Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Scheuchzer, Johann Jacob (1672-1733)
Ort Nürnberg
Datum 5. Juni 1726
Signatur ZB Zürich: Ms H 303, S. 371, 365-366
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nürnberg, den 5 Junii
A.C. 1726.

HochEdler und Hochgelährter, Insonders Hochgeehrter
Herr Doctor, werthester Gönner!

Weil sich eben mir Gelegenheit praesentiret, daß Herr Taffinger,[1] ein hiesiger Kauffman, nach Zürich schreibet, so habe gegenwärtiges mit bey fügen und berichten wollen; daß ich E. HochEdlen angenehmstes von 7. May inzwischen richtig erhalten[2] und nun erwärtig seye worinnen was angenehmes wegen der zu edirenden Biblicarum Iconum erweisen könne.[3] Ausser denen nemlich bemeldten scriptoribus ist mir noch Reyherus eingefallen, der in seiner Mathesi Mosaica verschiedenes in der verlangten Materie exhibiret.[4] Daß des Moore New System of Mathematicks[5] auch bei Ihnen nicht anzutreffen wundert mich sehr, ich habe schon in gar viele örther deswegen geschrieben und es auch nicht angetroffen, so gar ist es auch in England rar, also daß ich was ich verlange, gar allda werde abschreiben lassen. Vor etlichen wochen habe aus Bononien des Hl. Manfredii Ephemerides, die von diesem Jahr bis auf 1750 gehen,[6] überkommen, welche mich sehr vergnügen, heut aber habe aus Coppenhagen von Hl. Horreborio einen Theil von seiner Astronomia Danica, so Astronomia partem physicam vorstellet, erhalten,[7] und zu gleich aus Leipzig vernommen daß Hl. Prof: Junius, der bekandte Professor Mathematique allda, vor kurzem gestorben.[8] Von Hl. del' Isle erwarte täglich Brieffe aus Petersburg wie es allda stehe.[9] Die Holsteinische gedruckte Zeitung praemittiret, daß auf das künfftige Jahr der erste Tomus ihrer Memoiren soll zu haben seyn.[10] Man ist an dem daß man unseren Ephemeridibus einen neuen Mantel umgibet und sie unter einem anderen Titul zu drucken anfänget,[11] belieben E. HochEdlen was zu contribuiren, so wird es dem Hl. Praesidi[12] sehr angenehm seyn. Wegen der edirten Schweizl. Naturgeschichten[13] mögte wohl wissen, ob man diese edirte Theile in zweyen Bänden, ohne daß die ander noch nicht publiciret worden, vor jezo schon binden möge, welches bey Gelegenheit da Herr Escher[14] öffters hieher schreibt, in etlichen Zeilen zu wissen verlangen trage, inmittelst verharrend

    E. HochEdlen
      Meines Hochgeehrten Herrn Doctoris

ergebenster Diener    
J G Doppelmayr mpp

[S. 366][15]
P.S. Da ich eben diesen Brief versiegeln will, kommt mir von der Leipziger Messe des Hübners in Hamburg neu edirtes Museum Geographicum[16] ganz erwünscht zur Hand, darinnen er, die besten Charten andeutend, p. 115. 116. den von E. HochEdlen edierten Schweizer Charten[17] wesentlich meldung thut, und einen Umstand beyfüget, der dem Verlag von solcher Charten einen großen Stoß geben sollte, welches als ein guter freund zu melden nicht umhin kan, wenn Er sezet: Hl. Dr. Scheuchzer hat die Schweiz selber durchreiset, daher auch die Charte so wohl gerathen ist, daß sich die anderen alle davor verkriechen müssen. In den Parergis[18] hat Er viele curiosa Naturalia vorgestellet. Z. E. 1. die Teuffels Brücke 2) den Rheinfall dito Ferner sagt Hübner N.N.

[S. 365]
Ich weiß nicht was mit der Kupfferplatten passiert ist, daß keine Exemplaria mehr davon abgedrucket worden. Es ist deswegen ein habiler[19] Kupfferstecher im Begriff diese vier Charten, die man gar nicht mehr haben kan, nachzustechen. So weit der Hübner.

Der Fehler hafftet daran, daß weil dieser einmahl von den Homännischen Erben[20] die Schweizer Charten verlanget, und man gesagt, (wie ich höre) daß sie hier nicht zu haben, er geglaubet oder verstanden, daß man keine mehr nachdrucken wollte, also ohne maß zu geben, will erinnert haben, daß E. HochEdlen unverzüglich ein Schreiben an Hübnern nach Hamburg recta gehen lassen, und erinnern mögten, daß genug Exemplaria vor die Bestellung zu haben wären, ehe man etwann die Charte nachsticht, welches E. HochEdlen zu einem großen Schaden gereichen mögte, welchen als ein guter freund durch meine unfreuhtige Erinnerung gern praevenieren wollte.


