Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief  
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Liebknecht, Johann Georg (1679-1749)
Ort Nürnberg
Datum 8. April 1724
Signatur Smithsonian Libraries, Washington: MSS 000449 A, Special Collections (Dibner), Bl. 6r-7r
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEhrwürdiger und Hochgelährter, insonders
Hochgeehrtester Herr, werthester Hl Collega.

Ich habe allbereit vor 7 Wochen durch einen nach Franckfurt reisenden Kauffmann ein Schreiben sowohl an dero wertheste Persohn als an den Hl. Dr. Verdries[1] nebst einer Zulage an Hl. Dr. Zumbach[2] gelangen lassen.[3] Hoffe demnach es werde inzwischen solche gehörig eingelieffert worden seyn. In dieser Hoffnung mich getröstend nehme mir abermahl die freyheit die Zulage an Hl. Dr. Zumbach zur weitern Beförderung zu recommendiren.[4] Was das neueste in rebus litterariis anlanget, so habe Hl. Wolffens Beantwortung auf Hl. Buddei Schreiben,[5] die zuweilen zimlich starck ist, gelesen, und daraus befunden, daß man viele Säze in der werthesten Philosophi drehen kan wie man mag, welches zu einer wenigen Hoffnung darin klage. Sed haec inter nos.[6] Dann habe auch neulichen den Thummingschen 4ten Theil perlustriert und eine Antwort auf das lezte meines Hochgeehrtesten Herrn Collegae gefunden, darinnen er als ein Überwinder zu triumphiren vermeynet.[7] Das größte Wunderwerck ist in dem VI. Numero eben dieses vierten Theils enthalten, daß er bey dem Stand, in dem er noch ist, so gar vieles von einem fruchtbaren

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beyschlaf zu sagen und zu raisoniren weiß,[8] und so tieff in der Erkäntnis der Natur gelanget, was werden erst die künftige Zeiten noch geben? Man hat ihn der historie von der Gelehrsamkeit dieser Zeit und zwar in dem siebenden Stück bey seinem neuen physikalischen Bauwerk zimlich perstringiret[9], welches er verdient, weil er ander brave leuthe nicht in Ruhe lässet, und sich nur dadurch einen Nahmen zu erwerben, und andere zu verkleinern, wie er von seinem Meister gelernet, sed haec etiam inter nos, denn ich mag mich mit hochmüthigen und aufgeblasenen Leuthen nicht gern meliren[10] und was zu schafffen haben. Was angenehme nova literaria anlanget, bin ich vor jezo aus Paris neue Tabb. Astronomicas von Mr. de l'Isle erwärtig.[11] Aus Copenhagen habe aus den Schreiben des Hl. Horrebows vor kurzem vernommen, daß Hl. Römer vor gewis in seinen hinterlassenen Observationibus behauptet, daß er den Mercurium anno 1707 den 6 May noch in sole ein klein wenig gesehen, welchen sonst niemand wahrgenommen.[12] Aus Halle habe von Hl. M. Semlern einen gedruckten Indicem von seinen Demonstrationibus und Instrumentis Magneticis vor weniger Zeit erhalten,[13] darinne er zu erkennen gibet, wie weit er in dieser Materie gekommen; er wird das Mst der Englischen Societät übergeben, und darinnen zeigen wie man vermöge des Magnets und seiner Überprüfung die longitudinem gar wohl de-

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terminieren könne, auch solche vermöge andrer Instrumenten ausfinden. Wegen der großen Brenngläser recommendire mich zu gutem Andencken, absonderlich so man aus Helmstätt schreiben sollte. Ich glaube, daß man es noch vor 40 Thaler erlangen könnte so die leuthe gleich das paare Geld dafür sehen sollten, ich bin schon mit einem, so etwas kleiner ist, versehen, sonsten hätte solches selbsten genommen, womit nächst frl. Empfehlung an Hl. Dr. Verdries verharre unter Erlassung Göttl. Protection

Nürnberg 8 April. A.C. 1724.

Meines hochgeehrtesten Herrn Collegae    

ergebenster Diener      
J G Doppelmayr mpp  




Fußnoten

  1. Johann Melchior Verdries (1679-1735) war zuerst Professor für Physik in Gießen, dann für Medizin.
  2. Lothar Zumbach von Koesfeld (1661-1727) war in Leiden der wichtigste Lehrer von Doppelmayr gewesen. 1708 wechselte er aber nach Kassel.
  3. Die Briefe vom Februar 1724 an Liebknecht, Verdries und Zumbach sind nicht überliefert.
  4. Auch der Brief von Doppelmayr an Zumbach vom April 1724 ist nicht überliefert.
  5. Wolff, Christian (1679-1754); Budde, Johann Franz (1667-1729): Bedencken über die Wolffianische Philosophie mit Anmerckungen erlätert von Christian Wolffen. Frankfurt a.M.: Andreä 1724.
    Noch im gleichen Jahr erschien auch:
    Wolff, Christian: Nöthige Zugabe zu den Anmerkungen über Herrn D. Buddens Bedancken von wolffischen Philosophie auf Veranlassung der Buddischen Anwort. Frankfurt a.M.: Andreä 1724.
    Zu diesen Streitigkeiten siehe:
    Schröpfer, Horst: Die Polemik zwischen Christian Wolff und Johann Franz Buddeus - ein Orientierungspunkt für die philosophie-historische Einordnung der Wolffschen Philosophie. In: Gerlach, Hans-Martin; Schenk, Günter; Thaler, Burchard (Hrsg.): Christian Wolff als Philosoph der Aufklärung in Deutschland. Halle 1980, S. 93-100.
  6. Sed haec inter nos: Aber dies unter uns.
  7. Thümmig, Ludwig Philipp: Versuch einer gründlichen Erläuterung der merckwürdigsten Begebenheiten. Band 4. Halle 1723.
    Thümmig hatte Liebknecht für dessen vermeintliche Entdeckung eines neuen Planeten scharf kritisiert.
    Vgl. Doppelmayrs Brief an Liebknecht von Ende 1723.
  8. Doppelmayr spielt darauf an, dass Thümmig nicht verheiratet war.
  9. perstringiret, hier: sehr getadelt worden.
  10. meliren: mischen, untereinander mengen.
  11. Im Brief vom 1. November 1723 hatte Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) von seiner Arbeit an neuen astromischen Tabellen gesprochen. Diese Tabellen scheinen aber nicht veröffentlicht worden zu sein.
  12. Ole Christensen Roemer (1644-1710) und Peder Nielsen Horrebow (1679-1764) waren bekannte dänische Astronomen. Den von Roemer beobachtete Merkurtransit spricht Doppelmayr auch im Brief an Delisle vom 22. April 1724 sowie im Brief an Goldbach vom gleichen Tag an.
  13. Semler, Christoph (1669-1740): Supremo Magnae Britanniae Senatui Illustrissimo Parlamento Consecrata Humillimeque Submissa Methodus Inveniendae Longitudinis Maritimae Per Acus Verticales Magneticas, Evidentissimis Superstructa Experimentis Terra Marique Factis. Halle: Orphanotropheum 1723.