Briefwechsel Peter Kolb
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Kolb, Peter (1675-1726) |
Empfänger | Eimmart, Georg Christoph (1638-1705) |
Ort | Halle |
Datum | 27. April 1702 |
Signatur | Nationalbibliothek St. Petersburg: Fond 998, Band 3, Bl. 458r-460v |
Zustand | Auf der Verso-Seite Textverlust durch die Bindung am rechten Rand. Mögliche Ergänzungen stehen in eckigen Klammern. |
Transkription | Hans Gaab, Fürth; Andreas Henkel, Wunsiedel |
WohlEdler Vest= und Hochgelahrter,
Insonders hoher Gönner und Patron.
Es wird sonder Zweifel mein Landes=Mann seine Zusage erfüllet, und meinem Hoch ZuEhrenden Patron das, was Ihm zu übergeben anbefohlen, eingehändiget haben. Dahero ich auch billich scheue tragen solte, mit gegenwärtigen schon abermahls deßen Circulos zu turbiren, wo mich nicht eine Causa coelestis darzu instigirte. Nemlich es ist gestern von Hln Hoffmann[1] aus Berlin Nachricht eingelauffen, daß Hln Kirch[2] alldorten einen Cometen observiret habe,[3] um deßen observation Er auch mich ersuchet. Weil aber Hl. D. Klimm, als welcher zu gleicher Zeit Nachricht deßen Erhielte, auch ein Schema v. aliqualem descriptionem von des Hln Kirchs Fr. Liebsten[4], bekam durch Hln D. Hoffmann, (welches entweder an Ihn oder an Ihre Schwester, die Hln Töllner hat,[5] geschicket worden) als habe mich nicht nur genöthiget erachtet, davon gebührende Nachricht einzusenden, sondern hielte auch davor, es würde meinem Patron
[Bl. 458v]
nicht unangenehme seÿn, wenn ich die ganze beschreibung deße[n] ex autographo Kirchianae observationis abschriebe,
und zugl[eich] mit überschickte; Gestalden ich auch solche sammt dem S[che]matismo hier beÿ geleget habe. Mir ist
diese vergangene Nacht n[icht] erlaubt gewesen, selbigen zu sehen, inmaßen der Himmel allen[hal]ben dichte
überzogen ist; Wie es aber hin künfftig gehen wir[d,] werde gebührend deßwegen benachrichtigen. Ich
betaure a[nders] nichts mehr, als daß keine gute instrumenta habe, die [was?] tüchtiges zu observiren capable sind;
Und weil ich jezt weg w[ohne?] von Hln Postmeistern[6],
so bekomme ich gar keines mehr zu sehen. Da[bei] schmeichelt mir das
Glücke, daß ich doch wohl wieder [zu] observationibus kommen werde; Weil Hl. Geheimbder Rath [Ihrer] Königl.
Mäyl. von Preußen, und oberhoff marschall v. geheim[bder] Rath von Wolfenbüttel
Hl von Großke,[7] meiner
speciali[ter] um deßwillen begehret, und an Geld und benöthigten instru[men]tis nichts zu ermangeln versprochen hat.
Ich hoffe so dann meinen Hoch[Zu]Ehrenden Patron öffters mit observationibus zu besuchen, woferne anderst eine solche
freÿheit wird zugestanden werden. Weil auch g[e]dachter Hl. von Großke, ein sehr courieuser Hl seÿn solle,
[so?] werde so gleich, als zu Ihm komme, bemühet seÿn, das Exper[i]mentum, welches zu Ende der
Ichnographiae
Novae beschrieben worden,[8]
selbst mit Augen zu sehen. Wann ich hierbeÿ solt[e] berichten, wie es Hl. Postmeister hat
observiren wollen, würde m[ein] Patron des lachens sich nicht entbrechen können. Denn er wolte [von] seinen
hölzernen Altan[9] (über welchen, wenn man nur gehet,
schon e[r]zittert v. erschüttert) einen baum unbeweglich
(aber mit den ganzen g[e]bäude leicht beweglich) machen laßen wollen, v. daran einen Tubu[m] wieder auf solche
weise unbeweglich, vermög deßen man nachgehen[ds] die observation hat halten sollen. Nun will ich mich nur [auf?]