Fußnoten

  1. Der Handelsmann Johann Wilhelm Taffinger (1667-1741) war seit 1702 im Größern Rat der Stadt Nürnberg vertreten, vgl. Roth, Johann Ferdinand: Verzeichniß aller Genannten des größern Raths. Nürnberg: Milbrandt 1802, S. 150.
  2. Der Brief von Scheuchzer an Doppelmayr vom 7. Mai 1726 ist nicht überliefert.
  3. Es geht um Scheuchzers Kupferbibel-Projekt.
  4. Reyher, Samuel (1635-1714): Mathesis Mosaica; sive loca Pentateuchi mathematica mathematice explicata; cum app. aliorum S. Script. locorum mathematicorum. Kiel: Reumann 1679.
  5. Moore, Jonas (1617-1679): A New Systeme of the Mathematicks. London: Scott 1681.
    Besprechung in den Acta Eruditorum 1682, S. 145f.
  6. Manfredi Eustachio (1674-1739): Novissimae ephemerides motuum coelestium. Bologna: Constantini Pissari 1725.
    Band 1: Ex anno 1726 in annum 1737; Band 2: Ex anno 1738 in annum 1750.
  7. Horrebow, Peder Nielsen: Clavis astronomiae sive astronomiae pars physica. Kopenhagen: Selbstverlag 1725. Erst 1730 kam das Buch auch bei Joh. Nicolaum Lossium in Kopenhagen heraus. Diese Buch erwähnt Doppelmayr auch im Brief an Kirch vom vorhergehenden Tag, wobei er auch hier behauptet es "heute" erhalten zu haben. Er spricht diese Arbeit auch im Brief an Goldbach vom 01.11.1726 an, wobei er hofft, dass die fehlenden Teile bald herauskommen mögen.
  8. Ulrich Junius (1670-1726) starb am 20. März 1726 in Leipzig.
  9. Auf seiner Reise von Paris nach St. Petersburg hatte Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) im Dezember 1725 Doppelmayr in Nürnberg besucht. Doppelmayr wartete seither auf Briefe von ihm.
  10. Der erste Band der Commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae erschien 1728.
  11. Der Titel der Akademieschrift lautete bis dahin: Academiae Caesaro-Leopoldinae Naturae Curiosorum Ephemerides, sive, Observationum medico-physicarum. Zwischen 1712 und 1722 kamen zehn Bände heraus. Ab 1727 erschien die Schrift unter dem Titel: Acta Physico-Medica Academiae Caesareae Leopoldino-Carolinae.
    Auf die Änderung des Titels hatte Doppelmayr Scheuchzer schon im Brief vom 16. Oktober 1725 aufmerksam gemacht.
  12. Der Mediziner Lucas Schroeck (1646-1730) aus Augsburg war von 1693 bis 1730 der IV. Präsident des Collegiums Naturae Curiosorum (Leopoldina).
  13. Scheuchzer, Johann Jacob: Helvetiae historia naturalis. 3 Bände Zürich: Bodmer 1716-1718.
    Schon im Brief vom 28. Februar 1726 hatte Doppelmayr angefragt, ob die Edition nun vollständig sei.
  14. Johannes Escher (1697-1734) war ein Züricher Kaufmann mit eigenem Naturalienkabinett.
  15. Die Reihenfolge der Blattzählung ist hier verdreht, Bl. 366 kommt vor Bl. 365. Wesentlicher spricht Doppelmayr im folgenden Brief vom 14. August 1726 an, dass er am 5. Juni 1726 wegen Hübner geschrieben habe. Die beiden Seiten gehören also zum Brief vom 5. Juni 1726, nicht vom 16. Oktober 1725. Das Datum passt auch besser zur angesprochenen Leipziger Buchmesse, die um Ostern stattfand.
  16. Hübner, Johann (1668-1731): Museum Geographicum, das ist: Ein Verzeichniz der besten Land-Charten so in Deutschland, Franckreich, England und Holland von den besten Künstlern sind gestochen worden. Hamburg: Theodor Christoph Felginer 1726.
    Das folgende Zitat steht auf S. 115f.
  17. Scheuchzer, Johann Jacob: Nova Helvetiae Tabula Geographica. Zürich: Eigenverlag 1712.
  18. In Zedlers Universallexikon (26 (1740), Sp. 848) wird Parerga definiert als: "Nebenwercke, werden diejenigen Handlungen und Sachen genennet, davon man nicht hauptsächlich Profeßion machet."
  19. habiler: geschickter.
  20. Der Begriff "Homännischen Erben" irritiert in einem Brief von 1726: Johann Baptist Homann ist 1724 gestorben, das Geschäft übernahm sein Sohn Johann Christoph Homann (1703-1730). Nach dem Tod des Sohnes 1730 übernahm Johann Georg Ebersberger (1695-1760) zusammen mit Johann Michael Franz (1700-1762) das Geschäft, das nun unter der Bezeichnung "Homanns Erben" fungierte. Doppelmayr hätte den Dativ verwenden müssen, als "dem Homännischen Erben", nicht "den Homännischen Erben". Gemeint ist hier eindeutig Johann Christoph Homann.
    Ich danke Markus Heinz von der SB Berlin für sehr hilfreiche Auskünfte.