Briefwechsel Johann Leonhard Rost
Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
Autor | Rost, Johann Leonhard (1688-1727) |
Empfänger | Kirch, Christfried (1694-1740) |
Ort | Nürnberg |
Datum | 23. Dezember 1716 |
Signatur | UB Basel: L Ia 720, Bl. 9r-12r |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
HochEdler Großachtbar und Wohlgelahrter
Hochgeehrter Herr.
Dieweil jüngsthin, durch Herrn Wagnern, von Dero Anwesenheit in Berlin Nachricht
erhalten: und zugleich erfahren, daß Ihnen mein im September datiertes
Schreiben nach Dantzig, noch nicht zu Handen kommen:[1] so trage in Regard Ew.
HochEdl berühmten Complaisance kein bedencken, denselbigen meine Ergebenheit,
unbekandter Weise, in einem andern Brief, an den Tage zu legen.
Ich suche darunter nichts anders, als Ew HochEdl. künftige Bekandschaft, damit
von Ihnen in dem Studio Astronomico beßer profitiren, und manches
mal eine gute Unterweisung, einholen kan. Bin ich nun in meiner
Absicht glücklich, so verspreche Ew. HochEdl, alle ersinnliche Erkenntlichkeit, u:
will mich auf das äußerste bestreben, wie Dero höchst schätzbaren Affection
beständig würdig heißen möchte. Hl. Wagner, wird Ew. HochEdl unterdeßen
[Bl. 9v]
von meiner Person und meinen Astronomischen Untersuchungen
ein mehrers eröfnen können. Ich aber melde, daß ich sehr begierig, meine
hier angefangene Observationes, auf solche Art fortzusetzen, wie es der
allgemeine Nutzen erfordert, und meine auferige Sehnsucht, Verlangen träget.
Nur bedaure ich, daß das hiesige Observatorium, so Sie unter des Hl P.
Müllers Direction gesehen,[2]
immer mehr zu Grunde gehet: u: kein Mensch um
deßen Erhaltung bekümmert ist.[3]
Befände ich mich in dem Stande de propriis[4]
mir die benöhtigste Requisita anzuschaffen, ich wolte ohne Ruhm zu
melden, mit Gottes beÿstande zeigen, was die Lust zu einer so edlen Wißenschaft,
auszurichten vermögend ist. Doch wie ich in meinem nach Dantzig
geschickten Brief erwehnet, tröste ich mich mit dem Exempel des Seel.
Herrn Vaters,[5] beÿ dem es auch hart gehalten,
biß er seinen Willen durch
praißwürdige Verrichtungen der Welt vor Augen legen können. Gehet es
gleich itzt nicht wie ich wünsche, wird vielleicht Gott in das Mittel tretten,
und eine Sache befördern helfen, die ich einig und allein zu seiner
Ehre, und dem Nächsten zum Dienst, mir aber zur unschuldigsten Ergetzung,
unter Handen haben möchte. Weil Ew. HochEdl meinen ersten
Brief vielleicht doch noch aus Dantzig empfangen, will ich hier die Observationes
nicht noch einmal beÿlegen, welche ich dorten eingeschloßen.[6]
Uber dieses, hat sie außer den Maculis Solaribus Herr Wagner insgesamt
empfangen: und würden Sie noch solche obligiren, wenn Sie dero
[Bl. 12r]
vernünftige Gedancken mir darüber eröfneten, und die etwan von Ihnen
gehaltene, mir dargegen communicirten. Hier folget die letzte des
gegenwärtigen Jahres,[7] worüber mir absonderlich Ihr Judicum ausbitte
weil ich nicht errachten kan, wo die merckliche differenz der Zeit herrühret,
welche ich nebst dem Oscillatorio, aus den culminationibus fixarum
et altitudinibus, gefunden habe. Wenn nicht überall die Differenz
eine sehr nahe Gleichheit, würde ich meinen, man hätte die momenta oscillatorii,
falsch aufgezeichnet; allein, da diese Muthmaßung hinweg
fällt, sehe ich nicht, wo es denn eigentlich stecken müßte. Ich will hier
meine Rechnung beÿlegen, damit Sie sehen, daß ich meines Orts, keinen
Irrthum begangen. Wenn Ew. HochEdl die Phaenomena coelestiae
Anni 1717 etwan näher calculiret, als Sie in dem von Ihnen edirten
Astronomischen Wahrsager[8] anzutreffen: So bitte mir deren Abschrift
aus, weil ich künftig darauf vigiliren werde. Auch melden Sie mir ob
Ihre Ephemerides,[9] nicht anderwärts einen Verlag angetroffen. Ich
gohs[?] Sie bereits ziemlich irre, weil ich mich daran gewöhnet: und beÿ den
Gauppischen,[10] mus ich erst erwarten, was sie vor dienste tuhn.
