Briefwechsel Michael Adelbulner


Kurzinformation zum Brief Zum Originalbrief
Autor Adelbulner, Michael (1702-1779)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 13. Februar 1734
Signatur UB Basel: L Ia 677, Bl. 25r-25v
Transkription Hans Gaab, Fürth


HochEdler, Hochgelahrter,
   insonders Hochzuehrender Hl.
     verehrtester gönner und Patron.

Ew. HochErl. werden die, d. 24. Dec. a. p. an dieselben abgesandte Numeros von dem Commercio Astronomico, wie ich hoffe, richtig empfangen haben.[1] D. 11. Febr. h.a. habe Hl. Doct. Trew[2] N. III. et IV. nebst eine Tab. überantwortet,[3] welche mit einigen bögen von dem Comm. Medico Hl. d. Neumann[4] durch obgedachten Hl. d. Trew nächstens geschicket werden sollen; Inzwischen nehme mir die freyheit mit derselben gütigen Erlaubnis durch gegenwärtige Zeilen anzufrag. ob Ew. HochEdl. meinen Brief empfangen habe. Ich habe darinnen um Beystehen Hl. Assistenz gehorsamst gebetten,[5] welche bitte ich hier nochmals wiederholen, und Ew. HochEdl. inständig ersuchen will, dieselben geruhen doch noch nachhero wie von unsern seel. Hl. Rosten oft angerühmte Aufrichtigkeit u. Humanite[6] mich in diesem meinem Vorhaben, welches, wie ich hoffe, unserer Uraniae nützlich seyn soll, nicht zu verlaßen; sondern vielmehr mich zu secundiren. Haben ja Ew. HochEdl. noch Bestand solches öffentlich zu thun, so verspreche ich alles geheim zu halten. Hl. Prof. Celsius verspricht hier auch in einem vergangene Woche erhaltenen, und von ihm in Bononien geschriebenen Brief mir noch ferner hier alle Assistenz;[7] allein er ist zu weit entfernet, daß ich also Ihme nichts in allen um Rath fragen kan. Er richtet aber sehr viel gutes aus, und hat auch Manfredium[8] gewonnen, der ein nächstes retours einschließen wird. So vermuthe auch von dem Hl. Marggrafen Poleno[9] bald etwas zu erhalten: mithin läßet sich alles wol an, ohngeachtet der Neid Tag und Nacht arbeitet,[10] das Proiekt gänzlich zu ruiniren. Ew. HochEdl. haben doch die Gütigkeit und gönnen mir das Vergnügen, daß dieselbe auch unter die Beförderer dieser commercii und unter meine verhofte Gönner und Patrone zahlen darf. An meinem dankbaren Gemüthe

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und reellen Erkäntlichkeit dörffen Ew. HochEdl. gar nicht zweifflen; Wie ich denn denselben seine Exemplaria von dem Commerc. offerire, als diselben verlangen. Nebst deme unterstehe mich auch Ew. HochEdl. Rath und Beystand in einer Sache auszubitten, in welche dieselben, wie ich gewiß weiß, mir am Ersten rathen und helffen können. Es haben nemlich meine guten freunde mir angerathen, bey gegenwärtigen Umständen mich um einen publiquen Character umzusehen; weil sich den Titul Mathematii Cultor ein jeder angehende Student geben könte, mit welchen also man schlechte renomee erhälten. Ich habe auch diesen wolmeinenden Rath raisonabl. gefunden, und war anfangs im Glaub, Magister zu werden; es fiel mir aber ein, daß ich meine Finem[11] weit beßer verrichten könte, wenn die Ehre hätte in die königl. Preuß. Societät der Wissenschaften aufgenommen zu werden. Als ich dieses meinen Patronen und freunden proponirte, billigten sie nicht allein diesen Entschluß, sondern encouragierten mich bey Zeiten dazu thun. Ich habe also nicht länger anstand nehmen, sondern die ganze Sache Ew. Hochedel als meinen wehrtesten Patron hiemit entdecken wollen; mit der gehosamsten bitte, mir in dieser Sache mit einem guten Rath, und mit dero viel-vermögenden Recommendation bey zustehen. Ich habe zwar niemahls nach Ehren streben, die man auf Universitäten austheilet, getrachtet; und von der Zeit an, da ich meine Vorsaz iura zu studiren und darinnen auch zu promoviren, ändern müßen,[12] auf nichts mehr als die Excolierung mei-

