Briefwechsel Johann Michael Franz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Franz, Johann Michael (1700-1761)
Empfänger Pro Memoria
Ort Hannover
Datum 19. Juni 1755
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 5756, Bl. 30r-32r
Transkription Hans Gaab, Fürth


Pro memoria
durch was für ein Mittel meine Nürnbergische
Differentien in Nürnberg gehoben und
mein Nexus Göttingensis & Noricus künftig
beybehalten werden könne.

1)

Da ich wegen Wegschaffung des Hl Prof. Lowiz und des Kugel Laboratorii und am allermeisten wegen meines Göttingischen Engagements mir in Nürnberg wieder alles mein Vermuthen bey dasigem Magistrat so wohl als bey meinem homannischen MitErben[1] und übrigen wohlgesinnten Nürnbergern grosse und mächtige Troublen, die mich darine der stürzen können, zugezogen, habe ich allerhand Vorschläge gemacht, mich aus diesem Labyrinth heraus zu reissen, so daß ich auch den Verkauf meiner Portion Handlung an die Göttingische, und wann diese nicht wollte, an die Berliner Academie der Wissenschaften für sich gehen lassen wollte.

2)

Das Institutum Cosmographicum hat mich in schwehre Unkosten und Verschwendung vieler Gelder gestürzet, so daß ich nebst der homännischen Einnahm auch ein und andere entlehnte Gelder u. Capitalien drauf verwendet, in der Hofnung, es werden sich endlich Fürsten u. Herren, besonders die vom fränkischen Kreise der Sache annehmen, u. unter andern mir alß von Selbigem bestellten Kreyß-Geographo die generale Messungs Commission, wodurch mich in etwas des Schadens hätte erholen können, anvertrauen; alleine diese Affaire wurde wegen schlechten Zustands der fränkischen Kreyß Cassa vereitelt. Inzwi-

[Bl. 30v]
schen muß ich leyder sehen, wie am Ende mir diese für die geographische Wissenschafft gemachte Depensen zur grösten Ungelegenheit ausgeschlagen sind, nicht zu gedenken, des Hasses und Feindschafft, den der homännische MitErbe wegen der Exclusion aus dem Weltkugel Laboratorio auf mich geworfen. Eben daher komts, daß meine wenige Creditores versezt worden, ihre Gelder gleich auf einmal von mir zu verlangen, ungeachtet sie kurz vorher in den von mir vorgeschlagenen Administrations Contract mit nöthiger Zufriedenheit eingewilliget hatten. Hievon können Hl. Doct. Professor Adelbulner in Altorf, Hl Doct. Wachau[2] Advoctus ordin. in Nürnberg und Hl Lothes[3] Vorsteher des Nürnbergischen Handels Plaz Zeugnis abstatten.

3)

Kurz so groß mein Credit beständig in Nürnberg gewesen, in welchem Fall ich auf ein allgemein Zeugnis mich beruffen kan, so sehr veränderte sich der Nürnberger Gedenkungs Art gegen mich, alß ich von meinem Abzug nach Göttingen in Ernst zu reden anfinge. So sehr ich in der Stadt Nürnberg für eine nützliche Person bin gehalten worden, so sehr schädlich werde ich jezo geachtet. Es ist also drauf angesehen, durch einen mir an den Halß geworfenen Process entweder von dem Göttingischen Engagement mich ganz und gar zu verdrängen, oder dafern ich dennoch dahin abgehen würde, mich um den Possess der Homännischen Handlung zu bringen, und selbige an einen Nürnberger Bürger zu verkaufen. Weßwegen man mir auch das Bürger Recht, so ich beybehalten will, difficultiret, inmassen in Nürnberg Groß und Klein mit der Meynung praeoccupirt ist, ich ginge nach Göttingen, um daselbst eine neue Officin anzurichten und die Nürnbergische zu ruiniren.

[Bl. 31r]

4)

Ob ich nun schon mich berechtigt finde, mein Eigenthum auch an ausserhalb an einen jedweden in einem frembden Territorio zu überlassen, so haben die Kosmographischen Mitglieder bey unserer leztern Conferenz dennoch für gut befunden, daß ich den Besiz der Homannischen Handlung auf alle Weise behaupten, und sie in Nürnberg zur Zeit lassen solle; inmassen es erstlich Göttingen eben so wohl eine Ehre ist, wenn diese Officin von hierauß auf künftig dirigirt wird alß wann sie selbst hier wäre, zweytens diese homännische Handlung weit und breit und in allen Europäischen Ländern u. Staaten eine längst etablirten Credit mainteniret, von deme die Kosmographische Gesellschafft bis zu ihrer völligen Consistenz inmittelst profitiren kan und 3) ob rationes domesticas coherendis mei[4] eine grosse Wahrscheinlichkeit vorwaltet, daß ich in zwey oder mehr Jahren auch Possessor der andren Helffte u. also der ganzen Officin werden kan, wobey ich Gelegenheit habe, eine ewige und sehr profitable Verbindung der homännischen Handlung mit der Göttingischen Kosmographischen Gesellschaft zu stiften, u. jene willig anher zu schaffen.

5)

Allein weil der Articulo 2. gemeldter maassen versezte Creditor schlechterdings paares Geld von mir sehen will, auch mein verboßter Consort bloß dahin das Absehen hat, daß ich bey den Sachen, die ich in Göttingen verlegen werde, ihn zum Mitverleger erkennen und behalten soll, folglich durch Leistung und Versprechung dieser Juden Dinge, das auf mich einschlagen wollende Wetter in Nürnberg vertrieben werden kan, so bin ich gemüssiget, wegen des leztren bey S. Mayt. meinem Allergnädigsten König und dessen höchster Lands Regierung alleruntertänigst anzufragen, ob ich auf meine Göttingische Außfertigungen das

[Bl. 31v]
Excusum Göttingae de Norimbergae zu sezen Erlaubnis habe, wegen des Erstern aber von Ihro Mayestaet um ein Anlehen von 4600 Rthl gegen jährlichen gewöhnlichen Zinß und zwar auf 5 Jahre also daß ich bey Abzahlung des Capitals ein Jahr drauf die Zinse bezahlen darf, allertiefgehorsamst anzuhalten.

