unterthänigstes Memorial
an
Herrn Kirchen-Pfleger[2]
HochEdel Herrl.

ratium
der gesuchten Profession Physicae

gehorsamst übergeben
von
M. Joh. Henr. Müller


Hoch-Edel-Geborhner, fürsichtig u. Hoch-
weiser, hochgebietender gnädiger Maecenas
und Herr!

Seit dem E. HochEdler u. Hochweiser Rath, Meine Hochgebietende gnädige Herren, mit Erkauffung des Observatorij Eimmartiani[3] dero hohen Eifer zu Beförderung der Studien mit einem ungemeinen Exempel erwiesen, und dabeÿ meine Wenigkeit zu dessen Inspection und Gebrauch gnädig verordnet, hat mich solches dergestalt animirt, daß ich entschlossen, nebst dem studio theoretico-practico des Observatorij (von dessen würklich-angefangenen Nuzen die Scholarchen und andere Liebhaber, welche dasselbe bißher frequentiert, am besten zeugen können) auch die Physicam in hiesigem Auditorio, mit gnädiger Bewilligung dero Hochadel. Herrl. und des gesamten Höchst-

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ansehnlichen Collegij der Herren Scholarchen, ohne einige deßwegen zu verlangende Salarirung aus freÿem Belieben, zum besten der studierenden Jugend, zu dociren und zu profitiren.[4] Ob nun wol allerhand hochvernünfftige Bedencken deßfals vorgekommen, daß nemlich diese Profession etwas neues seÿe, daß hier keine Universität wäre, daß ich mit der Zeit wegen eines Salarij möchte beschwerlich fallen, so sind sie doch endlich alle in Erwegung, daß ratione primi Hl. Prediger Wülfer Sen.[5] diese Profession gehabt, daß ratione secundi, nur die principia als fundamenta studiorum Universitatis pro captu Auditorium könten dociret werden, nach dem Exempel anderer Gymnasiorum in Teutschland, daß ich endlich ratione tertij wegen eines zu verlangenden Salarij genugsame Versicherung gestellet,[6] und mit der Hülff Gottes schon Mittel sehe, mich ehrlich fortzubringen, so sind sie alle, sprech ich, nicht so erheblich befunden worden, daß nicht dero Hochadel. Herrl. cum Generosissimis Dnn. Scholarchis meinem Begehren zu deferiren[7] gnädigst geruhet hätten, aber daß ich meinen locum nach den Rectoribus haben solte. Weil nun diese angehängte condition dieses Bedenken hat, daß erstlich Prof. Doppelmaier, welcher doch ratione aetatis u. annorum academicorum[8] jünger als ich (vom gradu Magisterij und davon dependirenden exercitiis Academicis, z.E. praesidendo, Collegia habendo, worinnen mich noch vor jenem, quod tamen praefiscine dixerim,[9] habilitirt, will ich modestiae gratia nichts gedenken) ohne dergleichen condition sein Begehren erhalten, secundo, eine durch ganz Teutschland recipirte pragmatia ist, daß Rectores nach denen Professorius gehen, und drittens, was den

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Rectorem des Löbl, Gymnasij, M. Wezeln[10] anbelangt, es diese Beschaffenheit hat, daß wir coaetanei zu Altdorf mit einander gewesen, und also auch dieser ratione aetatis sich keiner besonderen noch weniger ungewöhnlichen Hindansezung beschweren wird noch kan, so haben dero Hochadel. Herrl. sich solche Ursachen dergestalt gefallen lassen, daß sie nur noch wegen des Rectoris im Spital[11] mit Hln. Baumgärtners Hochadel. Herrl.[12] zu conferiren, und endlich die ganze Sache noch einmal beÿ dem Senatu Inclytissimorum Dnn. Septemvirorum zu proponiren sich gnädigst erkläret. Wann nun auf gnädiger resolution dero Hochadel. Herrl. nicht nur maxima pars cursus studiorum meorum, sondern auch die Vollziehung meines mit Gott angefangenen Verlöbnißes, als der ich sonst nicht weiß, was ich für einen Nahmen oder characterem in bürgerl. Societät führen soll, beruhet, so habe hiemit dero Hochadel. Herrl. nochmalen unterthänigst um gnädigen Ausspruch ersuchen, und mein, wie nicht zweifele, billig erfundenes petitum gehorsamst zu hochgeneigtem Angedenken recommendiren wollen, der ich nebst Anwünschung alles ferneren höchstgesegneten Alters und langwüriger glückl. Regierung, verbleibe

Dero Hochadel. Herrl. Meines Hochgebietenden
genädige Maecenas und Herren

unterthänigst gehorsamster
M. Joh. Henr. Müller


Fussnoten

  1. Dieses Memorial ist nicht datiert. Am 14. Juli sandte Müller jedoch ein Schreiben an den Rat, worin er auf ein Gehalt als Physikprofessor verzichtet. Auf dieses Schreiben bezieht er sich im vorliegenden Brief, so dass dieser Brief vermutlich Ende Juli 1705 geschrieben wurde.
  2. Kirchenpfleger war damals Karl Gottlieb Harsdörffer (1637-1708), Vgl. Carbach, Johann Jacob; Waldau, Georg Ernst: Nürnbergisches Zion. Nürnberg: Selbstverlag 1787, S. 5.
    Als Kirchenpfleger war er auch für das Aegidiengymnasium zuständig.
  3. Vgl. die Dokumente vom 12. Mai 1705 und vom 19. Mai 1705.
  4. Mit einer Bittschrift an den Rat hatte Müller am 11. Juni 1705 gebeten, ihm die Professur für Physik im Auditorium des Egidiengymnasiums zuzuteilen.
  5. Daniel Wülfer (1617-1685) las ab 1643 am Egidiengymnasium über Logik, Physik und Metaphysik, er wurde aber bald mit vielen anderen theologischen Aufgaben betraut.
  6. Mit Schreiben vom 14. Juli 1705 hatte Müller versichert, kein Gehalt für seine Tätigkeit als Physikprofessor zu erwarten.
  7. deferiren: bewilligen.
  8. ratione aetatis u. annorum academicorum: angesichts des Alters und der akademischen Jahre.
  9. quod tamen praefiscine dixerim: sinngemäß: was ich doch ohne Ruhm melden will.
  10. Justin Wetzel (1667-1727) hatte sich 1688 in Altdorf eingeschrieben. von 1704 bis 1706 war er Rektor des Nürnberger Gymnasiums, dann wechselte er als Diakon nach St. Sebald.
  11. Rektor der Spitalschule war von 1701 bis 1716 Michael Dürr (1636-1718), Vgl. Carbach, Johann Jacob; Waldau, Georg Ernst: Nürnbergisches Zion. Nürnberg: Selbstverlag 1787, S. 39.
  12. Johann Paul Baumgärtner (1630-1706) war seit 1696 Reichsschultheiß.