Ubrigens recommendire mich zu Dero höchst schätzbaren Wohlgewogenheit
und will mit dero gütigsten Erlaubniß lebenslang verharren
Ew. HochEdlen.
gehorsamst=ergebenster diner
Nürnberg.
den 23 Decemb. 1716.
Joh. Leonhard Rost.
Beilage 1
Berechnungen und Beobachtungen zur Bedeckung von ρ Sgr (heute: ρ1 des Schützen)
durch den Mond am 18. November 1716
Beilage 2
Bedeckungsbeobachtungen von 1716
Fußnoten
- ↑ Christfried Kirch hatte sich 1715/16 in Danzig aufgehalten. Nach dem Tod von Johann Heinrich Hoffmann (1669-1716) am 6. April 1716 wurde er dessen Nachfolger als Direktor der Berliner Sternwarte.
- ↑ Hier scheint sich Rost zu irren: Johann Heinrich Müller war von 1705 bis 1710 Direktor der Sternwarte,
dann folgte er einem Ruf nach Altdorf. Laut NDB hielt sich Kirch aber erst 1713/14 in Nürnberg auf.
Nach dem Brief
von Johann Philipp von Wurzelbau (1651-1725) an Maria Margareta Kirch (1670-1720)
vom 10. Juni 1713, hielt sich Christfried Kirch beim Bierbrauer Lorenz Schmidlein (?-1719) auf. Im Dezember 1714 muss er
Nürnberg bereits verlassen haben, siehe den Brief von Wurzelbau an ihn vom 21. Dezember 1714.
1713 war bereits Johann Gabriel Doppelmayr (1677-1750) Sternwartendirektor. - ↑ Auch in den Folgebriefen beklagt sich Rost immer wieder über die Zustände auf der Sternwarte.
- ↑ de propriis: aus eigenen Mitteln.
- ↑ Gottfried Kirch (1639-1710) war um 1700 der bekannteste deutsche Astronom. Damals wurde er der erste Direktor der Berliner Sternwarte.
- ↑ Seine Sonnenfleckenbeobachtungen des Jahres 1716 schickt Rost im folgenden Brief vom April 1717 mit. Dem Band der UB Basel sind Beobachtungen von Rost von 1716 vorgebunden. Dabei dürfte es sich um die nach Danzig geschickten Beobachtungen handeln, siehe Beilage 2.
- ↑ Im Anhang finden sich Berechnungen und Beobachtungen zur Bedeckung von ρ1 Sgr (Schütze) durch den Mond vom 18. November 1716. Diese Beobachtungen sind auch abgedruckt im Appendix von Johannes Gaupps Calendarium Novum Astronomicum ad Annum 1718, Bl. L4v-L5v
- ↑ Gottfried Kirch brachte ab 1677 unter dem Namen Georg Fabricius den Warhafftigen Himmels=Bothen oder Astronomischen Wahrsager heraus. Nach seinem Tod führte der Sohn die Reihe fort, ab 1743 wurde sie dann von Michael Adelbulner (1702-1779) herausgegeben. Vgl: Herbst, Klaus-Dieter: Kommentiertes Verzeichnis der Schreibkalender für 1701 bis 1750 im Stadtarchiv Altenburg (=Acta Calendariographica - Forschungsberichte, Band 3). Jena: HKD 2011, S. 17f. sowie dessen den Eintrag zu Fabricius im Biobibliographischen Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750.
- ↑ Kirch, Christfried: Teutsche Ephemeris auf das Jahr 1714-1716. Worinnen nicht nur der Lauff der Planeten in Länge und Breite, sondern auch derselben sichtbarer Auf- und Untergang ... und andere nützliche astronomische Rechnungen zu finden. Nürnberg: Endter 1714 [ThULB Jena: 4 Math.VII,92(2)].
- ↑ Johannes Gaupp (1667-1738) war Pfarrer in Lindau, der aber vor allem als Astronom bekannt wurde. 1716 hatte er Ephemeriden für 1717 herausgebracht.