[Bl. 459r]
Herren von Sandrart[10] (welchen zu grüßen bitte) beruffen,
welcher das ganze Gebäude beßer abmahlen wird,
als ich es beschreiben kan, so wird mein Patron leichtlich schließen können, wie die ganze observation würde
beschaffen gewesen seÿn, wenn sie were vor sich gegangen. Es halff beÿ dem Manne kein remonstriren, weil Er so gar
sich rühmen darff, es were in der ganzen welt keine beßere Gelegenheit solche curieuse observation zuverrichten,
als sein Altan. Von andern seinen Schwachheiten hoffe ich nächstens, wo nicht mündlich doch durch ein briefgen,
geziemende relation abzustatten. Dermahlen wolte mir nur von meinem HochZuEhrenden Patron einige Nachricht ausgebetten haben,
wie ich mich beÿ observation eines Cometen zuverhalten hätte, v. wie die observatio am besten anzustellen
wäre. Gleich wie ich aber vor alle andere hohe Wohlthaten immerwährenden Danck schuldigst und willigst abstatte,
als w[er]de auch nicht ermangeln durch solche mich noch mehr verbunden zuerkennen, und lebenslang zuverbleiben
Meines HochZuEhrenden Patrons
Halle den 27. April.
Ao. 1702
gehorsamster Diener
M. Peter Kolb.
Von Herren D. Klimm habe eine schöne Recommendation zuüberschicken.
Anhang: Bericht der Maria Margaretha Kirch über die Entdeckung des Kometen
[Bl. 460r]
Berlin den 21. Aprilis. 1702.
Nachdem wir bißhero in denen Zeitungen unterschiedene mahl von einem Cometen gelesen, der sich in Italien und andern Orten solte sehen laßen: Haben wir zwar, wenn es der Himmel, und des Orts gelegenheit zugelaßen, uns darnach umbgesehen, jedoch nichts gefunden. Vermeÿnen auch, daß es die schöne ♀ gewesen, welche von etlichen, der Sternkunst unerfahrnen Leuten, vor einen Cometen gehalten worden, dieweil man noch von keiner rechten Astronomischen Observation gehöret. Heute aber früh, umb halbweg 2., da wir uns deßen am wenigsten versehen, fanden wir einen, aber ohne Schweif, oder Schwanz: er ist aber sonst fein groß, viel größer als ein Stern erster größe, jedoch von schwachem lichte, wie etwa ein Stern, der durch die dicke lufft scheinet, und zöticht[11] aus siehet. Er wird auch, glaube ich, von den wenigsten Menschen gesehen werden; denn wer die Sterne nicht in etwas kennet, wird ihn vor nicht neues halten. Wir fanden ihn durch diese Gelegenheit: Nachdem mein lieber Mann etliche Nächte beÿ hellgestirnten Himmel den wandelbaren Stern im Halse des Schwans observiret, und gefunden, deß Er mit bloßen Augen gar fein zu sehen ist, erinnerte Er mich, ich solte mich, ich solte doch auch, wenn ich des Nachts erwachte mich darnach umbsehen, welches ich denn umb oben bemeldete Zeit gethan, und da kam mir bald etwas frembdes in die Augen. Ich betrachtete Bayeri Uranometria, ingleichen den Globum, und fand keinen sonderlichen Stern, oder einige Nebulosam umb die gegend, hielt es also vor einen Cometen. Weckte hierauf meinen lieben Mann auf, der ihn auch gleich vor einen warhafften Cometen erkennete. Wir observierten ihn, biß ihn der anbrechende Tag verschwinden machte, konten aber noch keinen gewißen lauff bemercken.
In folgender Nacht war es stets ganz trübe und naß, haben also den Cometen nicht observiren können.
[Bl. 460v]
Sonnabends den 22. Aprilis. 1702.