6)

Dieses Anlehen verlange ich als ein Kosmographisches Mitglied und nur so lange, bis die Verbitterung der Nürnberger in Vergessenheit komt und bis ich die obgedachte Verbindung unter diesen zwey Corporibus ausgewürkt habe. Dabey gewinne ich Zeit, daß ich allen Credit und Correspondenz der homannnischen Handlung hieher nach Göttingen ziehen, dabey meine bey der homannischen Handlung erworbene 24jährige Erfahrungen nun bei der Kosmographischen Gesellschaft an Mann bringen kan. Um diser Ursache wegen ist es eben so viel, alß wäre ich gekommen, für die Götingische Kosmographische Gesellschafft ein Anlehen zu begehren, womit ich dann die allergnädigste Verwilligung desselben um so mehr und in der höchsten Zuversicht, vor Augen sehe, als ich allertiefgehorsamst verspreche, die von der Kosmographischen Gesellschaft versprochene 6. Artikel mit dem grösten Eyfer zur Ehre des Göttingischen Musen Plaz zur Ausrichtung zu bringen, auch werden zur kostbaren Verlegung des von uns publicirten SchulAtlaß noch auch in Zukunft zu allen meinen Verlags Entreprisen niemahlen es mehr zu verlangen, sondern alles aus meiner eigenen homännischen Einnahmen zu bestreiten.

[Bl. 32r]

6.)

Weil es in Nürnberg mit meinen Feinden alle Tage zu grösserer Verbitterung komt, und ein gewaltthäthiges Procedere mich um die homännische Handlung bringen könnte, alß habe ich sehr nöthig, wegen der im 5.ten Artikel gehtanen zwey Anfragen eine schleunige Erklärung nach Nürnberg gehen zu lassen. Weßwegen dann von Ihro Mayestaet meinem Allergnädigsten König u. dessen höchsten Ministerio um so eher schnelle Hülfe mich in aller Demuth getröste alß ich jezt bloß allein wegen meines Göttingischen Engagements einen ganz unverdienten Haß u bittrer Verfolgung ausgestellt worden, welchem mein Allergnädigster König und Herr durch ein allermildest fiat ein glorieuses Ende machen, und damit mich und die Kosmographische Gesellschaft verpflichten können. Unsere wahre Meynung ist, unsere Untersuchungen dem Publico der deutschen Nation nüzlich, unsers Souverains Landen aber einträglich zu machen

  Gefertigt den 19. Junius 1755. in Hanover.

Johann Michael Franz.


Fußnoten

  1. Johann Christoph Homann (1703-1730), der Sohn von Johann Baptist Homann (1664-1724), der das Landkartenofficin gegründet hatte, starb sehr jung 1730. Er vererbte die Officin an Franz und an Johann Georg Ebersperger (1695-1760). Zwischen den beiden kam es aber zum Streit, da Franz große Summen in die Verbesserung der Landkarten investierte. Dieser Streit eskalierte, als bekannt wurde, dass Franz nach Göttingen ziehen wolle.
  2. Paul Wachau (07.09.1698-23.10.1761) war beider Rechte Doktor und Advokat in Nürnberg. Er wurde am 7. September 1698 in St. Sebald getauft: "7. [September 1698] Michael Christoph Wachau, ferber u. Mangmeister, Anna Ursula, Paulus, Paulus Hirsch, Buchhalter", Taufen St. Sebald 1676-1701, S. 1007 (Scan 525). Am 23. Oktober 1761 wurde er bestattet: " der HochEdel, Gestreng u: Hochgelehrte Herr Paul Wachau, J. V. D. u: beÿ hiesig gemeiner Stadt Advocatus Ordinarius, des Erbar u: Fürnehmen Michael Christoph Wachau, S. H. E. erz. S. neben dem goldenen Tischlein, ♀ d. 23. Dit. [Oktober 1761] dreÿerl. St. Joh.", Bestattungen St. Sebald 1742-1789, S. 322 (Scan 218), Nr. 147.
    Seine jüngere Schwester Maria Barbara Wachau (31.08.1706-04.06.1773) hatte 1737 Michael Adelbulner geheiratet.
    Zu Wachau siehe:
    Will, Georg Andreas: Nürnbergisches Gelehrtenlexikon, Band 4. Nürnberg und Altdorf: Lorenz Schlüpfel 1758, S. 478-479
    Nopitsch, Christian Conrad: Nürnbergisches Gelehrtenlexikon, Band 8. Altdorf 1808, S. 368.
  3. Conrad Lothes (Lottes, 1681-1757) aus Plech war von 1733 bis 1746 Marktadjunkt gewesen (Stadtarchiv Nürnberg: E8 Nr. 4747), später war er Marktvorsteher. Seine Witwe Magdalena Clara gründete per Testament eine Stiftung, mit der Witwen unterstütz wurden, aber auch je zwei Theologie- und Jurastudenten ein Stipendium von 25 fl. jährlich erhielten. Das Stadtarchiv Nürnberg besitzt einen eigenhändig geschriebenen Lebenslauf von Lothes (E1/1020 Nr. 1).
  4. ob rationes domesticas coherendis mei: Aus privaten Gründen meines Miterben.