Briefwechsel Johann Leonhard Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Leonhard (1688-1727)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 22. Dezember 1725[1]
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 135r-136v
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler, Vest und Hochgelahrter
 Hochgeehrtester Herr,
   Hochgeschätzter Gönner.

Ew. HochEdl. mir überschicktes Scriptum, habe ich bestens empfangen und statte ich hiedurch vor solches angenehme present, meinen geziemenden Danck ab. Ich zweifele nicht, es werde unterdeßen auch mein Schediasma von der letzten Eclipsi,[2] Ihnen zu Handen kommen seyn: beklage aber darneben sehr, daß Ew. HochEdl. Prognosticon wegen des trüben Himmels bey sothaner Eclipsi, so richtig zu getroffen: und ich glaube, Sie würden es selbst lieber gesehen haben, wenn Sie damit gefehlet hätten. Zu Leipzig, zu Ingolstadt u: Hildburghaußen, war auch nicht das gewünschte zu observiren: nicht weis ich, ob man auch in Italien, Frankreich und Teutschland, eben so wenig hat observiren können. Indeßen mus man sich solches Verhängnis, nur gefallen lassen u: ein andermal beßer

[Bl. 135v]
Wetter erwarten. Ich wünsche dieses absonderlich zu bevorstehender Occultation des Martis, die ich um so viel notabler zu seyn erachte, weil der ♂ sich nicht weit von der ☍ ☉ befindet, mithin sein diameter desto genauer zu observiren ist.[3] Vermutlich würden die wenigsten in Teutschland, von diesem und andren Phaenomenis des künftigen Jahres, etwas gewußt haben, wenn Ew. HochEdl. sich nicht die Mühe gegeben, sie zu berechnen, und das tempus observationis, anzudeuten. Vor einigen Tagen, schrieb mir Hl. P. Wagner und gab mir Nachricht von seinem Unglück,[4] da er denn auch der mit Hl. S.[5] geschehenen Veränderung Erwehnung taht, und sich sehr darüber verwunderte. Er ist begierig zu wißen, ob er in F. bereits eingezogen, und wie er reussiret. Sie melden es ihm derohalben bey gelegener Zeit, denn ich mercke ohnedem, daß er Ihre Correspondenz aestimiret, und beklaget, daß Sie wegen überhäufter Arbeit, nicht viel Briefe schreiben könten. Mons. de l'Isle, der, wie Sie vielleicht schon wißen, unter einer ansehnlichen station nach Petersburg gehet, soll, wie ich gehöret, seinen Weg durch Nürnberg nehmen, und muthmaße ich nun, er werde en passant, auch bey Ihnen in Berlin

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einsprechen.[6] Es wird solches sich eher der Mühe lohnen, als daß er hieher kömmt, wo er nur Gelegenheit finden dürfte, sich zu moquiren. Ich weis, daß er schon ehemal die Wurzelbauischen Instrumenta u: Manuscripta zu sehen begierig gewesen: und dahero wird er sich bey seinen Anwesen, wol darnach erkundigen. Ich meines Ortes, habe erhebliche Ursachen, mich nicht dabey in das Spiel zu mengen; zumal da nun zwischen dem Sohn und der Tochter des Seel. Hl. von Wurzelbau wegen der Erbschaft, ein Process entstanden, der mich über die maßen ärgert. Wenn ich es vor etlichen Wochen nicht verhindert, würde auf Begehren des Sohnes, der seines Seel. Vaters Reputation, gar schlecht regardiret, der schöne Azimuthal Quadrant, zerleget, von seiner Stelle gebracht, und also vorsetzlich ruiniert worden seyn. Es wäre hieran gar viel zu schreiben, wenn man es der feder vertrauen dürfte. Inmittelst, verzeihe ich es dem Seel. Manne nicht, daß er nicht beßer Anstalten gemacht, was man post obitum, mit seinen Sachen tuhn solte. So gehet es, wenn die Leute sich einbilden, sie lebten ewig, und sie brauchten das ihrige biß auf den jüngsten Tag. Sapienti sat![7]

[Bl. 136v]
Wenn Sie Ihres Ortes, die letzte Eclipsin ☽ observiret haben,[8] oder Sie kriegen anders woher, eine observation davon, so bitte um geneigte Communication, deßgleichen, wenn Sie bißher einige Immersiones et Emersiones Intimi ♃ Satellites observiret, möchte ich sie auch gerne wissen. Im übrigen wünsche ich von Herzten, daß Ew. HochEdl. dieses Jahr, gesund in in allen beglückten wolseyn beschließen, das darauf folgende neue aber, auf gleiche Art anfangen, und selbiges nebst noch sehr vielen andren, in ungekränckter Zufriedenheit, zurück legen mögen. Ob schon sonsten die Zeit alles zu ändern pfleget, so wolle mir doch Gott das Vergnügen gönnen, daß Dero aufrichtige mir gewidmete Affection u: Freundschafft, unverändert bleiben, die mit aller ersinnlicher Hochachtung zu behaupten, ohnabläßig bemühet seyn werde.