Lies es sich bald zu Abends zu feinen hellen Himmel an, und u[m] halbweg 11. in der Nacht, kam der Comet schon von morgen um unser Hauß herum, und hatte seinen lauff, von Nord-Osten gegen Süd-Westen zu genommen, und stund nun ungefähr dem Augenmaße nach, 5. biß 6. grad vom Kopffe des Serpentarii, welch[er] der nächste helle Stern um ihn war, um 3. Uhr früh, war er [wohl?] nur kaum 3. grad von ihm, etwas nördlich, ist also eines zi[em]lich geschwinden lauffs.
Maria Margarethe Kirchin.
Fussnoten
- ↑ Zu Johann Heinrich Hoffmann (1669-1716) siehe die Anmerkung im Brief vom 23.09.1700.
- ↑ Zu Gottfried Kirch und seinen Angehörigen siehe die Anmerkung im Brief vom 21.06.1700.
- ↑ Der Komet mit der offiziellen Bezeichnung C/1702 H1 wurde am 20.04.1702 von Maria Margaretha Kirch entdeckt.
- ↑ Maria Margaretha Kirch, geborene Winckelmann (1670-1720),
die Ehefrau von Gottfried Kirch, war eine fähige Observatorin.
- Herbst, Klaus-Dieter: Die Astronomin und Astrologin Maria Margaretha Kirch, geb. Winckelmann. In: Dick, Wolfgang R.; Hamel, Jürgen: Beiträge zur Astronomiegeschichte, Band 15 (= Acta Historica Astronomiae Vol. 69). Leipzig: AVA 2022, S. 191-241
- ↑ Justinus Töllner (1656-1718) hatte 1682 Sara Elisabeth Winckelmann geheiratet, die Schwester von Gottfried Kirchs Ehefrau.
- ↑ Zu Friedrich Madeweis siehe die Anmerkung im Brief vom 20.02.1702.
- ↑ Gemeint ist der preußische Geheimrat und Astronomiemäzen Bernhard Friedrich von Krosigk (1656-1714), in dessen Dienste als Secretarius Kolb am 6. Juli 1702 trat.
- ↑ Das "Experiment" wird auf dem vorletzten Blatt
der Ichnographia beschrieben, das fälschlich die Signatur C statt D[1] trägt. Im
Exemplar der
Österreichischen Staatsbibliothek ist die Abfolge der Seiten korrekt, im
Exemplar
der Bayerischen Staatsbibliothek sind einige Seiten falsch eingeordnet (die korrekte Abfolge wäre:
Scan 1-24, 29-32, 25-28, 33-34).
Eimmart behauptet, dass, wenn man einen so fest wie irgend möglich fixierten Tubus auf einen 200 Schritt entfernten Turm oder auf ein zwei oder drei Meilen entferntes Objekt am Horizont richte, die Objekte sich in einer Art Oszillation (motus reciprocalis) immer wieder aus dem markierten Zentrum des Sichtfeldes heraus bewegten (bzw. am Rand ganz verschwänden) und nach einer gewissen Zeit wieder an den Ausgangspunkt zurückkehrten. Er deutet dieses Phänomen als Beweis für die Erdbewegung. Tatsächlich handelt es sich dabei nur um die Tagesperiode der Strahlenbrechung: Nachdem sich die Luft im Laufe eines Tages in der Regel erwärmt, werden Lichtstrahlen in der Luft geringfügig anders gebrochen. - ↑ Madeweis hatte im Dachgeschoss seines Palais eine unterbaute Plattform (Altan, Söller) für astronomische Beobachtungen errichten lassen, ganz ähnlich wie Bernhard Friedrich von Krosigk auf seinem Berliner Stadtpalais und auf seinem Poplitzer Schloss.
- ↑ Gemeint ist wahrscheinlich Eimmarts Schwager, der Nürnberger
Kupferstecher Jacob
Sandrart (1630-1708).
- Doppelmayr, Joh. Gabriel: Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern. Nürnberg: Peter Conrad Monath 1730, S. 260-261
- Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3. München: Saur 2007, S. 1294
- ↑ zöticht: Nebenform zu zotticht, also ein Lichtphänomen mit unscharfem Rand.
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