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nes Verstandes gesehen; wie ich denn den Vorschlag Magister zu werden, als ich mich vor 7 Jahren in Altdorf aufhielte,[13] refutiret; gleichwol finde ich, daß man in regno opinionum etwas als reelles ansehen muß, welches in regno veritatis sich auf 0 reducirt; und müßte ich mir in der That gefallen laßen, noch zu promoviren, wo nicht die Ehre erlangen könte, ein wiewohl unwürdiges Mitglied der preuß. würdigen Societät zu seyn. Zwar habe ich bißher nicht viel über die Elementa Matheseos heraus gestoßen, ich erhoffe aber, bald in dem Commercio zu zeigen, daß ich principia besize, welche mich in das Inner der Astronomie führen könen. Gewiß ist es, daß wenn Ew. HochEdl. die recommendation auf sich nehmen werden, daß ich dieselben nicht werde stehen laßen. Brauche ich noch weitere recommendation, so können Ew. HochEdl. sich so wol hier bey Hl. d. Trew, als auch in Altdorf bey Hl. Prof. Schwarzen[14], als mehr bejde mit mir beständig umgehen und umgegangen sind, um meine Lebens-Art erkundigen; nur dieses bitte mir aus, daß es nicht bey P. Doppelm. geschiehet, der mich gewiß nicht beßer recommendiren solte, als jene. Ew. HochEdl. werden mir diese Gefälligkeit um so weniger refusiren, je Löblicher meine Absicht, und je größer der Nuzen ist, den ich dadurch erhalte. Denn 1) verlanget das Commercium Astr. ein größers Pondus: 2) bekomme ich einen stimulum, der bey diesem Audio um so nöthiger ist, je geringer der Nuzen, den man

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durch dises Studium erhält, und 3) wird mein Glück nicht wenig dadurch befördert. Denn es stehet nun darauf, daß ich das schrifftliche Versprechen erhalten soll, nach dem Tod des P. Doppelm. die Profession zu erlangen;[15] mitlerweile aber will man mich Ihme adiungiren: ich habe bereits ein specimum verfertigen, und einer hohen Magistrats-Person[16] überreichen müßen; welches sehr gnädig aufgenommen worden. Es ist diese hohe Person die eigentliche Ursache, daß ich meinen Vorsaz medicinam zu studiren, den ich vor einem Jahr gefaßet, wieder fahren laßen, und mich nun gänzlich der Astronomie widmen müßen; Wie nüzlich mir aber diese Ehre in Ansehung der Sache seyn wird, könen Ew. HochEdl. selbsten trachten. Ich wiederhohle also nochmahlen meine gehorsamste bitte, und ersuche Ew. HochEdl. mir mit nächstem zu berichten, was ich ferner hin zu thun habe; ob man sich bey andern vornehmen Mitgliedern insinuiren müße, wie diese Insinuation am füglichsten geschehen könne etc. Nur bitte diese Sache geheim zu halten, damit es nicht Hl. Doppelm. erfähret. Vor derselben bemühung werde nicht undankbar seyn; wie ich denn nichts mehrers wünsche, als eine Gelegenheit, worinnen ich zeigen könne, mit was vor Vergnügen ich sey.

Ew. HochEdl.
als meines wehrtesten Gönners

Nürnbg d. 13. Febr.
1734.

ergebenster diener
Adelbulner.

P.S. die verlangten Bücher von Venedig habe noch nicht erhalten.