Ew. HochEdl.

  Nürnberg.
den 22 Decemb. 1725

ganzt ergebenster und
verbundenster diener.

Johann Leonhard Rost.


P.S.

Bitte bey Gelegenheit der Stahlischen Pillen eingedenck zu bleiben.[9]

[Bl. 136r]
P.S. Als ich diesen Brief siegeln will, erfahre ich, daß Ms. de l'Isle mit noch 2 andern Frantzosen,[10] schon 8 Tage nach dem Advent hier angelanget, und über 8 Tage hier geblieben ist. Hl P. Doppelmajer, der sie bedient, auch mit ihnen bey Hl. Prof. Müller in Altdorf gewesen, hat mir von ihrer Anwesenheit, nicht das geringste zu wißen getahn, dahero ich auch die Ehre nicht haben können ihn zu sehen und zu sprechen. Es ist dieses abermal ein schöner Beweis seines aufrichten Gemüths gegen mich: u: kan der Mann seinen Neid nicht bergen. Inzwischen ist es mir doch auch aus erheblichen Ursachen lieb, daß ich keinen Umgang mit diesen freunden gehabt habe.[11]


Fußnoten

  1. In diesem Brief vom 22. Dezember wird die Ankunft von Delisle angekündigt, im P.S. wird berichtet, dass er schon in Nürnberg sei, ohne dass dies Rost mitgeteilt wurde. Im vorigen Brief vom 21. Dezember werden Details geschildert, wie Rost Delisle verfehlt hat. Hier muss also die Datierung durcheinander geraten sein, der Brief vom 22. Dezember muss vor dem vom 21. Dezember geschrieben worden sein.
  2. Rost, Johann Leonhard: Curieuse Vorstellung und Beschreibung der grossen sichtbaren Sonnen- oder Erd-Finsterniß Anno 1724. [Montag] d. 22. May. Nürnberg: Adam Jonathan Felßecker 1724.
  3. Am 18. Januar 1726 fand eine Bedeckung des Mars durch den Mond statt. Der Mond war dabei fast voll, d.h. Mars und die Sonne standen fast in Opposition zueinander. Rost hat über diese Bedeckung in den Breslauischen Sammlungen (=Sammlung Von Natur-und Medicin-, Wie auch hierzu gehörigen Kunst-und Literatur-Geschichten), Versuch 35, Winter-Quartal 1726, erschienen 1727, S. 60-62 berichtet.
  4. Wagner war damals Professor in Hildburghausen. Dort gab es am 8. Juli 1725 eine große Feuersbrunst, wodurch er "einigen Schaden gelitten hatte". Am 9. Januar 1726 schrieb er an Kirch (UB Basel: L Ia 727, Bl. 45r), dass er deswegen seine Schriften noch nicht in der vorigen guten Ordnung habe. Vgl.: Krauß, Johann Werner: Antiquitates et memorabilia historiae Franconiae. Darinnen in sonderheit der Ursprung / Einrichtung und Merckwürdigkeiten der Fürstlichen Residentz=Stadt Hildburghausen von den ältesten bis auf die jetzige Zeiten aus den bewährten Urkunden abgehandelt werden. Hildburghausen 1753, S. 332f.
  5. Johann Georg Schütz (?-1730) wurde 1720 neben Kirch als Observator der Sozietät angestellt. Kirch sollte ihn einarbeiten. 1725 ging Schütz als Professor für Mathematik nach Frankfurt an der Order. Am 24. März 1725 schrieb Wagner an Kirch (UB Basel: L Ia 727, Bl. 41r-v): "Ob Er, in seinen Lectionib. Mathem. als Prof. besser reussiren, und mehr nützliches ausrichten mögte wohl wissen."
  6. Vgl. dazu das PS unten sowie den Brief vm 21. Dezember 1725.
  7. Sapienti sat! Es bedarf keiner weiteren Erklärung für den Eingeweihten.
  8. Am 21. Oktober 1725 gab es eine totale Mondfinsternis.
  9. Bereits im Brief vom 17. Oktober 1720 bat Rost Kirch um Zusendung von Pillen des renomierten Mediziners Georg Ernst Stahl (1659-1734). Dieses Thema taucht seitdem ständig in dem Briefwechsel zwischen Rost und Kirch auf.
  10. Joseph Nicolas Delisle (1688-1768) reiste in Begleitung seines Bruders Louis Delisle (1690-1741) sowie des Instrumentenmachers Pierre Vignon.
  11. Siehe zu dieser Angelegenheit Rosts Brief vom 21. Dezember 1725.