Fußnoten

  1. Offenbar wurden die 1. Ausgabe des Commerciums vom 22. Oktober 1733 überschickt, sowie die 2. Ausgabe vom 21. November 1733.
  2. Der Arzt, Botaniker und Sammler Christoph Jacob Trew (1695-1769) war der wichtigste Mitarbeiter an der medizinischen Fachzeitschrift Commercium litterarium ad rei medicae, deren erste Nummer 1731 erschien. Celsius nahm bei seinem Nürnberger Aufenthalt an den Redaktionssitzungen in Trews Haus im Wespennest teil. Er war von der medizinischen Zeitschrift so angetan, dass er anregte, eine entsprechende astronomische Zeitschrift herauszubringen. Zu Trew vgl. Pirson, Julius: Der Nürnberger Arzt und Naturforscher Christoph Jakob Trew (1695-1769). Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 44 (1953), S. 448-576.
  3. Die 3. Ausgabe ist auf den 1. Dezember 1721 datiert, die 4. Ausgabe auf den 10. Januar 1734.
  4. Caspar Neumann (1683-1737) war Chemiker und Apotheker in Berlin. Eine öffentliche Vorlesung Neumanns ist im Commercio Medico für 1733, S. 21-24, 28-32 abgedruckt.
  5. Vgl. das Ende von Adelbulners letzten Brief an Kirch vom 10. Dezember 1733.
  6. Vgl. dazu auch den Briefwechsel von Rost mit Kirch.
  7. Celsius hielt sich vom 13. Oktober 1733 bis zum 8. April 1734 in Bologna auf. Vgl. Manfredi, Eustachio: De gnomone meridiano Bononiensi. Bologna: Laelii a Vulpe 1736, S. 20.
  8. Eustachio Manfredi (1674-1739) war Astronom in Bologna.
  9. Der Marquis Giovanni Poleni (1683-1761) hatte seit 1719 den Lehrstuhl für Mathematik in Padua inne. Im ersten Commercium vom 22. Oktober 1733 findet sich eine Mitteilung von Capelli aus Venedig, dass er Beobachtungen von Poleni aus Padua in Händen halte (S. 3-5). In Nummer 7, S. 54 und Nummer 10, S. 79 wird auf Werke von Poleni hingewiesen, eigenständige Beobachtungen von Poleni finden sich in den Commercii nicht.
  10. Das ist eine Anspielung auf Doppelmayr, vgl. hierzu den Brief Adelbulners vom 10. Dezember 1733 an Kirch.
  11. Finem: Ziel.
  12. Im Nürnbergischen Gelehrten=Lexicon (Band I, 1755, S. 3f.) berichtet Georg Andreas Will, dass Adelbulner 1720 nach Leipzig ging und dort u.a. "Humaniora und Philosophie" studierte. Eine anschließende Reise durch Deutschland musste er abbrechen, weil 1721 seine Mutter starb und er deshalb seinem Vater in der Druckerei helfen musste. Nach dem vorliegende Brief zu schließen, muss sich Adelbulner aber damals für die Juristerei interessiert haben.
  13. Adelbulner hat sich am 8. August 1725 in Altdorf eingeschreiben, vgl. Steinmeyer, Elias: Die Matrikel der Universität Altdorf, Band 1, 1912, S. 532. Will (siehe Fußnote 12) zählt auf, bei wem er Vorlesungen besuchte, ansonsten ist nicht bekannt, was er zwischen 1725 und 1733 machte. Die vorliegende Briefstelle klingt so, als ob er Altdorf bereits 1727 wieder verlassen hat.
  14. Christian Gottlieb Schwarz (1675-1751) lehrte seit 1709 die Beredsamkeit, Dichtkunst und Sittenlehre in Altdorf, vgl. Grieb, Manfred: Nürnberger Künstlerlexikon, Band 3, 2007, S. 1407f.
  15. Doppelmayr starb am 1. Dezember 1750, sein Nachfolger wurde Georg Moritz Lowitz. Adelbulner war zwischenzeitlich Nachfolger des 1742 verstorbenen Michael Kelsch als Professor für Mathematik und Physik in Altdorf geworden.
  16. Gemeint sein dürfte Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach (1673-1752), den Adelbulner im Brief vom 19. August 1734 als "Hl. Ephorum, Hl. von Ebner, als meinen großen Patron" ansprach.
  17. Insinuiren, Insinuation: sich jemanden empfehlen.